In Windeseile fraß sich das Feuer am Nachmittag des 9. April durch das Holzhaus in Epfendorf. Foto: Karin Schmidtke

Holzhaus in Epfendorf wird zum Flammenmeer. Beweisaufnahme für Gericht kein Zuckerschlecken. Was genau geschah im April?

Rottweil/Epfendorf - Seit dem 9. April steht in Epfendorf eine Brandruine zu deren Entstehen sich seit Dienstag die erste Schwurgerichtskammer am Landgericht Rottweil den Kopf zerbrechen muss. Das stattliche Holzhaus mit seiner etwas eigenwilligen Konstruktion war am frühen Nachmittag des sonnigen Apriltags in Flammen aufgegangen. Die Bewohner – ein Ehepaar; er 59-, sie heute 60 Jahre alt – kamen nahezu unbeschadet davon, was die körperliche Unversehrtheit betrifft. Strafrechtlich sieht es hingegen ganz anders aus: Die psychisch labile Frau muss sich als Angeklagte wegen schwerer Brandstiftung und – weil sie möglicherweise davon ausgehen musste, dass ihr Mann nach einer umtriebigen Nacht noch im oberen Stockwerk schlief – wegen versuchten Mordes verantworten.

Dass die Beweisaufnahme für die Kammer unter dem Vorsitz von Karl-Heinz Münzer kein Zuckerschlecken wird, wurde am Dienstag vor allem nach den umfänglichen Aussagen der Angeklagten und ihres als Zeugen geladenen Ehemanns deutlich. Die Frau, die nach dem Brandereignis in einem Schockzustand mit 2,3 Promille ins Krankenhaus eingeliefert worden war, beruft sich auf einen "Black out" vom späten Vormittag des Brandtags bis zum Frühstückskaffee am nächsten Tag im Krankenhaus.

Ihr Ehemann stellte sich am Dienstag entgegen seiner Aussagen damals kurz nach der Feuersbrunst gegenüber der Polizei als Person dar, die keineswegs im oberen Stockwerk von der vom Wohnzimmer im Erdgeschoss ausgehenden massiven Rauchentwicklung überrascht worden sei. Er sei von draußen kommend ins Wohnzimmer eingetreten und dort plötzlich mit der unheimlichen Gefahr konfrontiert worden. Seine apathisch neben dem Hund am Boden sitzende Frau habe er angeschrien, um eine Antwort zu der Feuerursache zu bekommen.

Als sie nicht reagiert habe, habe er sie hinaus auf die Veranda gezogen. Dort trafen schnell Ersthelfer aus einer in der Nachbarschaft ansässigen Firma und ein weiterer Nachbar ein und brachten die beiden Bewohner in Sicherheit. Die Feuerwehr versuchte anschließend durch einen massiven Abschirmeinsatz zwei angrenzende Nachbarhäuser vor der geballten Feuerfront zu retten, was – abgesehen von einigen kleineren Schäden – gut gelang.

Beim Versuch, die Tat zu verstehen, setzen sich Gericht und zwei Sachverständige intensiv mit der Persönlichkeit des Ehepaares auseinander. Diese sprechen von einem lockeren Umgang im Tagesablauf. Auch die unregelmäßigen Arbeitszeiten des Mannes – nach dem Ausscheiden aus der Telekom mit guter Abfindung versuchte er sich als selbstständiger Taxifahrer, mittlerweile ist er wegen Erwerbsunfähigkeit Frührentner – hätten feste häusliche Sitten wie gemeinsames Essen selten zugelassen. Außerdem sei dieses "Laissez faire" beiden Partnern, die kinderlos sind, gut zupass gekommen.

Beide bezeichnen ihr Zusammenleben als gute Ehe. Nach dem zerstörerischen Ereignis habe man sogar noch stärker zusammengefunden. Der Kontakt zur in U-Haft einsitzenden Frau sei vor allem über Briefverkehr sehr eng. Auf die Frage des psychiatrischen Sachverständigen, ob er wegen des zerstörten Heims nicht sauer auf seine Frau sei, antwortet er mit einem klaren Nein. Auf Nachfrage betont der 59-Jährige auch, dass er nicht glaube, dass seine Frau den Feuer verursacht habe.

Diese Erkenntnis lag aber für die Staatsanwaltschaft bereits am 10. April, einem Tag nach dem Brandereignis deutlich auf der Hand.

