Hier im Rottweiler Gewann Esch will das Land das Gefängnis bauen. Foto: Nädele

Landschaftsarchitekt Senner hält Gefängnisneubau für möglich, stellt aber hohe Anforderungen an die Planung. Mit Interview.

Rottweil - Johann Senner ist selbszständiger Landschaftsarchitekt (Planstatt Senner) mit mehreren Büros und in mehrere Planungen in und um Rottweil einbezogen. Wir sprachen mit ihm darüber, ob und wie ein Gefängnis am umstrittenen Standort Esch umgesetzt werden könnte.

Was macht überhaupt ein Landschaftsplaner?
Landschaftsarchitekten planen Freiräume im privaten Bereich (Hausgarten), im öffentlichen Raum (Straßen, Plätze, Parks, Schulen, Außenanlagen von Verwaltungsgebäuden) und in der Landschaft (Flussrenaturierungen, Landschaftsparks). Die Besonderheit der Planstatt Senner ist das transdisziplinäre Planerteam aus Landschaftsarchitekten, Stadtplanern, Ingenieuren, Biologen und Tourismusfachleuten.

Sie haben Büros in China, Indien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten – was planen Sie dort?
In China sind es eher größere Stadtplätze und Parks sowie Stadtentwicklungsprojekte, zum Beispiel Beiträge zur Olympiade in Peking oder zur Expo in Schanghai. In Indien versuchen wir den Spagat zwischen sozialem Grün (öffentliche Grünflächen und Fußwegeverbindungen in der Gigametropole Mumbai) und Regenwasserkonzepten, die die gigantischen Monsunwassermengen für die trockenere Jahreszeiten zurückhalten, zu gestalten. In Dubai gibt es nun doch schon konkrete Ansätze, wie mit nachhaltigen Energie- und Wasserkonzepten neue Akzente für die Zukunft gesetzt werden können.

Wie gehen die Menschen dort mit dem Thema Landschaft und Natur um?
Beispielsweise in China und Mumbai ist die Landschaft ein wichtiger Bestandteil auch der Naturreligion. Im Alltag wird sie jedoch oftmals von den finanziellen Aspekten überlagert. Wir versuchen daher, mit konkreten Beispielen aus Europa den Leuten vor Ort mehr Mut zu machen, sich für Natur und Landschaft einzusetzen beziehungsweise sie als Grundlage für ihre Entwurfsarbeiten stärker als bisher heranzuziehen.

Wie wichtig ist Ihnen persönlich die Natur?
Ein kleines Beispiel: Unsere Vegetation braucht die Menschen nicht, wir Menschen könnten jedoch nur wenige Minuten ohne Bäume auf der Erde leben. Unsere Philosophie lautet daher: Zusammenhänge erkennen. Der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlage wird in Zukunft ein noch brennenderes Thema. Die Kenntnisse über die Zusammenhänge in der Natur wie auch in Siedlungsstrukturen nehmen an Komplexität zu. Landschaft und Siedlung müssen miteinander kommunizieren, um in Einklang gebracht zu werden. Mit hoher Fachkompetenz, Kreativität und über 25 Jahren Erfahrung stellen wir uns der Herausforderung, täglich und mit voller Hingabe. Unser Team aus verschiedensten Spezialisten arbeitet vernetzt und unkonventionell. So entstehen Freiräume mit hoher ökologischer und gestalterischer Qualität vor Ort. Die Ideen entstehen in der Modellwerkstatt, bei der Kartierung der Avifauna morgens um 4 Uhr, beim Surfen auf dem Bodensee oder im Internet. Alle Ergebnisse sind authentisch!

Zu Rottweil: Ein so großes Gebäude wie eine JVA auf der einen Seite und eine so schöne Landschaft wie das Esch auf der anderen – wie passt das zusammen?
Zunächst kann man festhalten, dass die Landschaft ohne ein Gebäude in der Größe sicher schöner ist als mit. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass in unserer Gesellschaft JVAs eine notwendige Einrichtung sind, muss hierfür ein geeigneter Platz gefunden werden. Was für den Standort Rottweil nach ersten Erkundigungen vor Ort sprechen könnte, ist a) die Tatsache, dass die Fläche bereits von drei Seiten mit Wald eingerahmt ist (Landschaftsbild), b) die Fläche stark modelliert ist, sodass auch eine zusätzliche Erdmodellierung, zum Beispiel aus Gründen des Sichtschutzes nicht grundsätzlich stören würde, c) das Grundstück nach Südwesten abfällt, sodass mit Erde überschüttete Gebäudeteile beziehungsweise begrünte Dächer noch genügend Licht einfallen lassen würden. Selbstverständlich müssen die Mindestabstände zum Wald, vorhandene Biotopverbundstrukturen, öffentliche Fuß- und Radwege im Wettbewerb berücksichtigt werden. Somit kommt den Anforderungen an die Planungsleistungen im auszulobenden Wettbewerb eine hohe Bedeutung zu. Ein guter Auslobungstext muss bereits die Richtung eines verträglichen Bauens in der Landschaft unmissverständlich vorgeben.

Ist es überhaupt möglich, ein so großes Gebäude in die Landschaft am Esch zu integrieren und wie soll das gehen?
Die Frage kann mit einem Ja beantwortet werden, aber das Wie ist der entscheidende Keypoint. Ein guter Städtebau und eine dezente Architektursprache, Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten, regionaltypische Grünbausteine (Hecken, Wald, Streuobst), ortsübliche Geländemodellierungen, eine starke Durchgrünung und genügend Raum zu öffentlichen Fuß- und Radwegen sind geeignete Mittel für Bauen in der Landschaft.

Wie wollen Sie die Menschen, die das Projekt kritisch sehen, überzeugen?
Ich glaube, man sollte die Ziele für den anstehenden Architekturwettbewerb im Vorfeld mit dem Gemeinderat und der Bevölkerung intensiv diskutieren und sie in den Auslobungstext für den Wettbewerb als essenziellen Bestandteil übernehmen. Im Vorfeld helfen sicher auch Spaziergänge und Besichtigungen vor Ort.