Kochschinken war ein Produkt, bei dessen Herstellung die in die Insolvenz gegangene alte BFW laut dem angeklagten Ex-Chef immer wieder größere Probleme hatte Fotos: Schutt Foto: Schwarzwälder-Bote

Beim Strafprozess gegen den früheren BFW-Geschäftsführer und seine ehemalige Frau weist Hauptangeklagter auf "viele Mitschuldige"

Von Winfried Scheidel

Kreis Rottweil. Einen Komplott einstmals "bester Freunde", die ihm, als es eng wurde, in den Rücken fielen und ihn mit in den wirtschaftlichen Ruin trieben, malte der Hauptangeklagte im BFW-Strafprozess am Donnerstag an die Wand. Gestern sah sich der 61-Jährige ehemalige Geschäftsführer der Bösinger Fleischwaren GmbH, der sich vor der Großen Strafkammer des Landgerichts zusammen mit seiner früheren Frau wegen Betrugs und Untreue mit dem Vorwurf von Millionenschäden verantworten muss, wegen seiner fast dreistündigen Einlassung vom Vortag einer intensiven Befragung der Kammer und der Staatsanwaltschaft ausgesetzt. Fast wie in einem Kreuzverhör versuchten Gericht und Anklage die vom Chef der alten BFW dargelegten Standpunkte zu hinterfragen. Diese sind größtenteils weit weg vom Gefüge, das zahlreiche Zeugen an den mittlerweile 16 Prozesstagen zu den kriminellen Machenschaften im Betriebsgeschehen bis Mai 2011 entwickelt haben.

Der Hauptangeklagte, der nach der Involvenzanmeldung im Juni 2011 vom Insolvenzverwalter kurzerhand vor die Tür gesetzt worden war, lässt in seinem über 30-seitigen Rechtfertigungpapier kein gutes Haar an dem Treiben seiner früheren leitenden Mitarbeiter, die sich am Ende mit Unterstützung des Insolvenzverwalters und auch der widerspenstigen Haltung von Hausbanken hinterrücks die Firma zum Schnäppchenpreis geangelt hätten und heute – teilweise als Mitgesellschafter der neuen BFW – wieder eine große Lippe riskierten.

Starker Tobak ist es, was der frühere Kopf des Unternehmens in seinem Rundumschlag zur Geltung zu bringen versucht. Dass er damit eine Schlammschlacht mit früheren Mitarbeitern eröffnet hat, passt vielleicht ins Kalkül eines Mannes, der glaubt, bei der strafrechtlichen Aufarbeitung der Aktivitäten der alten BFW nichts mehr zu verlieren zu haben. Dabei stellt der verbitterte Mann frühere Mitarbeiter in einer Weise mit an den Pranger, die für diese möglicherweise ebenfalls noch erhebliche strafrechtliche Konsequenzen haben könnten.

Pikant zeigte sich am Donnerstag und gestern auch die Tatsache, dass der frühere Firmenchef und einstige Hauptgesellschafter in seinem Erklärungseifer sich nicht scheute, seine mitangeklagte frühere Frau als Drehscheibe bei der Verwendung von Einnahmen aus Schwarzverkäufen darzustellen, was dieser bei der Urteilsfindung keineswegs zum Vorteil gereichen dürfte.

Überhaupt Thema Schwarzverkauf: Zeugen hatten in den vergangenen Monaten die Vorstellung entwickelt, das Geld eines "Schwarzkunden" sei in mehr oder weniger dicken Kuverts den beiden früheren Ehepartnern zur persönlichen Bereicherung zugegangen. Jetzt ließ der frühere Firmenchef wissen, dass mit diesen Erlösen zusätzliche Schwarzlöhne an führende Mitarbeiter bezahlt worden seien, "die sonst davongelaufen wären". So soll zum Beispiel die Vertriebschefin über die Geldverteilerin – die mitangeklagte frühere Frau des Ex-Chefs – auf diese Weise sage und schreibe 3000 Euro monatlich zusätzlich bekommen haben. Es handelt sich dabei um jene Zeugin, die bei einer Vertriebstagung an der Ostsee laut der Anwältin der Angeklagten zum Pensionswirt gesagt haben soll, ohne schwarze Kassen wäre es ihr nie möglich gewesen, mit ihrem Mann ein Haus zu bauen. Auf die Frage des Gerichts, wieso eine Buchhalterin zum offiziellen Lohn 1500 Euro schwarz hinzubekommen habe, lautete die lapidare Antwort: Es war die beste Freundin meiner früheren Frau.

