Viele Neufraer nutzen die Chance, ihre Sorgen und ihren Unmut mit Blick aufs jüngste Hochwasser loszuwerden. Foto: Schickle Foto: Schwarzwälder-Bote

Neufra: Infoveranstaltung zum Hochwasserereignis im Juli ist gut besucht

Von Verena Schickle

Rottweil-Neufra. Die Erinnerungen an die Nacht vom 28. auf den 29. Juli sind in Neufra kein bisschen verblasst. Zu deutlich ist den Neufraern in Erinnerung, wie die braunen Fluten ihr Dorf an jenem späten Montagabend unter Wasser setzten. Eine fast unvorstellbare Menge an Regen innerhalb kurzer Zeit hatten Prim und Starzel heillos überfordert. Für die Neufraer keine neuen Situation. 1987 gab es ein schlimmes Hochwasser, 2013 kamen sie gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon, dann der vergangene Juli: Das Starzelstaubecken reichte nicht mehr aus, über den Notüberlauf stürzten die Wassermassen ins Tal. So etwas wollen die Bürger nicht noch einmal erleben.

Ortsvorsteher Willy Schaumann hatte deshalb eine Informationsveranstaltung zu dem Hochwasserereignis anberaumt, an der auch die Bürgermeister von Rottweil, Wellendingen, Frittlingen und Schömberg hätten teilnehmen sollen. Das haute aus terminlichen Gründen nicht hin, dafür saßen Kurt Faupel und Lothar Huber von der Rottweiler Verwaltung, Andreas Reichert und Hans Vossler von der ENRW, Klaus Gaiselmann vom Landkreis sowie Stadtbrandmeister Rainer Müller auf dem Podium. Ortsvorsteher Schaumann betonte dennoch, es sei wichtig, auch die "Oberlieger" mit ins Boot zu holen. Denn vom Heuberg waren die Wassermassen am 28. Juli gekommen.

Getroffen haben sie die Neufraer: "Warum ist man nicht früher gewarnt worden?", fragte Karl Honer erzürnt. Schließlich sei doch bereits um 18 Uhr in Wellendingen Land unter gewesen, wie ein anderer erklärte. "Es hat natürlich niemand damit rechnen können, dass das Becken überläuft", entgegnete Rainer Müller. Der Ortsvorsteher räumte aber ein: Als die Sirene schließlich ertönte, sei es "eindeutig" zu spät gewesen.

Honer legte nach: "Warum ist das Becken übergelaufen?" Seiner Meinung nach ist die erste Brücke im Dorf der Engpass: Sie lässt nicht genug Wasser durch. Man müsste darunter ausbaggern, forderte er. Dies sei bis auf dieses in jedem Jahr der Fall gewesen, erklärte Kurt Faupel vom städtischen Fachbereich Tiefbau. Auch auf die Kritik, die Stadt halte das Ufer nicht sauber, regierte er: Der Betriebshof müsse kilometerlang Uferbereiche freihalten, Büsche und Bäume zurückschneiden. Und: "Man kann nicht sagen, wir hätten nichts gemacht."

Zudem scheint die Brücke nicht allein das Problem zu sein: Mehr als 8,5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde können aus dem Rückhaltebecken nicht abgelassen werden, um einen Überlauf zu verhindern – sonst geraten Rohre und Schieber in zu starke Schwinungen. Zudem: Wo hätte das zusätzlich Wasser hin sollen? "Die Prim war doch auch voll", sagte Schaumann.

Die Lage ist verflixt. Eine umsetzbar Maßnahme wäre die Erhöhung der Hochwasserschwelle um 30 Zentimeter. Das würde das Fassungsvermögen des Rückhaltebeckens, bisher 420 000 Kubikmeter, um 30 000 erhöhen. Doch: "Das hört sich viel an, bringt aber von der Hochwassersicherheit her nicht viel", erklärte Klaus Gaiselmann, Leiter des Umweltschutzamts. Mit anderen Worten: So einem Starkregenereignis ist mit dem Becken allein nicht beizukommen.

"Ich glaub, dass wir das im Dorf nicht in Griff kriegen", meinte ein Bürger denn auch. Die Gemeinden auf dem Heuberg müssten mitziehen. Andere regten an, den Winkel des Zuflusses der Starzel in die Prim, bisher 90 Grad, zu verkleinern, damit es dort zu keinem Rückstau kommt. Auch zusätzliche, kleinere Staubecken schlugen mehrere vor. Karl Ulmschneider bezeichnete derweil die Starzelrenaturierung als "großen Fehler". Das Wasser laufe seither träge dahin, statt schnell abzulaufen. Er fragte sich zudem, ob sich das Primbett nicht ausweiten ließe. Ein anderer Zuhörer regte an, im Starzeltal einen weiteren Staudamm zu bauen. "Das hört sich jetzt so einfach an", entgegnete Gaiselmann. Dafür benötige man aber ein riesiges Volumen. Seiner Meinung nach sei es besser, den Durchfluss zu erhöhen.

Lothar Huber, Fachbereichsleiter Bauen und Stadtentwicklung, nahm aus der Veranstaltung mit, dass die Möglichkeiten oberhalb des Rückhaltebeckens geprüft werden müssen. Auch ein zusätzlicher Abfluss für die Prim sei eine Überlegung – wirft aber auch die Frage auf, wo es hingeht. Etwa nach Göllsdorf?

Ein Fachbüro, das bereits das Rückhaltebecken überprüft hat, soll nun auch die zusammengetragenen Möglichkeiten prüfen. Derzeit rechnet die Stadt mit Kosten von einer Million Euro, um die Anlage zu sanieren. Weitere Maßnahmen kosten natürlich zusätzlich.

Von Verena Schickle

Alles Gute kommt von oben? Von wegen! Das haben die Neufraer am Abend des 28. Julis anders erlebt: Am Lemberg blieben die Wolken hängen, durch den Starkregen gingen Wassermassen nieder, denen das Regenrückhaltebecken nicht mehr gewachsen war. Der Rottweiler Teilort stand einmal mehr unter Wasser. Doch nicht nur die Neufraer mussten leiden, auch Wilflinger und Wellendinger Häuser wurden überflutet. Gerade deshalb kann die Lösung nicht allein im Tal liegen. Zusammenarbeit ist gefragt. Das wissen auch andere Betroffene: Böhringen und Irslingen wollen sich in Sachen Hochwasserschutz zusammentun, die Schlichemanlieger im Zollernalbkreis und im Kreis Rottweil gemeinsame Konzepte entwickeln. Dafür spricht ein weiterer, entscheidender Punkt: Egal was gemacht wird, es wird teuer. Eine Kommune allein kann das nicht schultern.