Ehrenamtliche des Weißen Ring kümmern sich um die Angehörigen der Opfer des Familiendramas in Villingendorf. Foto: SDMG

Für Opfer von schwerer Beziehungsgewalt gibt es besondere Programme. Ehrenamtliche kümmern sich.

Rottweil/Villingendorf - Während Hunderte von Polizeibeamten den Wald durchkämmen, Hinweisen nachgehen und Spuren sichern, um den Täter von Villingendorf zu finden, kümmern sich seit Tagen Ehrenamtliche vom Weißen Ring um die Angehörigen der Opfer.

"Besonders die Familie des weiblichen Opfers hat es hart getroffen", sagt Marlies Kwasnitza vom Weißen Ring in Rottweil. Seit Tagen kümmern sich zwei Mitarbeiter um die Hinterbliebenen, auch um die des männlichen Opfers.

Die 31-jährige Mutter, die bei dem Anschlag verschont wurde oder vom Täter bewusst am Leben gelassen worden ist, werde ebenso intensiv betreut.

Beim Familiendrama am Donnerstag vergangener Woche wurden in Villingendorf ihr sechsjähriger Junge sowie ihr neuer Partner (34) und dessen 29-jährige Cousine erschossen. Dringend tatverdächtig ist der Vater des Sohnes, Dazen D. Er wurde am Dienstag in Neufra gefasst und sitzt in Untersuchungshaft.

"Oft sind die Menschen skeptisch, wenn wir unsere Hilfe anbieten", so Kwasnitza. Dies sei ganz normal, auch im aktuellen Fall sei dies so gewesen. "Aber jetzt gehören wir dazu."

Der 40-jährige Kroate hatte seine Frau offenbar bereits Monate vorher im Visier, belästigte und bedrohte sie so sehr, dass ein Amtsgericht im März diesen Jahres ein Annährungsverbot ausgesprochen hatte, informierte die Polizei. Diese Maßnahme wurde jedoch auf Wunsch der Mutter hin wieder reduziert und gelockert. Über die Gründe liegen keine Informationen vor.

In den Wochen vor der Tat wurden die Bedrohungen durch Drazen D. offenbar wieder stärker, so dass der neue Partner, der getötet wurde, bei der Polizei Rottweil Hilfe gesucht haben soll.

Erweiterter Schutz

Drazen D. soll sich unter anderem am Rollladen der Wohnung in Villingendorf zu schaffen gemacht und massive Drohungen ausgestoßen haben ("Ich bringe euch um"). Bekannten gegenüber spricht der getötete Mann auch von Sachbeschädigungen, für die er Drazen D. verantwortlich machte. Seine Partnerin erwäge sogar, sich ins Ausland abzusetzen.

Opfer von schwerer Beziehungsgewalt, von Menschenhandel oder sogenannten Stalkern haben seit Jahresbeginn die Chance, unter einen erweiterten Schutz der Polizei zu gelangen. Wenn klassische Mittel wie Platzverweise oder Frauenhäuser nicht wirksam genug sind, können die Instrumente des Zeugenschutzes greifen. Dies macht ein zweijähriges Pilotprojekt für den sogenannten Operativen Opferschutz möglich, das seit Anfang des Jahres läuft. Diese Fälle werden zentral vom Landeskriminalamt (LKA) bearbeitet. Bei dem Pilotprojekt sollen neue Papiere erstellt sowie andere Tarnmaßnahmen ergriffen werden. Viele Opfer seien nach einem langen Martyrium in größter Gefahr, sagte der zuständige LKA-Abteilungsleiter Robert Ullrich bei der Vorstellung des Projekt. "Da helfen nur eine neue Identität und ein neues Leben."

Die Lage der Mutter lässt darauf schließen, dass ihr Fall in dieses Pilotprojekt gepasst haben könnte. Ob die bedrohte Frau von dieser Möglichkeit wusste, ist offen.