Dem Wort "war" kommt aus Sicht des Hauptangeklagten bei der Aufarbeitung des turbulenten Firmengeschehens eine besondere Bedeutung zu. Mit "besten Freunden" hatte sich offenbar – auch vorbei an gesetzlichen Regeln – eine Amigo-Mentaliät entwickelt: Man arbeitete zusammen, man feierte zusammen. Der Chef und Hauptgesellschafter wollte dabei als Patriarch fungieren, der die Laune nicht trüben wollte.

Statt als Chef beckmesserisch voranzugehen, habe er gerne delegiert "im Vertrauen auf loyale und fähige Mitarbeiter", die auch gute Freunde gewesen seien. Diesen Umstand führt der 61-Jährige auch ins Feld, wenn er treuherzig zu beteuern vesucht, vom Factoring-Betrug mittels Falsch- und Luftbuchungen gegenüber einem Finanzdienstleister (Südfactoring) bis November 2010 nichts gewusst zu haben. Initiatoren seien sein Finanzberater – ein Ex-Banker – und die mit zusätzlichem Schwarzlohn bedachte Buchhalterin gewesen, was beide bei ihren Zeugenvernehmungen vor einigen Monaten vehement bestritten hatten.

Als Gericht und Staatsanwaltschaft nachhaken und wissen wollen, wieso die betrügerischen Buchungen auch noch, nachdem er, der Chef, endlich davon Kenntnis erlangt habe, noch weit bis ins Jahr 2011 weitergeführt wurden, gibt es von diesem ein bedauerndes Kopfschütteln: Er habe in der Hoffnung, die 2010 durch immense Umsatzeinbrüche plötzlich entstandene schwierige Situation ("Liquiditätsproblem, aber keine Überschuldung") betriebswirtschaftlich wieder beherrschbar zu machen, schwere Fehler gemacht, gesteht der Mann ein.

Ex-Chef und frühere Mitarbeiter drohen sich auch mit Strafanzeigen

Im Vorfeld der nach 17-tägiger Unterbrechung vorgestern fortgesetzten Verhandlung hatten leitende Mitarbeiter der alten BFW, die heute in der neuen BFW teilweise auch als Gesellschafter fungieren, über eine Anwaltskanzlei in Lahr dem Hauptangeklagten bedeutet, er solle sich mit ehrabschneidenden Äußerungen und übler Nachrede, kurzum: falschen Behauptungen, künftig zurückhalten, da sonst ein zusätzliches Strafverfahren in Gang gesetzt werden könne. Der Hauptangeklagte wertet das Schreiben, mit dem ihm auch eine Aufwandsentschädigug der Kanzlei in Höhe von 1044,40 Euro ins Haus schneite, als "persönliche Bedrohung und Einschüchterungsversuch". Dieser Attacke werde er aber mit offenem Visier entgegentreten, betonte der 61-Jährige in einer persönlichen Einlassung. Sein Anwalt erklärte, jetzt im Gegenzug prüfen zu wollen, ob das von den früheren betrieblichen Mitstreitern seines Mandanten veranlasste Schreiben strafrechtliche Relevanz, etwa wegen des Versuchs der Nötigung, hat.

Vor diesem Paukenschlag hatte der Kammervorsitzende Karl-Heinz Münzer erklärt, angesichts des Scheiterns der Verständigung müsse die Kammer ab dem 1. April nochmals umfangreich in die Beweisaufnahme starten.

Die wegen Beihilfe mitangeklagte ehemalige Frau des Hauptangeklagten Ex-Chefs hat bisher kaum das Wort ergriffen. Deren Anwältin nahm gestern von einer zunächst beabsichtigten Einlassung Abstand. Mit der alten BFW stand die Frau offiziell hauptsächlich über ihre eigene Marketingfirma in Verbindung. Viele Zeugen orden sie mit ihrem damaligen Auftreten und der ihr vom früheren Chef (ihrem ehemaligen Mann) zugestandenen Weisungsbefugnis aber als zweite Chefin ein, die im damaligen Betriebsgeschehen vieles entscheidend mitbestimmt habe. Der Prozess wird am 1. April fortgesetzt.

Von Winfried Scheidel

"Beste Freunde" sorgten bei der einstigen BFW für eine Amigo-Mentalität. Als das Geschäft mit Fleisch- und Wurstwaren noch florierte, scheint in führenden Etagen der Bösinger Fleischwaren GmbH immer auch eine gewisse Feierlaune spürbar gewesen zu sein. Die beiden Chefs – damals noch ein Ehepaar – hatten leitende Mitarbeiter um sich geschart, die auch mal unterm Jahr Sekt statt Selters trinken sollten. Da das offizielle Geldportfolio des Betriebs die Ansprüche nicht befriedigen konnte, wurden auch schwarze Kassen eröffnet. Die andere Seite beim BFW-Desaster weist kriminelle Energie in der Buchhaltung aus, die zur Rettung des auch wegen des harten Wettbewerbs ins Schlingern geratenen Firma entwickelt wurde. Weil es jetzt vor Gericht zur Klärung der Schuldfrage hart zur Sache geht, stehen sich einst "Beste Freunde" heute unversöhnlich gegenüber.