25 Zeugen sind vom Gericht zur Aufarbeitung des Brandgeschehens und zur Feststellung der Brandursache geladen. Mit einer Flasche Spiritus und Kerzenlicht, so heißt es in der Anklageschrift, soll die Frau den Brandherd gelegt haben. Als eine dicke Wolke mit schwarzem Qualm sich vom Wohnzimmer aus im Haus verbreitete, soll plötzlich ein Flammenmeer so unaufhaltsam nach oben durchgeschlagen sein, dass außer Schutt und Asche nichts mehr übrig bleiben konnte.

Während ein psychologischer Gutachter dem Gericht Hilfestellung bei der Beurteilung der Persönlichkeit der Angeklagten geben soll, versucht sich ein anderer Sachverständiger vor allem an einer Erklärung zur Brandentstehung.

Das die Frau und mutmaßliche Täterin starken Stimmungsschwankungen, die auch immer wieder ärztlich behandelt wurden, unterworfen ist, betont auch ihr Mann. Die angeklagte Frau hält sich bei Aussagen zu ihrem Leben und zu ihren persönlichen Problemen, dabei auch den zeitweise starken Alkoholkonsum, zum Erstaunen des Gerichts nicht zurück. Auch das Zerwürfnis mit ihren Eltern und ihrer Schwester wird leutselig und verständnisheischend zur Sprache gebracht. Und vor allem: Der 2006 im Geburtsort der Frau in die Wege geleitete Hausbau habe wegen der schlechten Arbeit des Planers den häuslichen Etatrahmen erheblich gesprengt.

Wegen der steigenden finanziellen Probleme hatte das Ehepaar im Februar 2015 von der Bank Post mit der Ankündigung der Zwangsversteigerung im April 2015 bekommen.

War das der Grund, wenige Tage vor der Wegnahme des Hauses das fatale Feuer zu legen? Ein Zeuge, ein aktiver Feuerwehrmann, der vor den alarmierten örtlichen Feuerwehren von seinem gegenüber dem qualmenden Gebäude liegenden Betrieb aus als Ersthelfer agierte, zitiert die zu Beginn des Brands "verzweifelt und apathisch" am Boden sitzende Frau mit den Worten "Ich habe mit allem abgeschlossen".

Eine Zeugin schildert die Angeklagte als gute Freundin und herzliche Bekannte, berichtet aber auch von einem Telefongespräch mit ihr kurz vor der Tat, in der der Satz gefallen sei, "mir egal, wenn das Haus brennen würde". Ein anderer Ersthelfer schildert wie er die vom Feuer weggeholte Frau zurückgehalten habe, als sie ins bald danach einstürzende Haus stürmen wollte. Wieso? Der Zeuge verhehlt dazu seine Meinung nicht.

Gut 90 Minuten hatte sich die Frau gestern Vormittag dem Gericht zu ihrem Leben offenbart. Zum Tatzeitraum will sie, wie bereits gesagt, nichts mit bekommen haben. Dass ihr Mann, nachdem er vom Mordvorwurf gegen seine Frau erfahren hatte, die Aussagen zum Brandgeschehen und zur Situation, in der er sich selbst befand, stark geändert haben könnte, wird bei der Kammer gemutmaßt. So gab es viel Stirnrunzeln, als der Mithausherr gestern im Zeugenstand auf Nachfrage des Vorsitzenden Münzer erklärt, in Badelatschen und Jogginghose einen wichtigen Banktermin wahrzunehmen, sei für ihn nicht Ungewöhnliches.

Die Kammer reagierte daraufhin und mit Blick auf die Widersprüche bei den diversen Vernehmungen des 59-Jährigen mit dem Abbruch dieser Zeugenvernehmung. Nun soll morgen, Donnerstag, dem zweiten Verhandlungstag, vor dessen weiterer Vernehmung zunächst der kurz nach dem Brandereignis die Aussagen des 59-Jährigen aufnehmende Polizeibeamte gehört werden.

Was die Zukunft bringe solle, wurde das Ehepaar von verschiedenen Prozessbeteiligten im Verlauf des ersten Prozesstages auch gefragt. Die harte Realität mit hohen Schulden und einer drohenden Verurteilung der Frau scheint bei dem Ehepaar bei diesem Blick in die Zukunft plötzlich stark ausgeblendet zu sein: Den Lebensabend auf dem wunderschönen und zum Leben sehr günstigen Kreta zu verbringen, sei nach wie vor das Ziel, heißt es übereinstimmend. Beim Abschied mit Blickkontakt huscht beiden ein kleines Lächeln übers Gesicht.