Räumt beim Thema "Eckhof" Fehler ein, verteidigt ansonsten die städtische Vorgehensweise. Foto: Stadt

Ralf Broß seit vier Jahren Chef der Stadtverwaltung und blickt in bunte Zukunft. "Müssen die Stadt verwändern."

Rottweil - Seit vier Jahren ist Ralf Broß der Chef der Rottweiler Stadtverwaltung. Ob es auch schöne Jahre waren? Zumindest waren es abwechslungsreiche, aufregende und ja, auch schöne Jahre.

Was ist gelungen?

Die Erneuerung unserer Stadt schreitet voran. Gemeinsam mit dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung wurden wichtige Weichen gestellt: Wir bekommen ein Handelszentrum am Nägelesgraben, das die Innenstadt stärkt, Rottweil hat wieder eine Jugendherberge und für die Villa Duttenhofer haben wir einen Investor gefunden, der die Gastronomie wieder aufleben lassen wird. Die DAV-Kletterhalle wertet das Sportzentrum zusätzlich auf. Mit dem Neubau des LG-Fachklassentrakts und des Feuerwehrhauses in Feckenhausen nach den beiden Brandkatastrophen haben wir darüber hinaus auch Unvorhergesehenes geschultert. Aktuell wurde Rottweils größtes Hochbauprojekt der Zukunft ins Rollen gebracht: der Neubau des zentralen Feuerwehrhauses. Dabei vergessen wir aber auch nicht die gesellschaftliche Verantwortung für unsere Stadt: Gemeinsam mit dem Vinzenz-von-Paul-Hospital haben wir eine Lösung gefunden, um den Pflegebetrieb des Spitals in moderner Form weiterzuführen. Und beim Projekt "Soziale Stadt" am Omsdorfer Hang fördern wir bezahlbaren Wohnraum für sozial benachteiligte Familien.

Und was ist weniger gelungen?

Das Land davon zu überzeugen, in Rottweil die neue Justizvollzugsanstalt zu bauen. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Rottweil als traditioneller Justizstandort mit dem Landgericht und der künftigen Kriminalpolizeidirektion in unmittelbarer Nachbarschaft die bessere Wahl wäre und werde mich bis zuletzt dafür einsetzen, dass wir vielleicht doch noch den Zuschlag bekommen. Und ganz aktuell: Das gescheiterte Bildungskonzept für den Eckhof. Dass so viele Bürger an der Gaststätte in ihrer bisherigen Form hängen, habe ich leider unterschätzt. Es ging nicht darum, den Bürgern eine lieb gewonnen Tradition zu nehmen. Es ging darum, eine Antwort auf die Frage zu geben: Wie erhalten wird den Eckhof mittel- und langfristig? Das Busch-Konzept hätte ja zumindest eine Vesperwirtschaft gesichert. Die Stadtpolitik sollte über die Zukunft des Eckhofs nachdenken dürfen, muss aber künftig den Freizeitwert des Eschachtals stärker im Blick haben. Dass die Bürger dabei ein gewichtiges Wort mitreden wollen, ist angekommen!

Die Stadt Rottweil galt früher, gilt heute als Schul- und Beamtenstadt. Hat Sie in dieser Form Zukunft?

Ja, aber nicht ausschließlich. Bildung ist und bleibt ein wichtiger Standortfaktor, die Verwaltungseinrichtungen sind wichtige Arbeitsgeber in Rottweil. Die Abwanderung von Behörden wie die Agentur für Arbeit oder das Schulamt schmerzen. Die Öffnung Rottweils für neue Arbeitgeber ist vor dem Hintergrund des Wettbewerbs der Städte und Regionen wichtiger denn je. Die Stärkung des Justizstandortes durch den Neubau einer JVA ist für uns genauso wichtig, wie gewerbliche Ansiedlungen – bestes Beispiel ist der geplante Testturm von ThyssenKrupp. Es geht nicht um ein "entweder oder", sondern um ein "sowohl als auch".

Trotzdem steht der Vorwurf im Raum, die Stadt sei alt, sei unbeweglich. Hat sie in den vergangenen Jahrzehnten wichtige Entwicklungen verschlafen?

