Symbolbild. Foto: dpa

Renitenz des 37-Jährigen hält Kammer in Atem. Junger Mann verliert in Tuttlingen fast sein Leben.

Kreis Rottweil/Tuttlingen - Der Prozess zur Prügelattacke am Tuttlinger Busbahnhof, bei der ein junger Mann fast sein Leben verlor, ist komplizierter geworden: Während sich einer der beiden Angeklagten in gewohnt ruhiger Weise im Gerichtssaal einfindet, reitet der ältere 37-Jährige bei dem Verfahren wegen versuchten Mordes seit zwei Verhandlungstagen eine Masche des brachialen Widerstands.

Nachdem am 14. Verhandlungstag dessen in Rumänien angesammelter Vorstrafenkatalog ins Verfahren eingeführt werden sollte, flippte der Mann völlig aus, so dass Vorsitzender Richter Karlheinz Münzer sich veranlasst sah, den Sitzungstag zu beenden.

Gestern nun, bei der Fortsetzung, ein ähnliches Bild: Dieser Angeklagte wehrte sich mit Händen und Füßen gegen einen Eintritt in den Gerichtssaal. Selbst mit vier zur Unterstützung der Vollzugsbeamten herbeibeorderten Polizisten gelang es nicht, den Mann aus der Zelle im Gerichtsgebäude in den Saal 201 zu komplimentieren. So wurde das Verfahren in Abwesenheit fortgesetzt. Auch wenn eine zwangsweise Vorführung doch noch gelingen sollte, würde sein Mandant nur die Verhandlung stören, ließ Verteidiger Bernhard Mussgnug wissen. Er halte eine solche Vorführung auch nicht für unerlässlich, gab der Anwalt dem Gericht Unterstützung dafür, das Nichterscheinen des renitenten Mannes zu akzeptieren, dem der psychiatrische Gutachter im Übrigen volle Verhandlungsfähigkeit bescheinigte. Dessen aggressiver Zustand müsse als trotzig inszeniertes Rückzugsverhalten interpretiert werden. Ein psychischer Ausnahmezustand sei nicht feststellbar.

Unwohl fühlt sich dieser Angeklagte offenbar vor allem in Nähe der Gerichtsbarkeit. Sein Verhalten gestern, vor Verhandlungsbeginn in der Vollzugsanstalt und auch bei der Fahrt zum Verhandlungsort, wurde laut Münzer von Vollzugsbeamten als tadellos beschrieben. Erst im Gerichtsgebäude sei er ausgerastet.

Am vorausgegangenen Verhandlungstag hatte der Mann bei seiner emotionalen Explosion insbesondere mit Stichworten wie Waisenkind, Straßenjunge und Zigeuner auf seine schwierige soziale Situation in Rumänien von Kindheit an verwiesen. Gestern, während der Mittagspause, ließ dieser Angeklagte den Vorsitzenden aus der Zelle heraus wissen, "nur wenn angeordnet werde, dass er erschossen werde", nehme er wieder am Verfahren teil. Die abstruse Feststellung gab Münzer später im Sitzungssaal unkommentiert zur Kenntnis.

Im Rahmen der weiteren Beweisaufnahme war gestern insbesondere ein Hochschullehrer mit dem Spezialgebiet Messtechnik gefragt. Er unterstützte Expertisen des Landeskriminalamtes zu Größenbestimmungen zweier auf einem Video in Nähe des Tatorts zu sehender Personen, die die mutmaßlichen Täter sein könnten. Nächster Verhandlungstag ist der 6. Februar.