Nach dem Anschlag in Halle: Die Polizei sichert die Rottweiler Synagoge. Foto: Fuchs

Beamte sind Interventionsbereit. Polizeisprecher: "Keine konkrete Gefährdungslage".

Rottweil - Die tödlichen Schüsse vor der Synagoge in Halle am Mittwoch sorgen auch in Rottweil dafür, dass die Schutzmaßnahmen verstärkt wurden. Vor der Synagoge in der Nägelesgrabenstraße steht – für jeden sichtbar – ein Einsatzfahrzeug der Polizei.

"Wir haben die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen und Persönlichkeiten im ganzen Land, aber auch im Präsidium verstärkt", betont Michael Aschenbrenner, Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit beim Polizeipräsidium Tuttlingen, auf Nachfrage. Die Sicherheitsvorkehrungen seien zum Teil bewusst für jeden sichtbar – wie vor der Synagoge in Rottweil – hinter den Kulissen liefen jedoch weitere Maßnahmen. Bei der Polizei gebe es spezielle Ansprechpartner für die jüdischen Gemeinden. "Wir sind hier im Austausch. Natürlich gibt es Ängste", sagt Aschenbrenner. Eine konkrete Gefährdungslage für die Synagoge und/oder deren Gemeindemitglieder bestehe allerdings nicht, wenngleich man diese grundsätzlich nie ganz ausschließen könne. Allerdings, betont Aschenbrenner, seien die Beamten durch regelmäßige Fortbildungen bereit zur Intervention. "Das ist keine normale Streife, die da steht."

Derzeit haben die Sicherungsmaßnahmen, die bereits seit Mittwochnachmittag laufen, laut Polizei oberste Priorität. Wie lange diese bestehen bleiben, hänge von der Bewertungslage ab. Also davon, wie die Ermittler – unter anderem jene des Staatsschutzes – das Gefährdungspotenzial einschätzen.

Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß reagiert auf das Attentat von Halle mit Entsetzen und einem Zeichen der Solidarität. "Der Anschlag auf die Synagoge in Halle ist ein schreckliches Verbrechen, das uns in Rottweil mit großem Entsetzen erfüllt. Wir trauern um die Menschen, die Opfer eines mutmaßlich rechtsextremen Täters geworden sind und fühlen mit ihren Angehörigen."

Oberbürgermeister bekundet Solidarität

Die Stadt stehe im engen Kontakt mit der jüdischen Gemeinde. "Die Vorsitzende und ich sind uns einig, dass dem Rechtsextremismus entschieden entgegengetreten werden muss", betont Broß.

Als Zeichen der Solidarität hat der Oberbürgermeister Trauerbeflaggung am Alten Rathaus angeordnet. Gemeinsam mit Mitgliedern des Gemeinderats wird die Verwaltungsspitze am morgigen Freitag, 12 Uhr, vor der Synagoge ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringen. Die Stadtverwaltung stehe außerdem im engen Austausch mit der Polizei, was die Sicherheitslage betreffe.

Tatjana Malafy, die Geschäftsführerin der Israelitischen Kultusgemeinde Rottweil/Schwenningen, zeigte sich gestern tief betroffen und entsetzt von den Vorfällen in Halle. Malafy, die auch Sicherheitsbeauftragte der Gemeinde ist, macht sich große Sorgen, wie es nun weitergeht. Denn die Jüdische Gemeinde in Rottweil habe stets Gäste zu Schabbat, oder auch zu den anderen jüdischen Feiertagen. "Es ist schrecklich. Wir haben keinerlei Sicherheitsgefühl mehr. Und ich hätte nie gedacht, dass so etwas in Deutschland passiert", sagt Malafy, die vor 20 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland kam.

Aber auch bei anderen Gemeindemitgliedern gehe die Angst um, berichtet sie. Immer weniger Kinder würden den jüdischen Religionsunterricht besuchen, "da die Leute Angst haben". Dabei hätten sie als kleinste Gemeinde mit 22 Kindern die größte Religionsklasse gehabt.

Wie die bislang so gastfreundliche Gemeinde künftig mit Besucheranfragen umgehen wird, weiß Malafy heute noch nicht. "Wir stehen alle noch unter Schock. Wir haben nur geweint gestern. Das war kein Anschlag auf uns Juden, sondern auf alle Menschen", betont sie. Mehrfach habe sie auch schon polizeiliche Überwachung erbeten, doch bis gestern sei diese nie erfolgt.

Jüdische Gemeinde steht unter Schock

Auch die evangelische Pfarrerin Esther Kuhn-Luz, Frido Ruf von der katholischen Erwachsenenbildung und Mustafa Keskinsoy von der Türkisch Islamischen Gemeinde, die sich gestern anlässlich eines Pressegesprächs in der Synagoge getroffen hatten, waren sichtlich schockiert.

"Der Hass gegenüber Fremden ist in Deutschland sehr groß", betonte Keskinsoy. Er berichtete, dass nach diversen Bombendrohungen mehrere deutsche Moscheen geräumt werden mussten. Er sprach der jüdischen Gemeinde sein Mitgefühl aus. Esther Kuhn-Luz und Frido Ruf schlossen sich an. "Ich sehe es als wichtiges Zeichen des Friedens, dass wir hier so interreligiös miteinander arbeiten", betonte die Pfarrerin mit Hinweis auf die neunte Auflage der "Rottweiler Reihe Religionen", die am 23. Oktober beginnt. "Das Treffen hier in der Synagoge unterstreicht unser Anliegen, friedlich miteinander umzugehen", so Ruf.

Tatjana Malafy zeigt sich gestern Nachmittag aber auch hoffnungsvoll. "Ich hoffe es werden wieder bessere Zeiten kommen", sagt sie. Ab Sonntag steht mit Sukkot bereits das nächste jüdische Fest ins Haus. Und auch, wenn es die Stimmung etwas trübt: Malafy hofft, dass der Polizeischutz vorerst bestehen bleibt.