Eine Beamtin vom Kreissozialamt schilderte den Angeklagten aus Somalia als Mann mit zwei Gesichtern. Foto: twinsterphoto – stock.adobe.com

Verhandlung um versuchten Mord in der Asylunterkunft. Tat ging offenbar eine Art Fehde voraus.

Kreis Rottweil - "Der war mir nicht geheuer" – im Prozess wegen versuchten Mordes in einer Rottweiler Asylunterkunft wurde das bisherige Verhalten des somalischen Angeklagten unter die Lupe genommen. Auch die Ergebnisse der Spurensicherung spielten eine Rolle.

Streit um Ordnung und Hygiene sowie jede Menge Alkohol – diese Mischung hatte offenbar schon vor der Tat beim Angeklagten und dem Opfer zu Auseinandersetzungen geführt. Ein 34-Jähriger steht derzeit wegen versuchten Mordes vor dem Rottweiler Landgericht. Ihm wird vorgeworfen, seinen 39-jährigen indischen Mitbewohner im April mit einem Stuhlbein schwer verletzt zu haben. Zudem soll er Widerstand gegen Vollstreckungsamte geleistet und diese mehrfach beleidigt und bedroht haben.

Am dritten Verhandlungstag sagte nun unter anderem eine Beamtin vom Kreissozialamt aus, die mit den Zuständen in der Asylunterkunft vertraut ist. Sie schilderte, dass sowohl der Angeklagte als auch der Geschädigte deshalb in Einzelzimmern wohnten, weil frühere Mitbewohner nicht mit ihnen klargekommen seien und daher um Verlegung gebeten hätten. Zudem habe es zwischen Angeklagtem und Geschädigtem immer wieder Ärger gegeben. "Sie kamen oft in mein Büro und beschwerten sich über den jeweils anderen."

Attacke auf Beamtin

Über den Somalier sagte die Beamtin, er sei ihr nicht geheuer. Sie schilderte ihn als Mann mit zwei Gesichtern. Die wenigen Male, in denen sie ihn nüchtern erlebt habe, unterschieden sich maßgeblich von seinem betrunkenen Zustand. Während er alkoholisiert schnell aggressiv wurde, verhielt er sich nüchtern eher ruhig, meinte sie. Das eine Mal habe er randaliert, das andere Mal sei er völlig still durch das Haus gelaufen, habe vor sich hin gegrinst oder ins Leere gestarrt.

Als "allein mit sich selbst" und "mysteriös" bezeichnete die Zeugin den Angeklagten. Er war offenbar ein Einzelgänger, pflegte kaum soziale Kontakte, nachdem er seine somalischen Mitbewohner offenbar vergrault hatte. Scheinbar habe er früher eine Beziehung gepflegt, erklärte nachher eine Zeugin von der Polizei, doch die habe sich von ihm distanziert. Der Angeklagte habe sie finanziell ausgenutzt, so der Vorwurf.

Immer wieder sei es aufgrund des 34-Jährigen auch zu Vorfällen gekommen, so die Kreissozialamtsmitarbeiterin. Einmal sei er gefeuert worden, weil er bei der Arbeit ausgerastet sei und Maschinen demoliert habe. Zudem habe er sich immer wieder über die arbeitsbedingte Kürzung seiner Sozialbezüge (eigentlich 320 Euro im Monat) beschwert. "Er ist oft laut geworden, wenn es ums Geld ging", so die Beamtin. Ohne Alkohol habe sie ihn so gut wie nie gesehen.

Sie erinnerte sich zudem an einen Vorfall in der Asylunterkunft im August 2017. Da habe der Somalier eine bosnisch-herzegowinische Familie mit ihrem kleinen Kind, die ebenfalls in der Unterkunft wohnt, mit einem Messer attackiert. Zudem habe er einmal seine eigene Matratze angezündet.

Im November 2017 soll er – offenbar aus Wut über erneute Kürzungen – mit erhobener Faust auf eine Kollegin der Zeugin losgegangen sein. Seine somalischen Mitbewohner hätten sich zwischen den Angreifer und die Frau gestellt, nach dem Vorfall aber aus Furcht vor der Rache des 34-Jährigen um Verlegung gebeten. Der Vorfall hatte auch ein Verfahren wegen Bedrohung, Beleidigung und versuchter Körperverletzung nach sich gezogen, bei dem der Somalier zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.

Blutspritzer analysiert

Der Schilderung der Zeugin zufolge ist aber auch der Geschädigte kein Kind von Traurigkeit. Auch ihn habe sie häufiger alkoholisiert als nüchtern gesehen, meint die Beamtin. Mit ihm habe sie aber eher Mitleid gehabt. "Er weiß betrunken oft nicht mehr, was er tut", ist sie sich sicher. So habe der Inder nicht nur in den Flur der Unterkunft uriniert, sondern auch einmal in eine undichte Plastiktüte, die er zur Sprechstunde der Beamtin mitbrachte.

Einmal sei auch er aggressiv geworden und habe einen Kollegen mit einer Eisenstange bedroht, als es um die Kürzung der Geldleistungen ging, schildert die Kreissozialamtsmitarbeiterin.

Mit dem Aufruf einer Zeugin der Polizei wurde auch die mutmaßliche Tatwaffe in Augenschein genommen – ein 45 Zentimeter langes und 350 Gramm schweres Holzstuhlbein. Ergebnis der Spurensicherung waren vor allem diverse Blutspritzer auf dem Bett sowie an Wänden, Boden und Decke.

Nach einem virtuellen Gang durch die Wohnung, in der die Tat stattgefunden hatte, wurden die aufgefundenen Blutspuren analysiert. Die Sachverständige erklärte, dass längliche Blutspuren darauf hindeuten, dass die Schläge auf das Opfer von oben kamen. Punktförmige Spritzer, etwa 90 Zentimeter über dem Bett, deuteten darauf hin, dass der Geschädigte beim Angriff zwischendurch vor seinem Bett gestanden sein muss. Dafür sprächen auch die fein aneinander gereihten Blutspritzer an der Decke. "Je kleiner die Spuren sind, desto größer war die Gewalt. Es waren mindestens vier starke Schläge", erklärte die Sachverständige.

Der Prozess wird am Mittwoch, 24. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt.