Sophia Uhl hat ein Jahr lang in Cochabamba in einem Dorf bei der Betreuung in einem Kindergarten geholfen. Fotos: Uhl Foto: Schwarzwälder Bote

Freiwilligendienst: Sophia Uhl aus Rottweil hat ein Jahr lang mit Kindern in Bolivien gearbeitet

Am schnellsten lernt man eine Sprache, wenn man sie täglich braucht – diese Erfahrung durfte Sophia Uhl im Rahmen eines Freiwilligendienstes in Bolivien machen. Die Erfahrung möchte die Rottweilerin nicht missen.

Rottweil. Als Sophia Uhl den ersten Fuß auf bolivianischen Boden setzte, blieb der erwartete Kulturschock aus. "So extrem überrascht, wie ich es erwartet hätte, war ich angesichts der Armut und der Verhältnisse dort nicht", berichtet die 19-Jährige. Ihr Glück war, dass man sie mit Seminaren gut auf den Einsatz in Südamerika vorbereitet hatte.

Dass sie nach dem Abitur 2017 am Droste-Hülshoff-Gymnasium unbedingt Erfahrungen im Ausland sammeln will, war ihr spätestens nach dem Besuch bei ihrer Schwester klar. Diese war mit der Organisation Fundación Cristo Vive nach Chile gereist, um dort als Freiwillige zu arbeiten. "Ich wollte unbedingt Spanisch lernen und ein neues Land kennenlernen", erzählt Sophia Uhl. Auch für Einsätze auf den Philippinen und in Argentinien bewarb sie sich, landete aber schließlich bei derselben Organisation wie ihre Schwester.

Mit dem Bus durchs Land

Bevor sie die Reise antrat, nahm sie einige Spanisch-Stunden, um nicht völlig unvorbereitet dort anzukommen. Rückblickend seien ihre Kenntnisse aber nur semi-hilfreich gewesen, meint die 19-Jährige lachend. "Das Meiste habe ich vor Ort gelernt. Und es ging überraschend gut und schnell."

Sophia Uhl reiste nach Cochabamba, eine große Stadt im Zentrum Boliviens, und half dort im Kindergarten und in der Tagesbetreuung. Dadurch, dass sie im selben Dorf wohnte, hatte sie von Anfang an viel Kontakt zu den Einheimischen.

Ihr Arbeitstag begann um 8 Uhr mit der Essensverteilung. Danach wurde im Kindergarten in Gruppen an Themen gearbeitet. "Das ist dort viel verschulter als bei uns. Die Kinder lernen beispielsweise Farben und Buchstaben und haben so etwas wie einen Stundenplan", erzählt Uhl.

Um den Kindern wichtige Themen näher zu bringen, musste die 19-Jährige auch mal kreativ werden. "Die Bolivianer singen und tanzen gern." Also gab es eben ein Lied zum Zähneputzen oder eine Puppentheater-Aufführung zum Thema Hygiene. Nachmittags half Sophia Uhl dann Jugendlichen bei den Hausaufgaben oder machte Sport mit ihnen. "Anfangs war ich richtig fertig nach dem Arbeiten", erinnert sie sich. Da blieb für Freizeitaktivitäten nur wenig Zeit.

Doch sobald die Rottweilerin sich eingewöhnt hatte, fand sie eine Gruppe, in der die passionierte Turnerin ihrer Leidenschaft nachgehen konnte. Unter der Woche besuchte sie oft das Sprachcafé und lernte dort junge Erwachsene aus der ganzen Welt kennen. An den Wochenenden erkundete sie per Bus das Land.

Alles wird frittiert

Aber das Leben in Bolivien kann auch gefährlich sein. "Aus unsere Gruppe wurde jeder schon einmal beklaut", meint sie. Ihr habe man die Tasche beim Großeinkauf auf dem Markt aufgeschlitzt, aber glücklicherweise nichts gestohlen. Fortan trug sie nur noch eine Brusttasche. "Da muss man schon sehr aufpassen. Als Weiße fällt man eben auf und strahlt auch aus, dass man in den Augen der Bolivianer wohlhabend ist", weiß die 19-Jährige.

Dennoch herrsche auch ein gewisser Respekt der Organisation gegenüber, die schon seit vielen Jahren die Region besuche und Hilfe leiste. "Das wissen die Bürger zu schätzen", sagt Sophia Uhl. Außerhalb des Dorfes sei sie nachts aber nie allein unterwegs gewesen. "Mit der Zeit kann man die Gefahr auch ganz gut einschätzen." Und so manche Angewohnheit der Bolivianer überraschte die Rottweilerin dann doch. "Bolivianer sind nie pünktlich und auch nicht zielstrebig. Dafür reden sie mehr als die Deutschen und sind viel offener für Neues", hat Uhl die Erfahrung gemacht. "Wenn bei der Arbeit nicht viel geschafft wird, dann ist das eben so", beschreibt sie die Einstellung der Bürger.

Was ihr besonders gut gefiel, war die Gastfreundschaft. "Ich war wirklich oft zum Essen eingeladen", erinnert sie sich. Dieses war allerdings mehr als gewöhnungsbedürftig: "Die frittieren alles und benutzen wirklich viel Zucker", sagt sie und verzieht das Gesicht bei der Erinnerung.

Wenn die Rottweilerin an ihre Zeit in Bolivien denkt, wird sie aber auch ein wenig wehmütig. "Es war eines meiner schönsten Jahre. Ich habe so viele neue Leute und das Land richtig kennengelernt. Bei einem Urlaub wäre das ganz anders gewesen", meint sie. "Ich würde es jederzeit wieder machen. Es war einfach ein tolles Gesamtpaket, bei dem man finanziell gut unterstützt wurde", so das Fazit der 19-Jährigen.

Im September hat sie eine Ausbildung zur Köchin angefangen. Das Jahr in Südamerika war für sie mehr als nur eine schöne Erfahrung. "Klar, man verändert nicht die Welt, aber die Arbeit, die ich geleistet habe, war wirklich sinnvoll", weiß sie.

In der Fundación Cristo Vive gibt es eine langjährige Freiwilligentradition. Schon seit mehr als 20 Jahren brechen Jahr für Jahr junge Menschen aus Deutschland in Richtung Chile und Bolivien auf, um in den Einrichtungen von Schwester Karoline Mayer einen Freiwilligendienst zu leisten. Die Einsatzorte sind Santiago de Chile in Chile und Cochabamba in Bolivien.

Im Rahmen des "Weltwärts"-Programms leben Freiwillige ein Jahr in Südamerika und arbeiten in einer der Einrichtungen mit. "Weltwärts" ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und hat daher einen entwicklungspolitischen Hintergrund. Reisekosten sowie Kost und Logis bei den vorher stattfindenden Seminaren werden übernommen, ebenso Unterkunft und Verpflegung im Einsatzland. Zudem bekommen die Freiwilligen ein monatliches Taschengeld. Das "Weltwärts"-Programm übernimmt 75 Prozent der Programmkosten, die restlichen 25 Prozent trägt der Verein Cristo Vive Europa.