Alfons Bürk (links) und Hardy Stimmer brennen seit Jahren für das Projekt Test-Turm. Foto: Otto

Bei Hardy Stimmer und Alfons Bürk dreht sich seit Jahren alles um den Turm.

Rottweil - Wenn sie vom Testturm sprechen, sprudeln die Anekdoten nur so aus ihnen heraus. Projektleiter Hardy Stimmer von Thyssen-Krupp und Alfons Bürk aus Rottweil kann man als "Väter" des Turms bezeichnen. Im Gespräch mit uns blicken sie zurück auf die aufregende Bauzeit – und auf das, was kommt.

Ein Interview mit den beiden zum Thema Testturm, das ist ein bisschen, wie wenn man mit jungen Eltern redet: Jede Menge Stolz schwingt mit, es geht aber auch um Sorgen und durchwachte Nächte. Kein Wunder, schließlich ist das "Baby" der beiden ein besonderes Exemplar: 246 Meter hoch, 25 Meter Durchmesser, vollgestopft mit hochmoderner Aufzugstechnik – ein Gebäude, das so noch nirgendwo gebaut wurde. Jetzt steht es in Rottweil und wird am 7. und 8. Oktober mit einem rauschenden Fest eingeweiht.

Die Geburt war keine einfache, aber letztlich eine erfolgreiche. Das ist vielen Beteiligten zu verdanken, zwei Männer ragen aber besonders heraus: Alfons Bürk, Architekt aus Rottweil, der das Projekt durch seine Kontakte zu Thyssen-Krupp Elevator in Neuhausen quasi "an Land gezogen" und dann nicht mehr aus den Augen gelassen hat, und Hardy Stimmer, Ingenieur bei Thyssen-Krupp Real Estate und verantwortlicher Projektleiter für den Turm.

Beim Rückblick ist die Stimmung bestens – auch wenn Hardy Stimmer an diesem Tag immer mal wieder einen besorgten Blick aus dem Fenster des Bürocontainers auf sein "Baby" wirft. Die Membran kostet den Projektleiter noch mal Nerven. Das Material ist da, zusätzliche Kräfte sind vor Ort – und jetzt das: seit Tagen starker Wind. Es kann nicht gearbeitet werden. "Das ist frustrierend", sagt Stimmer. Er hofft, dass die Membran bis zur Eröffnung möglichst weit unten ist. Ein paar Meter werden schon noch fehlen – die Feierlaune wird das aber kaum trüben.

Die Anfänge

Stimmer erinnert sich noch genau, wie sein Chef im Oktober 2012 mit einer Tasse Kaffee in seinem Büro in der Essener Zentrale stand. "Hätten Sie nicht Lust, ’nen Turm zu machen?", fragte er. "Ich habe gleich Ja gesagt – ich dachte sowieso, das wir das nie genehmigt bekommen", lacht Stimmer. Nach den ersten Kontakten nach Rottweil habe ihm dann gedämmert: Das könnte doch was werden. Er sei überrascht gewesen, dass das Projekt in Rottweil so offen diskutiert wird.

Bei Alfons Bürk schwirrt der Turm sogar schon seit 2011 im Kopf herum. Damals habe es – durch die beruflichen Kontakte des Architekten zu Thyssen-Krupp Elevator in Neuhausen – eine Anfrage gegeben: Man solle prüfen, ob die Schornsteine im Neckartal für das Aufzugstestgeschäft geeignet wären. Das waren sie nicht – aber der Standort blieb im Gespräch.

Die Rückschläge

Den Tag, an dem sich der Standort Neckartal in Luft aufgelöst hat, haben beide in schmerzlicher Erinnerung. Stimmer und sein Team hatten den Bieterwettbewerb vorbereitet, ein zweitägiges Treffen in Essen stand bevor. "Und dann erfuhren wir 24 Stunden vorher aus dem Schwarzwälder Boten: Das Grundstück ist nicht geeignet. Das war schon ein Schock", erzählt er. Bohrungen hatten ergeben, dass der Untergrund nicht hält, was er verspricht. Man habe überlegt, den Bieterwettbewerb abzublasen. Letztendlich habe man es durchgezogen und mit offenen Karten gespielt: "Wir wollen einen Turm bauen – aber wir haben kein Grundstück."

"Der Turm war da schon halb weg aus Rottweil", erinnert sich Alfons Bürk, und der Gedanke daran treibt dem 59-Jährigen heute noch die Sorgenfalten auf die Stirn. Städte im Umland hätten sich bereits die Finger geleckt und das 40-Millionen-Euro-Projekt gern zu sich geholt. In Rottweil hat man schnell reagiert und den Standort Berner Feld aus dem Hut gezaubert.

