Nach einer Feier bei dieser Grillhütte im Schiltacher Tiefenbach kam es zu der folgenschweren Messerstecherei. Foto: Wegner Foto: Schwarzwälder Bote

Gericht: Gefährliche Körperverletzung ohne Tötungsabsicht / Gericht verhängt ein Jahr und neun Monate Haft

Ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung. So lautet das Urteil der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil gegen einen 34-Jährigen, der unter erheblichem Alkoholeinfluss einen Bekannten lebensgefährlich verletzt hat.

Schiltach/Rottweil. Sehr harmonisch sei die Grillveranstaltung zum 45. Geburtstag einer Tante des Angeklagten abgelaufen, rief Richter Karlheinz Münzer noch einmal das Geschehen an jenem Julitag im Schiltacher Tiefenbach, so wie es Zeugen während der dreitägigen Verhandlung geschildert hatten, ins Gedächtnis. Aber eben nur bis zum Ende des Fests, bei dem mehrere Mitglieder der Feiergesellschaft teilweise kräftig dem Alkohol zugesprochen hatten. Dazu gehörten auch der 34-Jährige, sein Stiefvater sowie ein weiterer Mann einer mit dem Geburtstagskind befreundeten Familie.

Die drei Männer waren nach einem Wortgefecht, bei dem der Angeklagte verhindern wollte, dass sein Stiefvater entgegen aller Abmachungen in alkoholisiertem Zustand doch noch Auto fährt, im Graben neben der Straße gelandet. Dort hatte der 34-Jährige seinen Vater zunächst in den Finger gebissen, danach dem anderen Beteiligten vierfach mit einem geschliffenen Messer in den Brustkorb gestochen, die mögliche Tötungsabsicht aber schließlich nicht weiter ausgeführt, sondern von ihm abgelassen und geholfen, den Schwerverletzten aus dem Graben zu ziehen.

Hinsichtlich des möglichen bedingten Tötungsvorsatzes, ohne den eine Bewährungsstrafe möglich wird, verwies der Richter zwar auf das scharfe Messer, über dessen Einsatz sich der Angeklagte aber zuvor keine Gedanken gemacht habe. Zudem habe er auch nicht mit Brutalität zugestochen, er gehe mithin nicht davon aus, dass die Hemmschwelle überschritten worden sei, "billigend in Kauf zu nehmen, einen Menschen zu töten."

Aufgrund von Alkohol habe der Angeklagte Angstzustände gehabt, zudem habe es eine Erschöpfung gegeben, die zur Folge gehabt habe, dass Denkvermögen und Kritikfähigkeit eingeschränkt gewesen seien. Auch deshalb sei nicht von einem Tötungsvorsatz auszugehen, so der Richter, allerdings von einer gefährlichen Körperverletzung.

Als nicht stichhaltig beurteilte Münzer die Aussagen des Angeklagten – die auf eine Notwehr hätten hindeuten können –, dass das spätere Opfer den Kopf des Angeklagten unter Wasser gedrückt habe. Keiner der Zeugen habe geschildert, dass der Angeklagte gehustet habe oder ähnliches, zudem sei es unwahrscheinlich, dass sich der 34-Jährige erst jetzt an ein solches Szenario erinnere und nicht schon bei früheren Gesprächen mit dem medizinischen Gutachter. Ähnlich hatte zuvor auch der Nebenklagevertreter argumentiert und einen Verhandlungstag zuvor die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. So waren sich laut Münzer von dieser Seite alle einig, dass mit einem gefährlichen Werkzeug eine das Leben gefährdende Handlung ausgeführt wurde.

Intensiv erörtert hätten die drei Berufsrichter und zwei Schöffen die Frage des Rücktrittshorizonts zum Zeitpunkt der Handlung. Sie seien zum Ergebnis gekommen, einen unbeendeten Versuch, dem keine Notwehr vorausgegangen sei, die die Tat gerechtfertigt hätte, beurteilen zu müssen. Zudem sei gegenüber einem erkennbar Angetrunkenen das Notwehrrecht eingeschränkt. Es sei vor der Tat auch keine Androhung erfolgt, was laut Münzer gegenüber einem unbewaffneten Gegner angezeigt gewesen wäre.

Hinsichtlich der Strafzumessung verwies der Vorsitzende Richter auf einen geminderten Strafrahmen aufgrund erheblich eingeschränkter Steuerungs-fähigkeit und einer problematischen Charakterstruktur des Angeklagten mit latenter Aggressionsbereitschaft, die sich besonders nach Alkoholgenuss zeige. Neben der bedingten Haftstrafe, von der ein Monat aufgrund einer Verfahrensverzögerung abgezogen wird, kommt so als Auflage zur zweijährigen Bewährung eine Alkoholtherapie dazu. Damit hat der 34-Jährige bereits begonnen. Positiv gewertet wurden die familiäre Bindung, ein fester Arbeitsplatz und die Tatsache, dass zuvor keinerlei Vorstrafen vorlagen.