Die Trauer um die Getöteten sitzt bei allen tief. Foto: Otto Foto: Schwarzwälder Bote

Angehörige der Verstorbenen kommen zu Wort. Viele wussten, wie gefährlich Drazen D. ist.

Rottweil/Villingendorf - "Wir müssen irgendwie weiterleben, ich weiß nicht wie" – am achten Tag des Prozesses zum Villingendorfer Dreifachmord widmete sich das Gericht vor allem den Angehörigen derer, die der 41-jährige Drazen D. im September 2017 erschossen haben soll – seinen eigenen sechsjährigen Sohn, den neuen Freund seiner heute 31-jährigen Ex-Partnerin und dessen 29-jährige Cousine.

Den Anfang machte der frühere Ehemann der Kindsmutter. Schon als er sie kennenlernte, sei sie in Begleitung eines Mannes gewesen, der ihm "nicht geheuer" war und der sie als Besitz betrachtet habe, so die Aussage des 63-Jährigen. Als sie begonnen hatte, an der Bar des Swingerclubs, den der Zeuge damals betrieben hat, zu arbeiten, habe man sich angenähert, schließlich geheiratet. Trotz des großen Altersunterschieds sei es eine harmonische Ehe gewesen, seine Partnerin eine "herzensgute Frau". "Es war wie ein Sechser im Lotto, von so einer jungen, hübschen Frau geliebt zu werden", meint er.

Affäre mit Drazen D. vom Ehemann toleriert

Beim Ausgehen habe sie eines Tages wohl Drazen D. kennengelernt, schildert der 63-Jährige. Sie begann eine Affäre mit ihm, toleriert vom Ehemann. Die heute 31-Jährige wurde schwanger, fürchtete aber die Aggressivität Drazen D.s und beschloss, sich von ihm zu trennen, so erzählt der frühere Ehemann, der gesundheitlich angeschlagen wirkt und von Gedächtnislücken spricht. Seine Ex-Frau sei in etwas reingerutscht, aus dem sie sich nicht mehr befreien konnte.

Familiendrama in Villingendorf: Chronologie der Ereignisse

Im Oktober 2010 sei es dann zum Messerangriff von Drazen D. gegen den Ex-Mann gekommen. Er habe seine Frau unter Druck gesetzt, gedroht, den Clubbesitzer anzugreifen, wenn sie nicht mache, was er will, habe sogar zu ihr gesagt: "Siehst du, was du getan hast". Mehrfach drohte Drazen D. dem heute 63-Jährigen, er wolle ihn zu Tode foltern. Auch als Waffennarr habe er sich geoutet, schildert der Zeuge. Drazen D. plante wohl, Frau und Kinder aus erster Ehe in München aufzusuchen und zu erschießen.

Verlobter der Frau wirkte panisch und hatte "Angst in den Augen"

Nach der Trennung von Drazen D. wurden die Bedrohungen für die heute 31-Jährige immer konkreter. Zwei Polizeibeamte berichten, dass die Mutter des getöteten Kindes mehrmals mit ihrem neuen Verlobten aufgetaucht sei und Anzeige erstattet hätte.

Drazen D. habe ihr bei einem Einkauf in Singen gedroht, er werde in ein paar Monaten kommen und alle, die ihr nahestehen, vor ihren Augen töten. Er habe gewirkt, "als würde der Teufel in ihm stecken", berichtete sie der Polizei. Zudem schilderte die Mutter, dass jemand um ihr Haus geschlichen sei.

Drazen D. habe alle Vorwürfe von sich gewiesen, meinte gegenüber der Polizei, sie provoziere ihn unablässig. Besonders gefürchtet haben muss die heute 31-Jährige auch die Cousine des Täters. Sie bat um polizeiliche Bewachung des neuen Hauses, dessen Adresse sie geheim gehalten hatte. Ihr Verlobter sei auf dem Revier laut geworden, als mitgeteilt wurde, dass so etwas nicht möglich ist. "Es muss immer erst was passiert sein, bevor die Polizei was macht", so der damalige Vorwurf des Lebensgefährten.