(wis). Im Strafprozess gegen den langjährigen Geschäftsführer der alten Bösinger Fleischwaren GmbH (BFW) und seine frühere Frau geht es um verschiedene kriminelle Aktivitäten, die zur Anklage wegen Betrugs und Untreue führten.

Persönliche Bereicherung: Darunter fallen Bargeld-Aktivitäten aus Schwarzverkäufen und dem Fabrikverkauf. Ebenso die Anstellung einer Haushaltshilfe, bezahlt als Verpackungskraft von der BFW. Salopp erklärte der Hauptangeklagte jetzt vor Gericht, dem Betrieb sei durch die anstellung kein Schaden entstanden, da er sein Monatsgehalt dafür von 20 000 auf 17 500 Euro reduziert habe. Der versicherungstechnische Aspekt stehe auf einem anderen Blatt.

Bei den Schwarzverkäufen verweist der Hauptangeklagte darauf, dass mit diesem Geld Lohnzuschüsse in bar für besonders verdiente Mitarbeiter getätigt worden seien, und er und seine Frau davon nicht persönlich profitiert hätten. Schwarzgeld wurde laut dem Ex-Chef auch für zwielichte Marketing-Maßnahmen (Barzuwendungen an Einkäufer von Großkunden) verwendet. Nachdem ein Betriebsprüfer den in der Bilanz verklausuliert dargelegten Posten mit Bestechungsgeld in Verbindung gebracht hatte, seien die Gelder danach aus Schwarzverkäufen gekommen.

Betrug zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit: Durch Falsch- und Luftbuchungen wurde insbesondere ab 2010 der Finanzdienstleister Südfactoring (SF) durch die BFW übervorteilt. Auch weil es bei der SF kein effektives Controlling gab, hatte die BFW leichtes Spiel mit der offenbar durch Zufall (den Fehler einer Auszubildenden?) entdeckten Masche, sich über Gebühr Geld zu beschaffen. Grundsätzlich streckte die SF gegen eine Vergütung Geld sofort vor, wenn die BFW Rechnungsstellungen an Kunden bei der SF bekanntgab. 900 000 Euro sollen so zu unrecht aufs BFW-Konto geflossen sein.

Auch Hausbanken am Pranger: Für den gescheiterten ehemaligen Chef sind bei seiner persönlichen Abrechnung mit dem Insolvenz-Desaster auch renommierte regionale Banken ein rotes Tuch. In diesen Häusern müssen 2010/2011 die Fetzen geflogen sein, auch mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen für dort die BFW-Geschäfte führenden Mitarbeitern.

Schillernde Beleuchtung erfährt im Prozess immer wieder die Person eines Ex-Bankers, der bei der BFW ab 2009 als Finanzberater tätig war. Während dieser sich selbst als seriöser Geschäftsmann darstellt, dem jegliches illegales Tun fremd ist, nennt der Hauptangeklagte den einst guten Freund und alten Fußballkameraden zusammen mit einer Buchhalterin als entscheidende Strippenzieher, was den Factoring-Betrug betrifft. Der 58-Jährige fungiert in der neuen BFW auch als Hauptgesellschafter. Zumindest formal. Die Verteidigung hegt die Vermutung, dass hinter dem Kapital ein Mitbewerber steckt, der vor der Insolvenz Interesse am Erwerb der BFW bekundet hatte.

Der ehemalige BFW-Geschäftsführer nennt vier bis fünf Millionen Euro, die er bei einem Verkauf im Zeitraum 2010/2011 hätten erlösen können. Das habe der Unternehmenswert auf jeden Fall hergegeben. Das Verschachern für 500 000 Euro habe der neuen BFW-Geschäftsführung mit dem früheren BFW-Produktionsleiter an der Spitze optimal in die Hände gespielt.

Wenn der frühere Geschäftsführer von der Kammer und der Staatsanwaltschaft gefragt wird, wieso er als erster und oberster Verantwortlicher nicht entschieden Einhalt geboten habe zu den kriminellen Machenschaften, dann konstatiert der auch wegen großer menschlicher Enttäuschungen ("Vor allem meine Frau hat hier unglaubliches mitgemacht") sich schwer getroffen fühlende, dass "ich einfach falsch, dumm und unrecht" gehandelt habe.