Zum Vorwurf Mord auf dem Heiligenhof bei Deißlingen soll vor dem Landgericht Rottweil am 13. April das Urteil gesprochen werden. Foto: Nädele

Heiligenhof-Prozess: Gutachter treffen deutliche Aussagen. Täter sei ein nur auf eigenen Vorteil bedachter Trickser und Täuscher.

Deißlingen - Die Tötung des 38-jährigen Landwirts auf dem Heiligenhof bei Deißlingen am 6. Oktober 2015 hat der damals 61-jährige Täter laut dreier Gutachter aktiv herbeigeführt. Dass in dem Prozess vor dem Landgericht damit der Vorwurf Mord spruchreif wird, ist naheliegend.

Über viele Stunden wurden gestern die drei Expertisen zu dem schrecklichen Geschehen und zur Persönlichkeit des heute 62-jährigen Angeklagten dargelegt. Zwei Rechtsmedizinerinnen erklärten übereinstimmend, dass die tödliche Verletzung in den rechten Brustkorbbereich sich durch ein Unfallgeschehen – einem Hineinfallen in ein Messer aufgrund eines Gerangels – überhaupt nicht erklären lassen. Da habe einer mit voller Absicht zugestochen, dies mit einer Gewalt, die weit größer gewesen sein müsse als die Energie, die bei einem Sturz wirksam geworden wäre.

Nach diesen Darlegungen aus kriminaltechnischer Sicht skizzierte der psychiatrische Gutachter Charalabos Salabasidis eine intelligente Täterpersönlichkeit, die ihr dieses in die Wiege gelegte Talent aber ausschließlich dazu nutzt – durchtrieben durchs Leben zu gehen. Schlawinerhaft bringe er sich als Charmeur ins Gespräch, um dann seinen Vorteil zu suchen.

Mit dieser Masche scheint es ihm auch wenige Tage vor der Tat ein leichtes gewesen zu sein, Soziarbeitern seine angebliche Not darzulegen, um dann mit leichter Hand nachhaltige Unterstützung zu bekommen.

Vorzuspielen, was gerade in die Situation passt, darin hat es der Angeklagte laut dem Psychiater zu einer Meisterschaft entwickelt. Nach der Tat und der Aneignung einiger Geldrollen- und Geldscheine flüchtet er geschmeidig durch ein Fenster, sucht geschwind auch noch ein Versteck für das Tatmesser, kurze Zeit später, als ihm die Polizei in einem kleinen Waldstück zum Greifen nah ist, spielt er den bis zum Umfallen Gebrechlichen. Später, bei Vernehmungen, gibt er sich sorgenvoll zur Situation seines Widersachers im Hofladen. Der Mediziner Salabasidis sagte gestern ohne Umschweife, dass die Verhaltensweisen des Mannes von großem Kalkül geprägt seien. Elegant versuche er in jeder Situation geschickte Erklärungen zu finden, die aber meist auf Tricksen und Täuschen basierten. Auf den ersten Blick erscheine vieles plausibel, was den Beschuldigten in Freiheit versuchen lasse, möglichst große Vorteile daraus zu saugen. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei absolut gegeben, der 62-Jährige deshalb auch als voll schuldfähig anzusehen.

Die dem Täter von diesem Gutachter zugeschriebene disoziale Störung scheint sich vor allem auch darin zu äußern, dass der Angeklagte sich – insbesondere so um die Jahrtausendwende nach seinem Abrutschen in die Obdachlosigkeit – seine eigenen Spielregeln zu seiner Lebensführung in Ungarn gemacht hat.

"Er hat sein Ding durchgezogen, sagt Salabasidis auch zur Tötungstat an dem frühen Dienstagmorgen im Oktober 2015. Damals sei niemand in den Bioladen eingedrungen gewesen, der ängstlich oder panisch reagiert habe, sagt der Gutachter unmissverständlich.

Dass der tödliche Stich brachial geführt worden sein muss, betonen zuvor auch die beiden Rechtsmedizinerinnen. War es demnach ein Mord aus Habgier? Mit dem Vorsatz des maskierten Täters, auf jeden Fall unerkannt entkommen zu wollen, obwohl plötzlich und unerwartet der ihm an Kräften eigentlich weit überlegene 38-jährige Landwirt am Ort des Überfalls auftauchte, um seinen Eltern, seiner Schwägerin und einer weiteren Hofladen-Beschäftigten zu Hilfe zu eilen?

Wenn der psychiatrische Gutachter die Person des Angeklagten näher beleuchtet, betont er auch dessen Neigung, sich selber liebend gern als Opfer zu sehen. Mit dieser narzistischen Tendenz versuche er, sich sein Leben schöner und besser zu malen. Die anderen sind schuld, wenn er – wie so oft seit dem Jahr 2001 – wieder einmal ins Gefängnis marschiert. Vornehmlich wegen Diebstahls- und Einbruchsdelikten. Draußen erklärt er, das sei wegen Bagatellen passiert. Viel lieber, als sich mit Erklärungen möglicherweise bloßzustellen, schmiedet er Pläne. Will in Ungarn ein Haus kaufen für 10 000 Euro, obwohl er als Obdachloser laufend danach gieren muss, bei einem Bekannten unterzukommen.

Als gestern seine schwierige Persönlichkeit facettenreich bewertet wird, sitzt der 62-Jährige da und verzieht immer wieder leicht das Gesicht. Missbilligend, wie es scheint. So als ob er sagen wollte, ihr habt doch überhaupt keine Ahnung. Aber ich lass’ euch mal reden.

Angesichts der aus dem oben Dargelegten abgeleiteten schlechten Prognose für den Angeklagten hakt Jochen Völter, Anwalt der als Nebenkläger auftretenden Familie des Getöteten beim Gutachter mit der Frage nach, wie der Täter einzuschätzen sei, wenn er nach einer möglichen längeren Haftzeit wieder freikomme. Behandlungsrezepte gebe es in einem solchen Fall eigentlich keine, sagt Salabasidis. Da müsse in erster Linie darauf gesetzt werden, dass Altersmilde und Gebrechlichkeit, den Umtrieben des Mannes einen Riegel vorschöben.

Die Verhandlung wird am 11. April mit den Plädoyers von erstem Staatsanwalt Michael Groß und dem Pflichtverteidiger des Beschuldigten fortgesetzt.

Die erste Schwurgerichtskammer will unter dem Vorsitz von Karl-HeinzMünzer dann am 13. April das Urteil sprechen.