Rottweils Werke sind von Rang und besonderer Originalität / Zahlreiche Darstellungen im Heilig-Kreuz-Münster

Von Egon Rieble

Rottweil. Die Engel sind eines der Grundthemen der Kunst. Die Boten Gottes, Vermittler zwischen Himmel und Erde, haben Anteil am göttlichen Heilsgeschehen wie am menschlichen Leben. Dem Thema der Engel rangen die Künstler der Jahrhunderte Gipfelleistungen ihres Schaffens ab. Sei es Leonardos "Verkündigung" in den Uffizien in Florenz, der "Englische Gruß" von Veit Stoß in St. Lorenz in Nürnberg oder der "Honigschlecker" in Birnau. Auch in der Kunst Rottweils haben die Engel einen hohen Stellenwert, Engel von Vielfalt und Originalität. Das gilt für die Sakralwerke in den Kirchen wie für die Bildwerke im Dominikanermuseum.

Im heutigen ersten Teil geht es um die Engel im Heilig-Kreuz-Münster: Zwei hoch bedeutende Engelbilder finden sich im Nordflügel des Münsters. Die Altarflügel des Ulrichsaltars zeigen Verkündigung an Maria und der Geburt Christi, es sind Werke des Dürer-Schülers Hans Schäuffelin (1480-1539). Der Engel der Verkündigung, der Maria in einem hohen Gemach begegnet, ist in ein strahlendes Gewand gehüllt. Die sich in diagonaler Weise vollziehende Botschaftsbegegnung mit Maria ereignet sich im Schutz der Engelsflügel. Flügel, die auf ihrer Außenseite das Gold des Himmels spiegeln und die auf ihrer Innenseite das Blau des Mariengewandes aufnehmen. In knisternder Lebendigkeit windet sich die Engelsbotschaft um das Heroldszepter: "Te Ave Gracia Plena Dominum Tecum".

Im Altarflügel der "Geburt Christi" ist zugleich die Verkündigung an die Hirten dargestellt. Die mit einem Buch auf Goldgrund schwebenden Engel lösen nicht die biblische Furcht aus. Voll Freude winken ihnen die Hirten zu. Das Engelbild mit "Monstranz" eines Rottweiler Meisters um 1440 ist das einzige Bild das von dem einstigen Hochaltar im Münster geblieben ist. Es ist eines der schönsten Engelbilder der Gotik. Die Anbetung der Engel wird zum Reigen, zum lebendigen Kreis um das Allerheiligste. Einzigartig das dynamische Spiel der Hände. Die Gestik des Gebets wird von Engel zu Engel weitergegeben.

Das Westportal wird flankiert von den Erzengeln Gabriel und Michael eines unbekannten Meisters um 1700. In der hintersten Ecke der Nepomuk-Kapelle befindet sich eine Konsolenfigur aus dem Jahr 1495, die Rätsel aufgibt. Ist es ein Engel mit Schwanzflosse? Ist es ein Nixle? Die Frage ist nicht zu beantworten. Das mindert nicht den Liebreiz und die Schönheit der Mädchengestalt mit Flügeln. Im Gewölbe des rechten Seitenschiffes befindet sich auf einem Nebenschluss-Stein der Verkündigungsengel Gabriel, er hält ein Buch in den Händen. Der auffallend junge Engel mit wehendem langem Jahr trägt ein Steinmetzzeichen, das deutlich macht, dass der Hauptmeister am Werk war.

Auf dem Dreifaltigkeitsaltar, dem einzigen Renaissance-Altar des Münsters, begegnen uns Cheruben, Engelköpfe mit Flügeln. Die leiblosen Engel sollen die verborgene Gegenwart Gottes zeigen. Auf der Kreuzigungsgruppe über dem Südportal aus dem Jahr 1441 sammeln Engel das Blut der Wundmale Christi in Kelche. u Im nächsten Teil werden die Engel in der Kapellenkirche beschrieben.