Maximal 7000 Liter pro Sekunde können zur Leerung des Staubeckens regulär über das Schalthaus abgelassen worden. Foto: Scheidel

Schwere Steine werden zum Spielball: Starzelflut entwickelt beim Notüberlauf des Staudamms ungeheure Kräfte.

Rottweil-Neufra - Schlimmer als 1987, sagte gestern eine Hochwasser-geplagte Bewohnerin des Rottweiler Teilorts Neufra. Damals hatte ein Gewitter aus heiterem Himmel über dem Lemberg die Starzel zu einem reißenden Fluss und Neufra zu einem Überschwemmungsgebiet gemacht. Damals gab es noch keinen Hochwasserschutz. Gestern stand der Ort trotz des – noch weit größere Überschwemmungen verhindernden Rückhaltebeckens – noch stärker als damals unter Wasser, erinnert sich Roswitha Butz, die mit Helfern ihr Haus an der Wellendinger Straße wieder einigermaßen trocken zu bekommen versucht.

Wie ihr geht es eigentlich allen Anliegern entlang der Starzel, weiß Hermann Winzenried, der – wenn das Gewässer idyllisch dahinfließt – sich im Auftrag der Stadt darum kümmert, dass die Uferbegrünung nicht zu üppig wird.

Doch am Montagabend war an der Starzel kein Uferrand mehr auszumachen. Über den Notüberlauf am Staudamm war das Wasser mit Urgewalt zu Tal gestürzt. Dort oben hatten brachiale Kräfte den mit massiven, teilweise tonnenschweren Steinen ausgebauten und mehrere Meter breiten Notablauf-Korridor streckenweise richtiggehend zerrupft. Die unaufhaltsame Flut stürzte, sich meterhoch auftürmend, zu Tal in Richtung Neufra.

Als es aus Wilflingen und Wellendingen um 18.30 Uhr Hochwasser-Alarm gegeben hatte und es klar war, dass sich ein Starkregen vor allem wieder über dem Heuberg ablud, ahnte nicht nur der Rottweiler Stadtbrandmeister Rainer Müller, dass dies für Neufra wieder einmal zu einem besonderen Problem werden könnte. Allerdings zeigte sich im Starzel-Staubecken noch bei einem Ortstermin um 19.15 Uhr das gewöhnliche, kaum wahrnehmbare Rinnsal. Innerhalb weniger Stunden wurde aus diesem aber die tosende, nicht mehr aufzuhaltende Flut.

Wie bereits am 1. Juni 2013, als enormer Wasserzulauf – erstmals seit Inbetriebnahme des Hochwasserdamms im Jahr 1998 – über den Notüberlauf den Weg ins Tal gefunden hatte, brach sich das Wasser über diese Ausweichschiene wieder gewaltig seine Bahn. Und dies mit noch deutlich größerer Wucht als vor 14 Monaten.

Etwa 7000 Liter pro Sekunde – der Maximalwert – waren zur Leerung des Staubeckens längst schon über das Schalthaus abgelassen worden. Mehr geht nicht.

Aus einer am Heuberg hängenden Gewitterfront – eine Wettersituation, die immer wieder zu beobachten ist – entwickelte sich ein Starkregen über dem etwa 24 Quadratkilometer großen Einzugsgebiets des Heubergs für den Staudamm.

Auf etwa 50 Liter pro Quadratmeter schätzten Experten den Niederschlag am 1. Juni 2013. Am Montagabend müsse er noch erheblich größer gewesen sein, sagen übereinstimmend Beobachter. Die Wasserwirtschaftler im Rottweiler Landratsamt haben zwar keine exakten Messstellen verfügbar. 80 Liter pro Quadratmeter könnten es aber zeitweise durchaus gewesen sein, wird angesichts der ins Tal gestürzten Mengen vermutet, die wohl teilweise bei 9000 bis 10 000 Litern pro Sekunde gelegen haben.

Der Neufraer Ortsvorsteher Willy Schaumann atmete gestern, nachdem der Regen etwas nachgelassen hatte, erst einmal auf. Bis 3 Uhr nachts habe man die Lage sondiert, dankte er den Einsatzkräften, insbesondere den Feuerwehren, aber natürlich auch denen, die sich intensiv um das Schalthaus am Hochwasserdamm und die Abläufe dort kümmerten. Ohne Hochwasserdamm wäre in Neufra absolut Land unter gewesen, stellt er fest. Dass der Hochwasserschutz den Ort aber offensichtlich doch nicht vor Schaden bewahren könne, gebe zu der Überlegung Anlass, oberhalb des Beckens zusätzliche Zonen zu schaffen, in denen sich größere Wassermassen relativ unschädlich ausbreiten könnten.

"Haarscharf" blieb indes der aus Richtung Feckenhausen durch Göllsdorf fließende Knollenbach in seinem Bett. Auch die Prim bekam die Kurve um Göllsdorf herum. Wie bereits im Juni 2013 war auch am Montagabend am Neckar von Hochwassergefahren kaum etwas zu spüren.