Angeklagter Drazen. D. vor Gericht. Foto: dpa

Angeklagter Drazen D. bricht sein Schweigen. Spricht über seine planlose Flucht.

Rottweil/Villingendorf - Ich konnte nicht mehr denken" – Drazen D. bricht erstmals sein Schweigen. Der Angeklagte berichtete am 14. Verhandlungstag nicht nur über seine Vergangenheit und die Beziehung zur Ex-Freundin, sondern auch über die Tat, deren Vorbereitung und die Flucht.

"Ich bestimme, wann du deinen Sohn siehst", hörte Drazen D. die Stimme des neuen Partners seiner Ex-Freundin im Kopf, bevor er den Mann erschoss. Von da an habe er wie ein Roboter gehandelt, wie in Trance, schildert der 41-Jährige vor Gericht.

"Mit dem ersten Schuss wurde ich ein anderer."

Die Situation, in der er dreimal auf den kleinen Sohn schießt, ist ihm nur noch bruchstückhaft in Erinnerung. Wenn die Sprache auf ihn kommt, kämpft der Angeklagte mit den Tränen. "Ich war nicht ich", sagt er mit gepresster Stimme.. "Ich glaube, ich befinde mich immer noch in dem Zustand, in dem ich nicht begreifen kann, wie so eine Katastrophe passiert ist", erklärt er.

Bevor er zur Schilderung des Tatabends kommt, berichtet Drazen D. von seiner Kindheit und Jugend im Jugoslawienkrieg in den 90er-Jahren. Der damals Minderjährige habe Freunde sterben sehen und Bilder im Kopf, von denen er heute noch träume. Dort sowie in seiner späteren Zeit bei der kroatischen Armee habe er den Umgang mit Waffen sowie Überlebenstaktiken gelernt.

Nach seiner Flucht nach Deutschland konsumierte Drazen D. laut eigener Aussage regelmäßig Alkohol und Drogen wie Kokain. In der Folge sei er auch gewalttätig gegenüber seiner Partnerinnen geworden, gibt er zu. Streit habe es mit der Ex-Freundin vor allem aufgrund des gemeinsamen Sohns gegeben, den sie regelmäßig zu ihrer Familie nach Lettland gebracht habe.

Nach der Trennung und dem Umzug seiner Ex-Freundin sei ihm immer wieder von deren neuem Partner gedroht worden, sobald er seinen Sohn sehen wollte, sagt der 41-Jährige. Er habe sich daraufhin auf die Suche nach dem neuen Wohnort begeben. Erfolg hatte er im März vergangenen Jahres, als er beim Jugendamt einen Blick auf den Computer-Bildschirm erhaschen konnte.

"Auf der Suche nach ihr bin ich fast in jeder Straße gewesen. Ich kenne Villingendorf sehr gut", erzählt Drazen D. Er habe die Nähe seines Sohns gesucht. "Er hat mir gefehlt", sagt der 41-Jährige. Währenddessen habe er immer mit seinen Gefühlen gekämpft, Kokain genommen, Halluzinationen bekommen.

Unter Ästen versteckt

Am Tag der Tat habe er sich den Wagen einer Verwandten genommen und sei mit der Tatwaffe, einem Gewehr des Typs M48, das er laut eigener Aussage seit einigen Jahren besitze, nach Villingendorf gefahren. Die Waffe habe er bei seinen Erkundungsfahrten stets dabei gehabt, sagt er. Mit Stromkabeln hatte er sie unter das Auto gebunden. Die Munition hatte Drazen D. von einer Reise nach Kroatien mitgebracht. In einer Nebenstraße habe er den Wagen abgestellt und das Gewehr hervorgeholt. Weder von der Einschulungsfeier des Sohns noch von der Anwesenheit des neuen Partners habe er gewusst, beteuert der Angeklagte. "Sonst wäre ich zurückgefahren", sagt er.

Das geladene Gewehr im Anschlag und mit den Worten "Schönen Abend. Jetzt können wir über die Wahrheit reden" habe er sich gezeigt. Eigentlich habe er seine Ex-Freundin nur dazu drängen wollen, die Anzeige gegen ihn fallen zu lassen.

Was dann geschah, sei wie automatisch passiert. "Ich konnte mich nicht mehr steuern", sagt Drazen D., der in jener Nacht sieben Schüsse abgegeben hat. Die Cousine habe ihn noch angefleht, sie und ihre Tochter nicht zu erschießen. "Ich war nicht mehr derselbe, in einer anderen Welt. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt etwas gedacht habe", sagt Drazen D.

Nach der Tat habe er sich eine Zigarette angezündet und die Flucht angetreten. Sie sei planlos gewesen. "Ich habe mich im Wald versteckt, wollte in die Schweiz." Mehrere Male sei der Polizeihubschauber direkt über ihn geflogen, habe ihn mit dem Scheinwerfer angestrahlt. Er selbst hatte sich unter Ästen und Laub versteckt.

Nach einigen Tagen habe er die Schnauze voll gehabt von der Flucht. "Eine Patrone im Gewehr war für mich", gibt Drazen D. zu. Jeden Abend habe er die Waffe geladen und auf sich gerichtet, es aber nicht fertiggebracht, sich das Leben zu nehmen. Das und die nächtliche Kälte hätten ihn dazu veranlasst, auf die Straße zu gehen. "Mir war egal, ob ich entdeckt werde", sagt der Angeklagte.

Er stehe noch unter Schock und wünsche sich, die Tat wäre nie geschehen. "Mein Sohn war alles für mich", sagt er und vergräbt den Kopf in den Händen.

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