Fahrzeug an Fahrzeug: Die Schömberger Ortsdurchfahrt ist stark befahren, entsprechend hoch ist die Belastung der Anlieger. Foto: Visel

Wirklich weniger Lärm und Abgase? Bürgerinformation in Stauseehalle gut besucht. Mit Kommentar.

Schömberg - Skepsis und Zustimmung halten sich die Waage: Die B 27-Anlieger in Schömberg sind sich uneins, ob Tempo 30 auf der Bundesstraße ihnen wirklich weniger Lärm und Abgase beschert. Dies ist das Ergebnis der Bürgerinfo zur Lärmaktionsplaung.

An die 90 Schömberger sind am Montag in die Stauseehalle gekommen, um sich über das nun beginnende Verfahren zu informieren. Bürgermeister Karl-Josef Sprenger zeigte sich nach der zweistündigen Veranstaltung zufrieden: "Noch nie ist uns so deutlich gesagt worden, wie schlimm die Situation an der B 27 ist. Das sind für uns wichtige Erkenntnisse."

Sprenger und Planer Wolfgang Schröder vom Ludwigsburger Büro BS Ingenieure betonten jedoch, dass man am Anfang eines langen Prozesses stehe, in den die Anregungen und Bedenken der Bürger miteinfließen sollen: "Wir sind nicht hier, um Ihnen fertige Beschlüsse zu präsentieren", sagte Schröder.

In teils dramatischen Worten schilderten die Schömberger, die direkt an der B 27 wohnen, ihre Situation: "Den ganzen Tag vibriert das Haus. Man kann nicht schlafen", hieß es und: "Die Lastwagen fahren mir laufend über meine an die Straße grenzende Hoffläche. Da muss man um sein Leben fürchten."

Klar ist allen Beteiligten, dass in Sachen Ortsumfahrung weiter Druck gemacht werden muss, wobei man sich laut Schröder aber keine Illusionen zu machen brauche: "Auch wenn es ganz optimal läuft, gehen bis zum Bau mindestens 15 Jahre ins Land", betonte der Planer. Daher plädierte er dafür, Sofortmaßnahmen wie die Einführung von Tempo 30 und begleitende Maßnahmen in Angriff zu nehmen: "Das Eine schließt das Andere nicht aus und behindert dieses auch nicht." Im Gegenteil: Schröder ist der Ansicht, dass die in Schömberg gemessenen hohen Lärmpegel ein weiteres wichtiges Argument für den Bau der Umfahrung sind. Stadtrat Robert Keller nahm die Aussage von Schröder, die Politik reagiere in der Regel nur auf Druck, auf und animierte die Schömberger dazu, Aktionen durchzuführen: "Parken auf der B 27 würde uns schnelle Aufmerksamkeit verschaffen."

In Sachen Tempo 30 rund um die Uhr aber waren die Meinungen gespalten. So befürchteten nicht wenige, dadurch mehr Staus, Lärm und Abgase zu produzieren. "Die Belastungen für die Anlieger werden noch größer." Auch die Außenwirkung, so Stadtrat Frank Polich, wäre verheerend. "Jetzt müssen wir durch das Tempo-30-Kaff fahren", würde es dann heißen. Immer wieder wurde auf die drei Ampeln im Zuge der Ortsdurchfahrt hingewiesen: "Die Fahrzeuge stehen ja heute schon. Bei Tempo 30 wird sich das verschlimmern. Dann vespern die Fahrer ja nebenher", hieß es.

Planer Schröder widersprach: Die Ampeln würden weiter benötigt, um die Sicherheit der Fußgänger zu gewährleisten. Gleichwohl bringe Tempo 30 einiges. So nehme der Lärm durchschnittlich um 2,5 Dezibel ab: "Das ist viel." Auch bei der Verkehrssicherheit und der Luftqualität würden Verbesserungen erzielt. Sprenger verwies auf Nachfrage darauf, dass in Endingen die Einführung von zeitweise Tempo 30 auf der B 27 Wirkung zeige.

Letztlich zeichnete sich ein überwiegendes Einverständnis zumindest für die versuchsweise Einführung von Tempo 30 auf der B 27 sowie auf der K 7169 (Schweizer Straße/Wellendinger Straße) ab. Sprenger: "Bei einem zeitlich begrenzten Versuch wollen wir eine wissenschaftliche Begleitung, um zu sehen, ob Tempo 30 was bringt."

Seite 2: Lärmaktionsplan

Bei Straßen, auf denen täglich mehr als 8200 Fahrzeuge fahren, sind die Kommunen verpflichtet, eine Lärmaktionsplanung zu erstellen. Auf der B 27 in Schömberg werden täglich an die 17.000 Fahrzeuge gezählt, auf der K 7169 an die 7000.

Nach Aussage von Planer Wolfgang Schröder werden in Schömberg Spitzenwerte in Sachen Lärmbelastung gemessen. So liegen nachts die Werte bei bis zu 68,7 Dezibel (db); bereits bei 60 dB bestehe dringender Handlungsbedarf. An die 85 Personen seien von Lärm betroffen, der auf Dauer krank machen könne.

Mit der Einführung von Tempo 30 reduziere sich die Lärmbelastung um durchschnittlich 2,5 Dezibel, was "erkennbar viel" sei. Aber selbst bei einer Geschwindigkeitsreduzierung würden entlang der B 27 nachts immer noch Werte von bis zu 66 dB erreicht. Betroffen vom starken Lärm wären dann noch 53 Personen. Durch den Bau der Ortsumgehung würde sich die Lärmbelastung um weitere drei Dezibel verringern. Zusätzlich zu Tempo 30 regte Schröder Maßnahmen wie eine Verkehrsüberwachung sowie passiven und aktiven Lärmschutz an. Auf der K 7169 soll zudem der Schwerlastverkehr eingeschränkt werden.

Das Verfahren zur Lärmaktionsplanung ist vergleichbar mit einem Bebauungsplanverfahren. Wichtig ist die Beteiligung der Öffentlichkeit. So wird der Lärmaktionsplan einen Monat lang ausgelegt. Während dieser Zeit können Anregungen und Bedenken vorgebracht werden. Letztlich fasst der Gemeinderat den Satzungsbeschluss und beschließt die Lärmschutzmaßnahmen. Für die Durchführung ist aber nicht die Kommune zuständig, sondern der Straßenbaulastträger.

Kommentar: Keine Wahl

Von Bernd Visel

Lärm und Abgase, die krank machen, sowie Schäden an den Häusern durch Erschütterungen: Die Anlieger an der B 27 in Schömberg, über die täglich an die 17.000 Fahrzeuge donnern, sind leidgeplagt. Es muss etwas geschehen – und zwar schnell. Klar, der Kampf für die Ortsumfahrung geht weiter, wird aber dauern. Daher sind Maßnahmen gefragt, die rasch Wirkung zeigen: wie Tempo 30 auf der Ortsdurchfahrt – und zwar rund um die Uhr. Denn es werden auch nachts Lärmwerte gemessen, die landesweit an der Spitze liegen und kaum zu ertragen sind. Mit einer Geschwindigkeitsreduzierung ließe sich diese Belastung schnell und spürbar reduzieren. Auch wenn viele Anwohner Tempo 30 skeptisch gegenüberstehen, haben sie keine andere Wahl. Ein zeitlich befristeter Versuch schadet nicht. Die Schömberger sollten sich gemeinsam dafür einsetzen.