Es bringt uns nicht weiter, darüber zu sinnieren, ob Rottweil in der Vergangenheit eine Entwicklung verschlafen hat. Viel wichtiger ist es, nach vorne zu blicken und die Chancen zu nutzen, die sich uns heute ergeben. Nehmen Sie den Testturm von ThyssenKrupp, denken Sie an die Stärkung des Einzelhandels durch das geplante Einkaufszentrum im Nägelesgraben oder die anstehende Beseitigung der Baulücke in der Höllgasse. Eine aktive Wirtschaftsförderung schafft die Grundlagen dafür, dass eine Stadt finanziell handlungsfähig bleibt. Und genau das ist die Voraussetzung dafür, dass die hohe Lebensqualität in Rottweil in der Zukunft erhalten werden kann. Das bedeutet aber auch, dass wir uns neuen Ideen öffnen müssen und diese auch umsetzen. Um es auf den Punkt zu bringen: Gerade um Rottweil zu bewahren, müssen wir uns und unsere Stadt verändern. Aber ich bin mir sicher: Rottweil kann das schaffen, ohne seine unverwechselbare Identität zu verlieren.

Ihr Bemühen die Wirtschaft anzukurbeln, ist offensichtlich. Sie kämpfen um die Justizvollzugsanstalt, Sie kämpfen um den Testturm und Sie kämpfen um Veränderungen am Eckhof. Doch Sie kämpfen hinter verschlossenen Türen, warum?

Vertrauliche Gespräche mit Investoren in einem frühen Projektstadium sind notwendig. Kein Investor hängt seine Idee an die große Glocke, bevor er nicht einmal weiß, ob er damit überhaupt willkommen ist. Eine Verwaltung hat die Aufgabe, die Machbarkeit zu prüfen und eine Entscheidungsgrundlage für den Gemeinderat vorzubereiten. Gerade die von Ihnen genannten Beispiele zeigen aber auch: Die Entscheidung selbst ist Sache des Gemeinderats. Und zwar nach öffentlicher Debatte. Ob ein Thema im Gemeinderat gleich öffentlich oder zuvor nichtöffentlich behandelt wird, legt übrigens auch nicht die Verwaltung allein fest, sondern gemeinsam mit den Sprechern aller Ratsfraktionen.

Zwei Jahre verhandelte die Stadt mit ThyssenKrupp, über ein Jahr mit Martin Busch, bis Gemeinderat und Öffentlichkeit davon erfahren. Es fällt schwer zu glauben, dass dies in ihrem Interesse liegt.

Stadtverwaltung und Gemeinderat sind nach der Kommunalverfassung an die Pflicht zur Verschwiegenheit gebunden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Das ist insbesondere der Fall, wenn es um den Datenschutz geht. Investoren müssen mit uns über geschäftliche Zahlen reden können, ohne dass diese am nächsten Tag in der Zeitung stehen. Das gehört zu einem investitionsfreundlichen Klima in einer Stadt dazu. Vertrauliche Gespräche und dann zunächst nichtöffentliche Behandlung im Gemeinderat ersetzen aber nicht die öffentliche Debatte mit den gewählten Vertretern der Bürgerschaft im Gemeinderat, die in beiden Fällen stattgefunden hat. Darüber hinaus bieten wir ja aber auch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung an: Beispielsweise die Bürgerversammlung beim ThyssenKrupp-Turm oder Workshops zur Neugestaltung der Innenstadt und zur Nachnutzung des Spitals.

Ist das als Zeichen der Zeit zu verstehen oder ist diese Vorgehensweise der spezifischen Entwicklung Rottweils geschuldet?

Der Trend geht ganz klar hin zu mehr Bürgerbeteiligung. Diese macht aber erst Sinn, wenn ein Projekt über das Stadium einer bloßen Idee hinaus soweit gereift ist, dass man Entscheidungen fällen kann und seitens des Investors alle Fakten auf dem Tisch liegen. Die Verfahren sind allgemein üblich, andere Kommunen arbeiten doch genauso. Im Übrigen setzt auch die Gemeindeordnung den Rahmen, der für alle verbindlich ist.

Bis zur nächsten Oberbürgermeisterwahl stehen Sie noch vier Jahre an der Spitze. Sehen Sie in eine rosige Zukunft?

Viele kommunale Projekte brauchen einen langen Atem. Ich möchte Rottweil im Wettbewerb der Regionen voranbringen und gleichzeitig das historische Erbe bewahren, denn unsere Innenstadt ist eine Stärke und ein Alleinstellungsmerkmal von Rottweil. Viele Projekte stehen noch an: der Bau des Feuerwehrhauses, die städtebauliche Neuordnung der Schlachthausstraße, die Modernisierung des Stadtmuseums, die Nachnutzung des Spitals, um nur einige zu nennen. Veränderungen haben immer auch mit Unsicherheiten und der Aufgabe von Vertrautem zu tun. Aber wir sollten den Mut dazu haben, um unsere Stadt voranzubringen! Insofern blicke ich nicht zwangsläufig in eine rosige, aber in eine bunte Zukunft.