Die Spurensicherung am Tatort in Villingendorf nimmt mehrere Tage in Anspruch. Foto: Friebe

Kriminaltechniker erläutern Spuren am Tatort des Dreifachmordes. Rekonstruktion des Fluchtweges.

Rottweil/Villingendorf - Kriminaltechniker haben tagelang Spuren am Tatort des Villingendorfer Dreifachmords gesichert. Die Ergebnisse passen zu den Angaben der einzigen Augenzeugin. Der Angeklagte Drazen D. hat andere Sorgen: Er will mit der Polizei seinen Fluchtweg rekonstruieren und Angaben zu seiner Kindheit machen.

Zunächst geht es im Prozess vor dem Landgericht Rottweil am Mittwoch jedoch um die Auswertung der gesicherten Spuren am Tatort: Schussverläufe, Fundorte der Patronenhülsen, die Verletzungen der Opfer. Die Aussagen der Kriminaltechniker machen deutlich, mit welcher Wucht die Geschosse vom Kaliber 8 x 57 IS getroffen haben.

Szenen des Grauens

Der sechsjährige Junge wird im Wohnzimmer liegend direkt an der Tür gefunden. Die Schüsse aus der Kriegswaffe wurden laut Kriminaltechnik aus einer Entfernung von nur 50 Zentimetern auf das Kind abgefeuert – zwei in die Brust, ein weiterer Schuss, als das Kind am Boden liegt, in den Bauch. Das Projektil steckt unter dem Jungen im Laminatboden. Wie ein Kriminaltechniker anhand von Bildmaterial ausführt, ist das Kind von Pulverspuren übersät, durch die Hitze entstehen Verbrennungen am Arm. Er trägt die Kleidung seiner Einschulung.

Der 34-jährige neue Freund der Frau liegt tot auf der Terrasse. Passend zu ihrer Schilderung, dass er beim Auftauchen von Drazen D. aus dem Dunkeln nur noch den Kopf nach rechts drehen konnte, dringt das erste Geschoss seitlich durch den rechten Oberarm in den Oberkörper ein. Den zweiten Schuss hat der Täter später auf den am Boden Liegenden in die Brust gefeuert. Die 29-Jährige Cousine des Mannes, die erst wenige Minuten vor den Schüssen am Tatort eintrifft und später im Krankenhaus verstirbt, wird ebenfalls seitlich getroffen – das Projektil tritt auf der anderen Körperseite aus. Sechs Patronen passen in das Gewehr M 48. Sechs tödliche Schüsse hat Drazen D. abgegeben.

Konstruktion des Tathergangs

Das Video der Tatrekonstruktion zeigt deutlich, wie nah der 41-Jährige seinen ahnungslosen Opfern war. Ein Schritt aus der dunklen Ecke auf die Terrasse – und Drazen D. steht geschätzt gerade mal zwei Meter neben dem Mann, dem sein erster Schuss gilt. Die Gartenstühle mit den beiden Frauen und die Eingangstür zur Wohnung sind nur wenige Schritte entfernt. Auf der Innenseite des Terrassenfensters werden Kinder-Handabdrücke sichergestellt.

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Die Polizei stellt außerdem die Lichtverhältnisse am Abend nach und stellt fest: Die Terrasse an sich ist gutausgeleuchtet, die Ecke, um die Drazen D. kam, jedoch ein "dunkles Loch". Die 31-jährige Mutter des Jungen hatte erklärt, dass der Bewegungsmelder nicht auslöste, wenn man an der Hauswand entlang ging. Die Verteidiger von Drazen D. monieren, dass das nicht von der Polizei getestet wurde. Außerdem, so Rechtsanwalt Fritz Döringer, seien Fahrräder im Weg gestanden, also hätte das Licht angehen müssen.

Die Kriminalbeamten haben nicht nur am Tatort, sondern auch bei Drazen D. selbst nach dessen Festnahme Spuren gesichert. "Er saß entspannt da und hat gewartet, was als nächstes kommt", berichtet ein Kripobeamter von seinem ersten Eindruck des Festgenommenen im Revier. Ein Kollege sagt: "Er machte einen klaren Eindruck, hat nach Essen und Getränken verlangt, auch Fragen gestellt." Drazen D. habe gesagt, wenn die Poliszisten sich den SMS-Wechsel mit seiner Ex-Partnerin ansehen, würden sie "verstehen, was da abgegangen ist". Die Frau und ihr neuer Freund hätten ihn "provoziert."

Bei dem 41-Jährigen werden kleinere Kratzer festgestellt. In seinen Tüten befindet sich neben der Tatwaffe, Kabelbindern, einer Landkarte vom Raum Rottweil und weiteren Gegenständen auch ein Stechwerkzeug. Das will er auf der Flucht in einer Gartenhütte bei Neufra mitgenommen haben, hatte er der Polizei beim Transport erzählt. Die Besitzer der Hütten gaben auf Nachfrage an, dass nichts abhanden gekommen sei. Mit dieser Aussage ist Drazen D. wohl nicht einverstanden, bespricht sich mit seinen Anwälten.

Diese regen beim Vorsitzenden Richter Karlheinz Münzer an, den Fluchtweg nach der Tat zu rekonstruieren, um zu beweisen, das Drazen D. mit einem Schlüssel in eine Hütte gelangt sei. Der Angeklagte sei bereit, "mitzuwirken" und der Polizei das Ganze zu demonstrieren. Unter anderem ist für Verteidiger Fritz Döringer eine Coop-Plastiktüte wichtig, die der Angeklagte dort mitgenommen habe – und in der sich bei seiner Festnahme die Tatwaffe befand.

Fragen zur Kindheit

Laut Verteidiger Bernhard Mussgnung wolle Drazen D. zudem jetzt doch Fragen des psychologischen Sachverständigen zu seiner Kindheit und Jugend beantworten – und möglicherweise auch darüber hinaus Angaben machen.

Die Anwälte halten es außerdem für notwendig, dass Ärzte einer psychiatrischen Klinik auf der Reichenau geladen werden, die Drazen D. vor acht Jahren behandelt haben. Richter Münzer stellt allerdings in Frage, ob diese Aussagen gewinnbringend sind, schließlich sei es damals vor allem um die Alkoholsucht des Angeklagten gegangen. Die Arztbriefe liegen vor. "Sollen die Erkenntnisse von damals besser sein als die aktuellen von mir?", so der Psychologische Gutachter Charalabos Salabasidis. Die Ladung der Ärzte sowie eines weiteren Zeugen der Verteidigung wird noch geprüft. Noch, so Richter Münzer, könne man den Zeitplan halten. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Dann wird unter anderem eine Sachverständige des Landeskriminalamts für ihre Erläuterungen die Tatwaffe mitbringen. Auch andere beim Täter gefundenen Gegenstände werden begutachtet.

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