Hier fahren wir vorerst bewusst in Richtung Tübingen. Foto: Schwarzwälder Bote

Kurioses: Tourist findet Rottweiler Innenstadt nicht / Stadt will Leitsystem demnächst überprüfen

Ein Tourist aus Braunschweig will Rottweils Innenstadt sehen, kommt jedoch nie dort an – Schuld sei die schlechte Ausschilderung gewesen, ist er überzeugt. Die Verantwortlichen zeigen sich überrascht.

Rottweil. Rainer Wichmann freut sich auf ein langersehntes Wiedersehen. Er lebt in Braunschweig und fährt mit Zwischenstopp in Schramberg in Richtung Bodensee. Von Schramberg aus ist es ein Katzensprung bis nach Rottweil, seine Geburtsstadt, die er schon seit Ewigkeiten nicht mehr besucht hat. Ein guter Zeitpunkt für einen Abstecher, denkt er sich.

Ein Navigationsgerät benutzt Wichmann nicht. Er hat Erfahrung mit Schildern. Ohne Zweifel, dass er bald mitten in Baden-Würrtembergs ältester Stadt steht, fährt er mit seiner Frau über die B462 los. Als er sich der Stadt nähert, sieht Wichmann ein braunes Schild mit dem Aufdruck: "Historische Innenstadt". Er nimmt diese Abfahrt. Sogleich kommt er an einen Kreisverkehr. Hier steht nichts mehr von Historischer Innenstadt. Er fährt weiter geradeaus, bis er ein Schild sieht, das auf das Krankenhaus verweist. Dort will er nachfragen, wie er zur Innenstadt kommt. Auch dieses Schild ist das einzige seiner Art, das Wichmann auf dem Weg entdeckt. Und nach weiteren "zwei oder drei Kreisverkehren" kommt er wieder an der Autobahnauffahrt in Richtung Singen an. Frustriert von der Irrfahrt wagt er keinen weiteren Versuch und macht sich auf in Richtung Bodensee.

Gegenrichtung beschildert

"Und da bin ich sicher nicht der einzige Tourist, dem es so ging", meint der Braunschweiger. Anfang Juni sei die Reise gewesen. Nach der misslungenen Suche ging es weiter nach Überlingen und Friedrichshafen, wo das Paar auf Umleitungen und Baustellen getroffen sei. Alles habe er problemlos gemeistert, erklärt Wichmann. "Eine so schlechte Ausschilderung wie in Rottweil habe ich noch nie erlebt", ärgert er sich. Hier gebe es "große Defizite". Man könne nicht davon ausgehen, dass jeder Tourist mit Navi unterwegs sei.

Wir sind die Strecke aus der Richtung Schramberg nun einmal abgefahren, und zwar ganz ohne Navi, um Wichmanns Fahrt nachzuvollziehen. Wie dem untenstehenden Plan zu entnehmen ist, ging es aus der Richtung Schramberg über die B462 los in Richtung Rottweil. Schon bald entdecken wir, ebenso wie Wichmann, nur früher als er, ein Schild in Richtung Krankenhaus. Kurz darauf folgt das besagte "Historische Innenstadt"-Schild. Dem folgen wir und kommen auf die B27. Hier erscheint der erste Kreisverkehr. Ortskundige wissen, hier führt die Oberndorfer Straße ohne Umwege in die Stadt. Man muss also dem Schild "Rottweil-Nord/ Neckartal" folgen, um zum Ziel zu kommen. Geradeaus weist dagegen das Schild "Rottweil-Ost". Dem folgen wir als Vertreter der Nichtortskundigen Bevölkerung nun ganz bewusst. Direkt gerät man an den nächsten Kreisverkehr, von dem Wichmann gesprochen hat. Links geht es Richtung Villingendorf. Eindeutig falsch. Wir nehmen die einzige Alternative: "Rottweil-Ost". Bald gabelt sich der Weg: Richtung Tübingen geht es laut Schild geradeaus, zum Thyssen-Turm und zur "Welt der Kristalle" nach rechts. Da wollen wir zwar nicht hin, aber es klingt richtiger als Tübingen. Wider der Logik fahren wir dennoch geradeaus und drehen bei der nächsten Möglichkeit um. Siehe da, sofort taucht das erste Schild mit dem Aufdruck "Innenstadt" auf. Aus der Richtung Tübingen/Schömberg scheint die Ausschilderung also besser zu sein. Nach links geht es nun in die Balinger Straße, wo wir ohnehin gelandet wären, sofern wir gleich in Richtung "Thyssen-Turm" abgebogen wären. Ein paar Kurven weiter tauchen die ersten Häuser der Innenstadt auf.

Wie Wichmann es geschafft hat, zurück zur Autobahn zu kommen, ohne die Innenstadt zu erreichen, finden wir nicht heraus. Was die schlechte, mit Umwegen verbundene Ausschilderung angeht, scheint er jedoch nicht unrecht zu haben.

Kein Optimierungsbedarf

Schnucklig-romantische Häuserfassaden und eine chaotische Blechlawine prägen den alltäglichen Anblick rund um den Friedrichsplatz. Es herrscht Tempo 20, die Fußgänger wuseln zwischen den Autos über die Zebrastreifen und Staus gehören zum Stadtbild. Hier im Zentrum scheint der Verkehr deplatziert, aber auch kaum wegzudenken.

"Wir erhalten hin und wieder Beschwerden, weil der Vekehr in Rottweil direkt durch die Innenstadt geleitet wird", sagt Tobias Hermann von der Stadtverwaltung. "Deswegen ist es mir ein Rätsel, wie man die Innenstadt nicht finden kann." Einen wichtigen Hinweis für Touristen hat er allerdings: Suchen sollen diese nach der Ausschilderung "Innenstadt" und nicht "Altstadt". Der historische Teil der Stadt sei nämlich die Innenstadt, während Altstadt ein eigener Stadtteil ist.

Fachbereichsleiter für Bauen und Stadtentwicklung Lothar Huber möchte das Ganze "nicht weiter thematisieren". Es gebe wichtigere Themen als die Schilder, meint er auf Nachfrage. Man versuche gerade, den Schilderwald abzubauen und nicht, noch weitere Schilder aufzustellen. "Rottweil ist nicht groß, die Innenstadt zu finden ist nicht schwer", sagt er. Er glaube nicht, dass Optimierungsbedarf bestehe. Nicht-Ortskundige müssen also weiterhin Umwege fahren? "Falls an dem neuen Kreisel an der Oberndorfer Straße kein Schild mit Verweis auf die Innenstadt steht, fehlt da ein Hinweis", räumt er schließlich ein. Das nehme er auf und wolle es überprüfen. Wann genau er die Zeit dafür habe, wisse er allerdings noch nicht.

"Ausgerechnet meine Geburtsstadt habe ich nicht gesehen", bedauert Wichmann. "Aber ich freue mich auf meinen nächsten Besuch, dann hoffentlich mit einer besseren Beschilderung."