Foto: Schnekenburger

Sängerin verzaubert Publikum bei Kammermusikabend mit Musik und Liedern in mehreren Sprachen.

Rottweil - Eigentlich ist so ein Abend Kammermusikabend: Wenn die Sängerin aus ihrem Privatleben erzählt, leise, aber mit fester Stimme, und das Publikum ganz bei ihr ist. Wenn die Musiker ein ganz kleines bisschen Klang darunter zaubern. Am Freitagabend war’s ein Fall für den Saal.

Der Kolossaal hat sich fein gemacht. Rote Samtvorhänge begrenzen den Zuschauerraum. Also doch ein bisschen Kammermusik nach dem Heimspiel der "Windphonics" beim Ferienzauber? Sicher nicht. Es geht um nichts weniger als die Welt, das Leben, den Menschen. Zu Gast ist Ute Lemper. Mit dem Musical ist sie groß geworden und sie hat das Musical salonfähig gemacht. Das ist schon ein Weilchen her. Inzwischen gönnt sich der Bühnenstar den Luxus eigener Chansonprogramme. Die aktuelle Variante heißt "Die neun Geheimnisse", reflektiert Texte von Paulo Coelho und hatte im Mai vergangenen Jahres Premiere. Schuld hat ihr Mann. Er hat sie auf den brasilianischen Schriftsteller gebracht – und in Sydney hat es gefunkt. Die Bühne hatte sie dort noch Pablo Neruda gewidmet, in der Buchhandlung kam dann Coelho ins Spiel, später in Sao Paolo, wurde aus dem Buchstabenflirt eine Künstlerfreundschaft. Mit Folgen.

International das Ganze also und einen Teil einer musikalischen Weltreise hat das Publikum da schon erlebt. Als Ute Lemper das erzählt, wird Begeisterung spürbar, fast eine Art Verzückung, auf jeden Fall eine Stimmung, die die Freundschaft der Sängerin mit dem Schriftstellerkollegen und die Beziehung zwischen ihr und seinen Texten auf eine besondere Ebene stellt. Und Coelho liefert ja Sätze, die ans Eingemachte gehen, Bilder, die die Welt erklären, Gedanken, die dem Menschen eine Apotheke sein können. Auch in seinen "Die Schriften von Accra" warten die ganz großen Wahrheiten. "Eine kleine Bibel ohne Religion" sei das Buch, sagt Lemper, und macht sich daran, die Wahrheiten zu beleben. Dafür hat sie nicht nur ein bewegtes Bühnenbild, in dem Volker Schlöndorff Licht und südliche Kulturlandschaft teilweise als Passepartout für das Team auf der Bühne inszeniert, sondern exzellente Musiker.

Sie bauen gestern Abend ein bisschen die Welt nach, in der Lemper die neun Geheimnisse verortet. Das Silber, das aus Oud-Akkorden fließt und von der Trommel in Wellen gelegt wird, sein sanftes Summen als endlose Hintergrundmelodie und die scharfe Dynamik des Bandoneons, der nur scheinbar beiläufige Klavierpart, der zwischen großer Geste und intimem Chanson umschält... Die Sängerin kann sich jederzeit auf ihr Solistensemble verlassen. Sie singt auf Deutsch und Englisch, Portugiesisch und Französisch, manchmal in einem Song in mehreren Sprachen, sie sucht die große Geste, die ihre Stimme eben so inszeniert, dass mit Kammermusikabend spätestens hier Ende ist. Und sie findet einen Ton, zum Beispiel wenn sie neben ihr Team tritt, der leise ist – und doch unüberhörbar im Saal steht. Er kann heiser und hitzig sein, gehaucht oder fast geschrien, fein gestaltet oder plakatives Statement: Er inszeniert die Texte – und zeigt die Künstlerin. Und die weiß nun wirklich, wie Bühne funktioniert – und man aus ein paar Sätzen und Musik aus der Welt einen Abend für’s große Haus machen kann.