Der Angeklagte Drazen D. (gebückt) mit seinen Anwälten und einem Justizmitarbeiter beim Prozessauftakt. Foto: Graner

Angeklagter fällt am Tattag etlichen Villingendorfern auf. Schwester der Mutter sagt aus.

Rottweil/Villingendorf - Er kam ihnen komisch vor, er verhielt sich auffällig, er war "irgendwie seltsam": Zehn Zeugen haben am Mittwochvormittag im Prozess zum Familiendrama von Villingendorf ihre Begegnungen mit dem mutmaßlichen Täter am Tattag geschildert. Am Nachmittag soll die Schwester der Ex-Partnerin des Angeklagten Drazen D. aussagen. Sie hatte die private Einschulungsfeier, bei der am Abend des 14. September drei Menschen erschossen wurden, früher verlassen. Stunden später waren ihr kleiner sechsjähriger Neffe, der Freund ihrer Schwester und dessen Cousine tot.

Nicht nur das später gefundene Fluchtauto mit Konstanzer Kennzeichen wurde mehrfach gesehen, auch ein weiteres Auto mit Konstanzer Nummer fiel Zeugen am Tattag auf. Manche Zeugen kämpfen jedoch auch mit Erinnerungslücken, können nicht genau sagen, ob eine Person oder zwei im grünen Seat, dem späteren Fluchtauto, saßen, oder wann genau sie das Auto gesehen haben.

Zeuge erinnert sich an Blick "ohne Emotion"

Drazen D. mustert die Zuschauer mit scharfem Blick im fast vollen Gerichtssaal, als er am Mittwoch erneut auf der Anklagebank Platz nimmt. Nach dem Prozessauftakt vor Ostern geht es nun um die Frage, wo sich der mutmaßliche Täter vor der Tat aufgehalten hat, wo sein Auto stand, was für einen Eindruck er machte. Etliche Zeugen berichten von einem "komischen Gefühl", als sie einen Mann, dunkel gekleidet, beispielsweise im Auto auf einem Waldparkplatz oder auf einem Wiesenweg gesehen haben. Erst am Tag danach, als in den Medien berichtet wird, dass in Villingendorf drei Menschen erschossen wurden, wird ihnen die Bedeutung ihrer Beobachtung bewusst.

"Ich habe im Internet das Fahndungsfoto gesehen und dachte, ohje, das war der Typ in dem Auto", berichtet eine 30-Jährige aus Villingendorf, die am Abend gegen 17.30 Uhr, nur wenige Stunden vor der Tat, joggen war. Im Wald, beim Wasserreservoir Richtung Hochwald, fiel ihr ein Auto mit Konstanzer Kennzeichen auf, in dem ein Mann saß. "Als ich ins Auto geschaut habe, und wir kurz Blickkontakt hatten, hat er sich weggedreht", berichtet sie. Es sei ein Blick "ohne Emotionen" gewesen. "Ungewöhnlich".

Liveblog vom Prozessauftakt im März 2018

Ein 55-Jähriger Villingendorfer, der ebenfalls an dem Auto vorbei joggte, sah, wie der Mann telefonierte. Beim Blick auf die Anklagebank sagt der Zeuge: "Ja, ich erkenne ihn."

Einer 34-Jährigen Villingendorferin war der grüne Wagen mit Konstanzer Kurzzeitkennzeichn bereits um 13.10 Uhr auf dem Parkplatz an der Turnhalle aufgefallen – dort, wo am Nachmittag die Einschulungsfeier mit dem Sohn des Angeklagten stattfand. Am Abend soll Drazen D. dann laut Anklageschrift mit seiner Kriegswaffe "dreimal aus nächster Nähe" auf den Sechsjährigen gefeuert haben. Das Kind war sofort tot.

Als eine 74-Jährige Zeugin aus Herrenzimmern, der das Auto mit dem dunkel gekleideten Mann ebenfalls aufgefallen war, vom Vorsitzenden Richter Münzer gefragt wird, ob der Mann in dem Auto der Angeklagte war, wird sie ungehalten: "Er kann’s doch selber sagen!", sagt sie mit Blick auf Drazen D. Der verzieht den Mund zu einem Grinsen. Die einzige Gefühlsregung bis dahin.

Der 41-Jährige sagt weiterhin nichts. Und mit einer Aussage sei auch vorerst nicht zu rechnen, sagt einer seiner Anwälte am Rande der Verhandlung.

Am Nachmittag werden neben der Schwester der Ex-Partnerin auch jene Polizeibeamte aussagen, die Drazen D. fünf Tage nach der Tat in Neufra verhaftet haben.

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