Dieses Youtube-Video über das Gewehr M 48 – wie die Tatwaffe – sieht sich Drazen D. vor der Tat an. Screenshot: Youtube

Angeklagter im Dreifachmord filmt Tatort und googelt Morde. Mutter sieht Kind letztmals zitternd am Fenster.

Rottweil/Villingendorf - Einer Kripobeamtin hat die Mutter des getöteten Jungen erschütternde Details aus der Tatnacht geschildert. Diese sorgen im Prozess am Dienstag für betretene Stille im Saal. Zudem zeigt die Auswertung von Drazen D.s Handy das ganze Ausmaß seiner Rachegelüste.

Der Angeklagte, dem der Dreifachmord von Villingendorf zur Last gelegt wird, bleibt an diesem Prozesstag unbewegt, beinahe erstarrt. Berichte über die Gewalttätigkeiten gegenüber seiner Ex-Partnerin oder die Schilderung, wie sein kleiner Sohn "mit zitternden Beinchen" auf der Fensterbank des Terrassenfensters stand, als am Tatort die ersten Schüsse fielen – das alles lässt ihn unberührt. Der Mutter des Jungen hat sich das letzte Bild ihres Sohnes am Fenster tief "in die Seele eingebrannt" und lässt sie nicht mehr los.

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Dies berichtet am Dienstag ein Kommissarin aus Rottweil, die die 31-Jährige in der Tatnacht und den Tagen danach intensiv betreut hat – und bis heute mit ihr Kontakt hält. Nicht als Polizeibeamtin, "sondern von Mama zu Mama, von Frau zu Frau". Die junge Mutter, die vor wenigen Wochen das Kind ihres getöteten Lebensgefährten zur Welt gebracht hat, habe Baden-Württemberg verlassen, werde polizeilich betreut und "kämpft jeden Tag ums Überleben", so die Kripobeamtin.

31-Jährige kann die Tat nicht verkraften

Mit den Geschehnissen könne sie nicht fertig werden, sie hadere damit, sich nicht schützend auf ihr Kind geworfen zu haben. Als Drazen D. nach den Schüssen auf ihren Lebensgefährten und dessen Cousine in die Wohnung ging, habe sie "niemals damit gerechnet", dass er tatsächlich auf seinen Sohn schießen werde. Ihr Lebensgefährte habe gerufen "Lauf weg, hol Hilfe" – und sie sei geflohen.

Als Drazen D. zuvor aus dem Dunkeln mit der Waffe auf die Terrasse getreten sei, seien alle wie erstarrt gewesen, berichtete sie der Kripobeamtin. Die Worte, die der Angeklagte bei seinem Auftauchen gesagt hat, gehen der jungen Mutter nicht mehr aus dem Kopf gehen: "Einen schönen Abend. Haltet still."

Weil die 31-Jährige ein Versagen der Polizei sieht, die ihr vor der Tat trotz der Bedrohungen nicht geholfen habe, hat sie Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Die Ermittlungen laufen.

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Nachbarn berichten an diesem Prozesstag von Stimmengewirr und den Schüssen. Eine Nachbarin meint, den Täter danach in der Spiegelung einer Glasscheibe gesehen zu haben. Er stand ganz ruhig, ging ohne Eile Richtung Hohenkarpfenweg weg, so ihre Aussage.

Einblick in die der Zeit vor der Tat und die Versuche der jungen Mutter, von Drazen D. loszukommen, gibt die Aussage eines ehemaligen Arbeitgebers. Die Frau habe im Januar 2017 bei dem Personaldienstleister Arbeit in Nachtschicht gesucht, um tagsüber für ihren Sohn da sein zu können. Sie sei auch erfolgreich vermittelt worden. Immer wieder habe sie Vorschuss geholt, dabei viel von ihrer unglücklichen Beziehung erzählt. Eines Morgens sei sie mit blauen Flecken im Gesicht und am Hals im Büro aufgetaucht, berichtet der für sie zuständige Mitarbeiter. Sie hätte Angst vor ihrem Partner, wolle ihr Kind nicht mehr mit ihm allein lassen. Und sie habe bei der Arbeit einen neuen Mann kennengelernt. Nach der Trennung von Drazen D. bat sie den Arbeitgeber, ihre neue Adresse nicht zu verraten.

Zu dem Zeitpunkt hat der Angeklagte bereits zahlreiche Erkundungsfahrten in Villingendorf unternommen, wie die Daten seines Navis zeigen. Ab März wurden zwölfmal Daten in Villingendorf aufgezeichnet. "Am 14. August gibt es erstmals direkt Daten aus der Klippeneckstraße", so ein Kripobeamter.

Von 7. bis 10. August speichert das Navi dann Daten in Kroatien. Das deckt sich mit Daten aus dem Handy von Drazen D.s Cousine, die ihm geholfen haben soll, die Waffe zu beschaffen. Whatsapp-Auswertungen belegen diese Vermutung. Recht dilettantisch umschreibt sie ihrem Lebensgefährten zu Hause, dass man "Peng peng" nach vergeblichen Versuchen in Serbien dann in Kroatien "bei einer Tante" gefunden habe.

Im Handyverlauf: "Menschen töten live"

Mehrere andere Personen haben von der Waffenbeschaffung gewusst. Am 14. September googelt die Cousine Stunden vor der Tat "Schüsse Rottweil Villingendorf Kroate". Sie ist selbst Mutter eines kleinen Sohnes.

Drazen D.s Navi hat zuvor am 23. August nochmal Daten aus der Klippeneckstraße gespeichert. Vom gleichen Tag wird auf seinem Handy ein Video gefunden, das zeigt, wie er am späteren Tatort vorbeifährt und eins seiner Opfer aus dem Auto heraus bedroht. Das verwackelte Video wird im Gerichtssaal gezeigt.

Wie sehr seine Rachegelüste die Gedanken des 41-Jährigen bestimmt haben, belegen der Suchverlauf seines Handys sowie Bilder und Videodaten, die die Zuhörer im Gerichtssaal erschaudern lassen: "Vater erschießt sich und Kind", "Menschen töten live", "Klappbares Gewehr M 48", ein Video, das eine entstellte Frau nach einem Säureanschlag zeigt, "Rache eines Vaters" und "Telefonbuch Villingendorf". Drazen D. ist ein Angeklagter, der viele Beweise gleich selbst liefert.

Die Nachricht seiner Verhaftung am 19. September hat seine Ex-Partnerin nicht so sehr berührt. "Sie hat gesagt, das bringe ihr ihren Sohn auch nicht zurück", so die Kripobeamtin. Die 31-Jährige habe ihren Sohn nach der Tat unbedingt noch einmal sehen wollen und habe am 18. September von ihrem toten Kind Abschied genommen, es noch einmal im Arm gehalten.  Der Prozess wird am Donnerstag, 26. April, fortgesetzt.

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