Auch dessen Noch-Ehefrau habe gespürt, dass etwas nicht stimme, sagt sie aus. Die 35-Jährige wusste, dass ihr Ehemann eine neue Beziehung begonnen hatte und dass diese auch Probleme mit sich brachte. "Er wirkte panisch, erzählte von einer Bedrohung. Er hatte die Angst in den Augen", erinnert sie sich.

Die 35-Jährige habe ihm und seiner neuen Freundin helfen wollen, habe sie einige Zeit bei sich versteckt, bis sie nach Villingendorf zogen. Am Tag der Tat habe ihr Mann sie noch angerufen und darum gebeten, die gemeinsamen Kinder mit zur Einschulungsfeier nehmen zu können. Doch die 35-Jährige ließ es nicht zu. "Alle Leute sagen, ich habe die Kinder damit gerettet, wohl etwas gespürt, aber so war es nicht", sagt sie.

"Ich wusste nicht, wie schrecklich es wirklich ist"

Häufig habe sie auf den kleinen Jungen der neuen Freundin ihres Mannes aufgepasst. "Einmal hat er geweint, weil er starke Sehnsucht nach seinem Papa hatte." Seine Mama hätte gesagt, er wolle sie beide umbringen, doch der Junge habe es nicht geglaubt. "Er liebt mich, das hat er gesagt", habe der Kleine gesagt.

Seine Mutter habe der 35-Jährigen gesagt, dass Drazen D. zum Töten fähig sei. "Ich habe das nicht ernst genommen, wusste nicht, wie schrecklich es wirklich ist", gibt sie zu. Im Nachhinein habe sie erfahren, dass Drazen D. auch sie umbringen und ihre Kinder vergewaltigen wollte. Der Tod ihres Mannes und der Cousine, die gleichsam eine Freundin war, sei ein Schock gewesen, schildert die Rottweilerin. Am schlimmsten gehe es der gemeinsamen Tochter. "Sie hat jeden Tag geweint". Der jüngste Sohn rede immer noch so, als sei der Vater noch am Leben. Sie selbst lebt mit dem Schmerz: "Ich bin eine starke Frau".

Wie groß der Schmerz der Angehörigen ist, zeigt sich vor allem beim Ehemann der verstorbenen Cousine. Der 32-Jährige erinnert sich noch genau an den Tag der Tat. "Der Sohn war sehr glücklich. Dieser Idiot hat ihm alles zerstört", sagt er und wirft dem Angeklagten einen hasserfüllten Blick zu. Die Beherrschung, ja, jeder Satz scheint ihm schwer zu fallen.

Im Flur entlädt sich der Schmerz in einem Schrei

Er sei direkt nach dem Notarztwagen am Haus in Villingendorf angekommen. "Das Erste, was ich gesehen habe, war, wie meine Frau auf den Treppenstufen lag", erzählt er, muss immer wieder tief Luft holen bei der Erinnerung.

"Wie kann ich nun weiterleben?", fragt er den Richter. Die Tochter frage ständig, wo Mama sei. Er selbst sei schwer getroffen. "Mir fehlt meine Frau und die Mutter für meine Kinder", sagt er. Die Polizei habe große Fehler gemacht, meint der 32-Jährige zudem.

"Mich hat man immer gelehrt, dass man alles können muss. Ich muss allein damit fertig werden. Ich habe zwei tolle Kinder und muss für sie weiterleben", weiß er. "Wir müssen irgendwie weiterleben, ich weiß nicht wie."

Er habe so viele Fragen und keine Antworten, hoffe nur, dass Drazen D. angemessen bestraft werde. "Er hat nicht einfach nur drei Menschen umgebracht. Er hat damit drei Familien komplett zerstört", schließt der 32-Jährige seine Aussage.

Im Gang draußen entlädt sich der ganze aufgestaute Schmerz in einem einzigen wutentbrannten Schrei. Ein Schrei gegen die Ungerechtigkeit, die Leere und gegen Drazen D., auf dessen harte Bestrafung die Angehörigen hoffen.

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