Reinhold Ulmschneider, hier bei einer Ausstellung seiner Werke im Kelnhof-Museum. Foto: Kelnhof-Museum

Werkschau von Reinhold Ulmschneider noch bis 6. Januar in Bernau zu sehen. Pappe ist das bestimmende Material.

Rottweil/Bernau - Einen Computer besitzt Reinhold Ulmschneider nicht. Für was auch? Zwar hat der Rottweiler Künstler vor Jahren einen Computer geschenkt bekommen. Dieser allerdings steht bei ihm im Keller. Noch immer in einem Karton verpackt. Damit ist schon ein bedeutender Wesenszug des 1948 geborenen Ulmschneider skizziert: Ständig den neuesten Trends hinterherzuhecheln ist ihm fremd. Stattdessen ist gar so etwas wie Bodenhaftung und Erdverbundenheit bei ihm auszumachen. Und zwar im besten Sinne.

Das macht es mit ihm nicht unbedingt einfacher. Davon weiß auch die Leiterin des Bernauer Hans-Thoma-Museums (Kreis Waldshut), Margret Köpfer, zu berichten, welche die Ausstellung mit Werken von Reinhold Ulmschneider in Bernau konzipiert hat. Für die Kommunikation zwischen Künstler in Rottweil und Museumsleitung in Bernau muss auf die gute alte Post zurückgegriffen werden. E-Mails sind schwierig, denn der Computer steht ja im Keller.

Und trotzdem hat es geklappt. Und wie. Nicht immer herrscht im Bernauer Thoma-Museum bei einer Vernissage ein derartiges Gedränge, wie dies bei Reinhold Ulmschneider der Fall war.

"Kleine Festung Europa" ist die Ausstellung (bis 6. Januar 2019) überschrieben. Pappe ist das bestimmende Material seiner Werke. Die Architektur bildet oftmals den Hintergrund. Und alles wirkt filigran, geradezu zerbrechlich.

Es ist die "kleine Festung Europa", wobei die Beschreibung "klein" eine durchaus nötige Distanz für den Betrachter zu schaffen vermag. Es sind Häuser, Burgen, Kirchen, manchmal gar regelrechte Stadtlandschaften, angestrandete Schiffe und gegen den Himmel strebende schlanke, rund und rechteckig fundamentierte Türme, die Ulmschneider in Bernau zeigt.

Festungen? Gewiss. Manches wirkt beim ersten Hinsehen miniaturisiert martial. Ein Eindruck, der sich aber bei einer längeren Betrachtung verflüchtigt. Vieles scheint dann geradezu zerbrechlich, muss gestützt werden, um vor dem baldigen Verfall bewahrt zu werden.

Es ist eben die kleine Festung Europa, die hier dargestellt ist. "Seit Jahrtausenden als Festung ungeeignet", schreibt Ulmschneider im Begleitbuch zur Ausstellung. "Offen, einladend für neugierige Völker, bietet sich geradezu dazu an: Landschaften aller Arten, mit allen denkbaren Gesichtern, mild weich und streng, fruchtbar und verlässlich." Und vor dieser Festung Europa – militärisch, robust – stehen neue Völker, begehren Einlass.

Europa als Festung impliziert aber auch die Sorge, dass Europa seinen Charakter als Festung verlieren könnte, und zwar als eine Festung der Freiheit.

Ulmschneider – anerkannter, aber nicht immer erfolgreicher Naturschützer – ist viel mit dem Fahrrad unterwegs. Ein Auge dabei nach unten gerichtet, um zufällige Funde, die sich in seine Werke einarbeiten lassen, zu entdecken. Holz, Rinde Wurzelteile. Und immer wieder Industriekarton. Manchmal auch Schrauben. Alles nur deshalb, um der Lust am Bauen und der Lust am folgenden Verfall zu frönen. Es entstehen Inseln, die seine Sicht auf die Welt zeigen. Diese sind aber keine verkleinerten Kopien oder Abbildungen der Wirklichkeit. Es sind vielmehr architektonische Inseln als Ergebnis von Ruhe, Geduld und kreativem Umtriebigsein. Ulmschneider ist originell, authentisch, ein Stück weit surreal – alles auf einem hohen handwerklichen Niveau. Die Fallstricke seiner Kunst liegen unter der scheinbar romantischen Oberfläche. Diese gilt es zu entdecken.

Welche Ströme an Blut sind durch die Gier der Ausbeutung in diese Bauten geflossen?

Beispielsweise durch die richtigen Fragestellungen, auch im eingeschmuggelten Politischen seiner Kunst. Wer hatte die Macht, solche Bauten zu errichten? Wer hatte die Macht über diese Bauten selbst? Wer leistete die Arbeit beim Errichten dieser Gebäude? Welche Ströme an Blut sind durch die Gier der Ausbeutung in diese Bauten geflossen?

Es sind dies durchaus die unangenehmen Brechtschen Fragen, die sich aufdrängen bei dieser überraschenden und originellen Reise durch die Epochen der Menschheitsgeschichte, zu der Ulmschneider in Bernau einlädt. Warum seine Kunst bislang in seiner Heimatstadt Rottweil nicht präsentiert wurde, ist nicht nachzuvollziehen. Wie bei der Eröffnung der Ausstellung in Bernau aber am Rande zu hören war, soll dieser Misstand in Kürze behoben werden.

Dann darf man sich auch in Rottweil auf die surrealistischen Werke Ulmschneiders, die traumartig und ungewöhnlich zusammengefügt wurden, freuen. Bis es so weit ist, lohnt alternativ der Besuch im Hans-Thoma-Museum.

Weitere Informationen: www.hans-thoma- museum.de