Die Baustelle der Landesbibliothek. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Müsste die Württembergische Landesbibliothek eine Überschrift für das Baujahr 2016 finden, wäre es vielleicht: „Ein ganzes halbes Jahr“. Denn so lange verzögern sich aktuell der Neubau in Stuttgart und die Sanierungsplanung.

Stuttgart - Wenn es stimmt, dass gut Ding Weile haben will – dann wird die Sanierung der Landesbibliothek vermutlich eine prächtige Sache. „Weile“ braucht sie jedenfalls reichlich, denn das versprochene Sanierungskonzept lässt weitere Monate auf sich warten. Auch die Arbeiten am Neubau gehen nicht so gut voran wie erhofft. „Die Inbetriebnahme ist jetzt auf Anfang 2019 verschoben. Der Fachplaner ist in Verzug gekommen“, sagt Bibliotheksdirektor Hannsjörg Kowark.

Das Finanzministerium als Hausherr bestätigt, dass es frühestens Mitte 2017 ein „belastbares und entscheidungsreifes Sanierungskonzept“ geben wird. Zwar lägen inzwischen verschiedene Varianten vor, diese seien jedoch in „betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu optimieren“, teilt eine Sprecherin mit. Zur Begründung erklärt sie: „Die Sanierung des Bestandsgebäudes der Württembergischen Landesbibliothek (WLB) ist ein komplexes Bauvorhaben.“ Vor allem die Modernisierung während des laufenden Betriebs erfordere „eine sorgsame und belastbare Planung“.

Nun ist dies keine neue Erkenntnis. Bibliotheksleiter Hannsjörg Kowark fordert das Gesamtkonzept für die nach seiner Hochrechnung rund 40 Millionen Euro teure Sanierung seit Monaten, damit er ebenjenen „laufenden Betrieb“ darauf einstellen kann. Er muss dafür sorgen, dass die Abteilungen trotz der Bauarbeiten arbeitsfähig und die Medien zugänglich bleiben. Doch bisher war er vom Land schon mehrfach vertröstet worden, bis vor Kurzem aufs Jahresende 2016. Nun kann mit der Detailplanung sogar frühestens zur Jahresmitte begonnen werden.

2017 gibt es eine Brandverhütungsschau

Das ist aus verschiedenen Gründen brisant. „Das Baurechtsamt der Stadt Stuttgart hat für das Jahr 2017 eine Brandverhütungsschau angekündigt“, teilt die Ministeriumssprecherin auf Nachfrage mit. Bibliotheksleiter Kowark hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Asbestsanierung notwendig werden könnte und der Brandschutz verbessert werden müsse. Bereits bei der Einweihung des Bestandsgebäudes im Jahr 1970 habe der Brandschutz nicht dem damals aktuellen Stand entsprochen, Nachbesserungen seien unerlässlich. Kommen die Experten zu einem ähnlichen Ergebnis, könnten Einschränkungen wie beim Museum am Löwentor drohen oder – im ungünstigsten Fall – eine vorübergehende Schließung wie beim Fernsehturm.

Immer wieder Wasser im Magazin

Daneben kämpft die Bibliothek immer wieder mit Wasser im Magazin. „Jedes Mal nach Starkregen hatten wir irgendwo einen Wassereinbruch – an den unterschiedlichen Stellen im Gebäude“, sagte Kowarks Stellvertreterin Martina Lüll. Zum Schutz der Bücher wurden Regenrinnen und Wassertonnen aufgestellt und Kontrollgänge veranlasst, doch welchen Weg das Wasser nehme, lasse sich nicht vorhersagen. Zuletzt seien vor einem Monat rund 50 Regalmeter mit Zeitschriftenbänden nass geworden. Die Magazindecke habe an mehreren Stellen Risse. Diese sind notdürftig mit dunklen Folien abgedichtet. In der Ecke der letzten Havarie brummt ein Entfeuchter gegen die Nässe an.

Die Ministeriumssprecherin weist darauf hin, dass im Bereich der Erweiterungsbaustelle Abdichtungsarbeiten für rund 250 000 Euro durchgeführt werden. „Das Risiko von Wassereinbrüchen in diesem Bereich wird dadurch stark reduziert“, sagt sie. Die Bibliotheksleitung stellt sich jedoch auch weiter auf Lecks ein.

Digitalisierung soll gegen Raumnot helfen

Mit der Sanierung wird jetzt zunächst ohne Konzept begonnen. Ein erster Abschnitt dafür ist laut Ministerium festgelegt worden und mit Baukosten von 5,4 Millionen Euro im Entwurf des Staatshaushaltsplanes 2017 enthalten. Unter anderem stehen die Vorarbeiten für die neue Buchförderanlage an. Bisher wurde gut eine Million Euro investiert – in Abdichtungen, Fassade und erste Asbestsanierungsarbeiten.

Da sich neben dem Sanierungskonzept nun auch der Einzug in den Erweiterungsbau weiter verzögert, wird es eng in der WLB. Denn der Bestand von mehr als sechs Millionen Medieneinheiten wächst kontinuierlich um rund 70 000 Exemplare jährlich, von denen 80 bis 90 Prozent gedruckt sind. Im Archiv ist schon lange kein Platz mehr, und auch die Ausweichflächen sind inzwischen vollständig belegt. „Wir sind wirklich bis zum Rand voll“, sagt Kowark.

Deshalb beginnt die Landesbibliothek jetzt, elektronisch verfügbare Zeitungen und Zeitschriften zu digitalisieren. Weil dann die gedruckten Bände aussortiert werden können, schafft das Raum für neue Bücher. Ab 2017 würden dafür je 200 000 Euro jährlich im Haushalt zur Verfügung gestellt, so Kowark, und zwar für die kommenden zehn Jahre. „Das entlastet uns, und der Nutzer hat sogar einen Mehrwert.“

So hofft der Direktor nun, die zusätzliche Zeit überbrückt zu bekommen. Zugleich schickt er Stoßgebete, dass es bei dem weiteren halben Jahr Verzögerung bleibt und das Bibliotheksprojekt am Ende nicht an einen berühmten Buchtitel erinnert: „Die unendliche Geschichte“.