Das Verfahren

Das lange Verfahren der Behörden- und vor allem der Bürgerbeteiligung, das sich dann in Gang setzte, hat letztlich auch den Machern des Turms viel gebracht, sagen sie. Stimmer erinnert sich an die 84 Fragen der Bürger: "Die gingen in die richtige Richtung, auch wir haben daraufhin vieles nochmals vertieft betrachtet", meint er.

Und die Frage der Bürger "Was haben eigentlich wir davon?", hat letztlich dazu geführt, dass eine Besucherplattform ins Gespräch kam. "Da war am Anfang ja nicht die Rede davon", sagt Bürk. Insgesamt habe sich während des ganzen Prozesses "Ehrlichkeit und Transparenz" bewährt. Alle Schritte hätten ineinandergepasst. Bieterwettbewerb, Genehmigungsverfahren, Planung – "und dann noch diese Architektur on top", schwärmt Bürk. "Wir haben das Bestmögliche für das Projekt rausgeholt", so Stimmer.

Zugfahrten und Ballone

Der Ingenieur pendelt nun seit Jahren zwischen Essen und "seiner" Baustelle in Rottweil. "Es war klar, dass wir so ein Projekt nicht aus 500 Kilometer Entfernung stemmen können." Der 47-Jährige ist in dieser Zeit zum begeisterten ICE-Fahrer geworden. "Da lässt es sich in Ruhe arbeiten." Und wenn ihn "der Alfons" dann ab und an vom Stuttgarter Bahnhof abholt (wenn’s mit der Gäubahn nicht so klappt), werde manches Problem gleich auf der A 81 besprochen. Mittlerweile sind die Probleme weniger geworden – doch Erinnerungen an nervenaufreibende Momente gibt es genug.

So wie die Sache mit dem orangenen Ballon: Mit ihm sollte vor ziemlich genau vier Jahren die Höhe des Turms simuliert werden. Kurz davor stellte sich heraus, dass der Ballon die Flugschneisen von Krankenhaus- und Polizeihubschrauber tangiert. Für die Bundeswehr musste ein Tiefflugverbot verhängt werden. Hektik pur. Aber: "Es war Gold wert, dass wir die Aktion gemacht haben", sagt Stimmer heute. Die Problematik der Flugschneisen konnte gleich ins Bebauungsplanverfahren aufgenommen und gelöst werden.

Knifflige Situationen wie diese gab es einige, sagt Stimmer. "Aber wir haben nie den Glauben an das Projekt verloren." Regelrecht wütend sei er im Oktober 2015 gewesen, als jugendliche Kletterer oben auf dem Baukran herumspaziert sind und sich dabei gefilmt haben. "Das war im höchsten Maße egoistisch", ärgert er sich mit Blick auf die Folgen, wenn etwas passiert wäre. Fast harmlos sind dagegen die Drohnen, die oft nahe um die Baustelle kreisten. "Der Polier hat mal eine eingefangen", schmunzelt Stimmer.

Die Zukunft

Für einen Ingenieur wie ihn ist der Testturm "wie ein Sechser im Lotto", sagt er. Wo er geht und steht, muss er vom Rottweiler Projekt erzählen. Eine berufliche Herausforderung, die sich kaum toppen lässt. Was danach kommt? Er weiß es noch nicht. "Es ist ein bisschen beängstigend, man ist ja mit dem Turm fast verheiratet", scherzt er. Wobei sich seine Familie durchaus freuen werde, wenn der Bau abgeschlossen ist.

Das dauert allerdings noch. Derzeit wird am Beleuchtungskonzept getüftelt. "Realisierungsbeginn ist nicht vor 2018", sagt Stimmer. Es soll perfekt werden, wie alles bisher. "Der Turm war bislang nur positiv in den Schlagzeilen in aller Welt", betont er. Und man sieht ihm an, wie sehr ihn das freut.

Für Alfons Bürk, den Mann vor Ort, hört die Geschichte noch lange nicht auf. Noch fehle "die Brücke in die Stadt", sowohl baulich, als auch emotional, wie er findet. "Der Zündfunke ist noch nicht übergesprungen. Das wundert mich schon", sagt Bürk. Der "Drive" sei noch nicht da, meint er, und spielt damit auch auf die bislang fehlende städtische Infrastruktur rund um den Turm an. "Nach diesem Signal für Fortschritt dachte ich eigentlich, dass vieles leichter wird in Rottweil." So ist es noch nicht. Aber Bürk beruhigt sich mit dem Gedanken, dass man in Rottweil wohl erst den Beweis brauche und der Funke erst zündet, wenn die Membran den Boden berührt.