Ralf Broß. Foto: Graner

Oberbürgermeisterwahl am Sonntag. Wahlbeteiligung ist nun Gradmesser. Acht Jahre im Amt.

Rottweil - Der OB im Wahlkampfmodus? Mitnichten – trotz Terminen in den Ortsteilen, Vorstellungsabend in der Stadthalle und Gesprächen auf dem Wochenmarkt. Ohne Gegenkandidat ist manches einfacher. Aber eben nicht alles.

Acht Jahre im Amt als Oberbürgermeister in Rottweil liegen demnächst hinter Ralf Broß. Acht Jahre, nach denen er auf vieles verweisen kann, das sich bewegt hat, das sich entwickelt hat, das er erreicht hat. Broß tut das: in der Vorstellungsrunde in der Stadthalle, in den Ortsteilen oder auch im direkten Gespräch – etwa auf dem Wochenmarkt mit Unterstützung der CDU- und der SPD-Fraktion aus dem Gemeinderat.

Es geht am Sonntag um mehr als den Sieg

"Das Ziel ist, die Wahl zu gewinnen", sagt Ralf Broß. Das ist nach dem Rückzug des Mitbewerbers im Vorfeld keine Frage mehr. So geht es am Sonntag für den Amtsinhaber um mehr als den Sieg. Es geht um die Höhe der Wahlbeteiligung. "Die liegt sonst bei Kommunalwahlen um die 50 Prozent", weiß Broß. In vergleichbaren Situationen, mit dem amtierenden Rathauschef als einzigem Kanidaten, sind es aber auch gerne mal nur zwischen 30 und 40 Prozent. Doch der 50-Jährige gibt sich kämpferisch. "Mein Wunsch ist, am Sonntag möglichst nahe an die 50 Prozent Wahlbeteiligung heranzukommen."

Die Resonanz auf die bisherigen Wahlkampftermine war ganz unterschiedlich. In der Stadthalle hat sich das Interesse in Grenzen gehalten (wir berichteten). In den Ortsteilen waren es zwischen zehn und 50 Teilnehmer. Groß ist indes der Zuspruch für die bisherige Arbeit. Nicht nur aus dem Rund des Gemeinderats hört Ralf Broß, dass man mit ihm als Oberbürgermeister zufrieden sei.

Ohne Gegenkandiat, an dem man sich im Wahlkampf reiben kann, sucht man sich andere Herausforderungen – zu denen, die die tägliche Arbeit sowieso mit sich bringt. Für seine zweite Amtsperiode in Rottweil hat sich Ralf Broß deshalb mehr vorgenommen, als das Ernten der Früchte der bisherigen Arbeit. "Mein Wahlprogramm ist eine Weiterentwicklung der vergangenen acht Jahre", überschreibt er es mit dem Slogan "Gemeinsam Zukunft gestalten".

Einweihungen etwa des Feuerwehr-Neubaus, der Mehrzweckhalle Göllsdorf oder auch des Thyssenkrupp-Turms stehen in diesem Jahr an. Das sind solche Früchte, die in greifbare Nähe rücken. Viele weitere Themen, die bereits auf dem Tisch liegen oder absehbar sind, hat Broß bereits in seiner Vorstellung als Bewerber angesprochen. Die Weiterentwicklung des Bildungsstandorts Rottweil etwa mit einer Anpassung der Betreuungsangebote. Das Schaffen von Wohnraum und der Ausbau des Handels in der Stadt sind auch solche Punkte. Da verweist Broß auf das Projekt Neckar-Center am Nägelesgraben mit dem Drogeriemarkt Müller – auch auf die "Chance, in der Innenstadt einen Magneten zu schaffen" mit den Plänen für ein Textil-Kaufhaus in der oberen Hauptstraße. Gleichwohl weiß er um die Streitpunkte, vor allem was die Dachlandschaft betrifft. Noch liege keine aktualisierte Planung vor, um zu bewerten, ob sie zur Gestaltungssatzung passen würde. Doch für ein mögliches Projekt in Sachen neues Bauen in alter Stadt sieht er gegebenenfalls auch Anlass, dem Gemeinderat eine Ausnahmeregelung vorzuschlagen. Broß sieht in dem Vorhaben eine große Chance.

Zwei Magnete, von denen wir profitieren

Dass erfolgreiche Projekte neue Möglichkeiten eröffnen, zeigt der Bau des Testturms. Mit der Aussichtsplattform und dann mit der Hängebrücke wird die touristische Entwicklung angestoßen, die "lange Zeit", so Broß, "von der Kommunalpolitik gefordert worden" sei. "Das sind zwei Magnete, von denen wir alle profitieren", ist er sich sicher. So werden mit den Überlegungen für ein Hotel im alten Spital Pläne konkreter, auf die sonst nicht hätte gehofft werden können. Die Neugestaltung von Rottweils Mitte und das Parkierungskonzept mit der Diskussion um zusätzliche Stellplätze in einem Parkhaus an der Villa Duttenhofer sind Rahmenbedingungen, die jetzt sinnvoll fortgesetzt werden.

Als Ralf Broß vor acht Jahren in Rottweil angetreten ist, um Oberbürgermeister zu werden, war er Geschäftsführer der Regionalen Wirtschaftsförderung in Bruchsal. Vor allem in diesem Bereich waren deshalb die Erwartungen in Rottweil groß – und wurden zunächst enttäuscht. Er weiß, dass er so in der Kritik stand. Die Wirtschaftsförderung, die Kommunalpolitik überhaupt, sei kein Feld für schnelle Fortschritte, räumt Broß ein, doch Vertrauen müsse zunächst wachsen – etwa mit der Einrichtung des Beirats. "Ich hätte mir auch gewünscht, dass es mit den Erfolgsmeldungen schneller geht", sagt er im Rückblick. Allerdings sei in den ersten Jahren mit der JVA-Diskussion auch viel Energie gebündelt gewesen.

Überhaupt ist dieses Thema eines, das Broß in seinen ersten acht Jahren als Oberbürgermeister stark geprägt zu haben scheint. Seine Erfahrungen aus den Debatten ums Bitzwäldle, dann in der Folge mit den gelungeneren Arten der Bürgerbeteiligung sind in viele Bereiche seiner Arbeit eingeflossen. Das Motto für die zweite Amtsperiode "Gemeinsam Zukunft gestalten" ist deshalb auch ein klares Statement: "So eine Erfahrung möchte ich nicht noch einmal machen."

Losgelöst von den großen Projekten pflegt Ralf Broß etwas, das er "Zupfärmeldemokratie" nennt. Das heißt: Im direkten Gespräch, vielleicht bei einem zufälligen Treffen, will er ein offenes Ohr für die Anliegen der Bürger haben. Eine Reaktion auf die Kritik, er sei zu wenig leutselig? Gewiss nicht, denn nachvollziehen kann der 50-Jährige diesen Vorwurf nicht. Und auch aus Gesprächen – nicht nur zur Wahlkampfzeit – gewinne er einen Eindruck, der sich mit seinem eigenen decke: ein OB zu sein, der auf Menschen zugehen könne.