Unter der Leitung von Lisa Wößner vom Sozialdienst der BruderhausDiakonie (links) diskutieren Daniela, Ursula, Eugen, Richard und Wolfgang die Fragen, die sie am 21. Juli den Politikern im inklusiven Café im Kapuziner in Rottweil stellen wollen. Foto: Wolf Foto: Schwarzwälder-Bote

Inklusion: Menschen mit Behinderung bereiten Wahlveranstaltung am 21. Juli vor / Chance in Betrieben gewünscht

Die Diskussion ist äußerst lebhaft. Die Teilnehmer der Runde sprudeln förmlich über, wenn es darum geht, unter dem übergeordneten Thema Bundestagswahl Fragen an Politiker zu formulieren, die ihnen besonders am Herzen liegen und die oft auf Erfahrungen aus ihrem persönlichen Alltag fußen.

Kreis Rottweil. An diesem Abend sind es fünf Menschen mit Behinderung, die sich bei der Bruderhausdiakonie in Fluorn unter der Leitung von Lisa Wößner intensiv für eine ganz besondere kreisweite Wahlveranstaltung am 21. Juli in Rottweil vorbereiten. Dann werden sich vier Politiker der Parteien CDU, SPD, Grüne und FDP den Fragen von Menschen mit Behinderung, die von der BruderhausDiakonie in Rottweil und Fluorn betreut werden, stellen.

Und in einem sind sich die Fünf zusammen mit Lisa Wößner vom Sozialdienst der BruderhausDiakonie einig: Sie hoffen, ja sie erwarten, dass die vier Politiker ihre Fragen, ihre Anliegen, ihre Sorgen ernst nehmen, sich um verständliche Antworten in leichter Sprache bemühen und das Ganze nicht als lästige Pflichtveranstaltung betrachten, wie das einige der Runde bei früheren Politikerbesuchen auch schon erlebt haben.

Mit Blick auf die Bundestagswahlen im September 2017 hat die BruderhausDiakonie im Kreis Rottweil ihr politisches Bildungsangebot darauf ausgerichtet. Dabei werden folgende Themenbereiche bearbeitet: Was sind die Bundestagswahlen? Wie wähle ich? Welche Parteien gibt es und für was stehen sie?

Seit April befassen sich Teilnehmer des politischen Bildungsangebots der BruderhausDiakonie in Fluorn sowie im inklusiven Café im Kapuziner in Rottweil jeweils einmal im Monat mit dem Thema Bundestagswahl.

Am morgigen Samstag treffen sich die Teilnehmer aus Fluorn und Rottweil im inklusiven Café, um gemeinsam die inklusive Wahlveranstaltung am Freitag, 21. Juli, mit den Vertretern von CDU, SPD, den Grünen und FDP vorzubereiten. Bei dieser Wahlveranstaltung sollen Menschen mit und ohne Behinderung die Möglichkeit haben, mit den Politikern direkt ins Gespräch zu kommen und die Fragen, die sie persönlich für besonders wichtig erachten, zu stellen.

Am Mittwochabend widmen sich Daniela, Ursula, Eugen, Richard und Wolfgang zusammen mit Lisa Wößner den Grünen und der FDP sowie den politischen Zielen und Inhalten dieser Parteien. Und es ist erstaunlich, mit welcher Begeisterung sie bei der Sache sind, wie gut sie die Parteien kennen und wie sorgfältig sie beobachten und bewerten. Besonders genau betrachten sie die Aussagen der Parteien zu den Themen Inklusion und Integration von Menschen mit Handicaps. Unter der Überschrift Gleichberechtigung betont einer der Teilnehmer: "Alle Menschen sollten in einem Dorf integriert werden, egal ob behindert, ob aus dem Ausland, ob Frau, Mann oder Kind. Um das zu erreichen, müssen alle an einem Strang ziehen." Barrierefreiheit ist für sie ein ebenso wichtiges Thema und so nehmen sie eine eigene Einrichtung der BruderhausDiakonie ins Visier, die fehlende Rampe am "Gustav’s Eck" in Winzeln. Die Teilnehmer der Runde fragen sich zudem, warum so wenig Betriebe Behinderten eine Chance geben, bei ihnen zu arbeiten.

Ursula, die selbst Erfahrungen in der Pflege von Angehörigen hat, ist überzeugt, dass Behinderte durchaus in der Lage sein können, bei der Pflege von kranken und alten Menschen zu helfen. "Alle sprechen vom Pflegekraftmangel. Warum stellt man nicht auch mal Behinderte ein, welche die ausgebildeten Pflegekräfte unterstützen?" So wird ein Themenfeld nach dem anderen durch diskutiert und die entsprechenden Fragen daraus abgeleitet.

Die Politiker werden sich am 21. Juli unter anderem mit Fragen zu den Themen "Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen", "Inklusion in Schule, Beruf und Gesellschaft", "Landwirtschaft" "Sicherheit in der Gesellschaft", "Mindestlohn in Werkstätten für Menschen mit Behinderung", "Barrierefreiheit" (Busverbindungen im Dorf sind schlecht und für Rollstuhlfahrer oft nicht nutzbar, Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden), "Rente", "Vereinbarkeit von Familie und Beruf", "Erneuerbare Energien" und "Krankenversicherungen" auseinandersetzen müssen.

Die Politiker können damit rechnen, dass gerade die Menschen mit Behinderung sehr genau hinhören werden, was und wie auf diese Fragen geantwortet wird,. Außerdem droht den Politikern auch mal die rote Karte, wenn sie nicht in leicht verständlicher Sprache antworten.