Viel mehr Mitglieder als sonst kommen zur Hauptversammlung der Narrenzunft. Foto: Schnekenburger

Sprungführung beschert Narrenzunft bei Versammlung ein volles Haus. Mitglieder nutzen Chance zur Diskussion.

Rottweil - Das Beste kommt zum Schluss – das gilt auch für die Mitgliederversammlung der Rottweiler Narrenzunft am Freitag. Nicht, dass die geänderte Sprungführung nicht von Beginn an ein Thema gewesen wäre. Aber am Ende hatten auch die Mitglieder Gelegenheit, sich dazu zu äußern.

Nicht immer, wenn es brennt, ist die Narrenzunft dran schuld: Schon Christoph Bechtolds Einstieg zielt auf das ab, um das es direkt oder indirekt den ganzen Abend gehen wird, das Thema, das die Stadt seit Wochen bewegt: Die geänderte Route des Narrensprungs am Montagmorgen. Bechtold braucht es nicht zu sagen, als er davon spricht, dass es am Freitagnachmittag im Kapuziner einen Feuerwehreinsatz gegeben habe.

"Wir waren’s nicht", sagt er. Wohl aber waren es Vorstand und Ausschuss, die die Streckenführung geändert hatten. Schon eingangs erklärt er noch einmal die bereits oft genannten Beweggründe – Sprungverkürzung, mehr Zeit fürs Aufsagen und die Kapellen, um in ihre Heimatorte zu kommen et cetera. "Es war nicht einfach", beteuert der Narrenmeister. Gleichzeitig appelliert er, zusammen am gemeinsamen Ziel, die Rottweiler Fasnet zu erhalten, zu arbeiten: "Ein Gegeneinander wäre der erste Schritt, dass wir dieses 700-jährige Erbe verlieren." Dafür erhält er den Applaus der allermeisten im Sonnensaal des Kapuziners – 300 Zuhörer dürften es gewesen sein. Gut mehr als doppelt so viele wie sonst bei Mitgliederversammlung der Zunft.

Seine Vorstandskollegen tun es Bechtold gleich. Säckelmeister Stefan Roth nimmt die Sprungverkürzung auf die Schippe: "Mir kennet die Narrensprünge net kurz genug sein" – denn, so rechnet er vor, je länger, desto günstiger werde jede Sprungstunde. Und Georg Hauser, zweiter Narrenmeister, wünscht sich, dass die Mitglieder das Engagement vom Protest in die Fasnet stecken – etwa in Narrenbücher. Dann kommen die zu Wort, die tatsächlich viel Energie investiert haben: etwa die sechs aus der Reihe der Facebook-Gruppe "d’Stadt nab am Fasnetsmontag", die Anträge für die Versammlung formuliert hatten. Für deren sachlichen und respektvollen Umgang mit den Zunftoberen gibt’s im Übrigen gestern erneut Lob vom Vorstand, während die Antragsteller einmal mehr betonen, wie positiv die Gesprächsbereitschaft der Zunft-Spitze sei. "Alle Achtung!", erklärt Jörg Stauss, der mit Gabriela Müller, Greta und Michael Wycisk, Volkmar Caduff sowie Ralf Stölzl zwei Anträge formuliert hat.

Abgestimmt werden kann schon aus formalen Gründen nicht darüber – die Zunft hatte zu spät zur Versammlung eingeladen –, zum andern macht Christoph Bechtold erneut deutlich, dass die Änderung der Sprungführung der Meinung von Ausschuss und Vorstand nach eindeutig in deren Zuständigkeit fällt. Schließlich trügen sich auch die Verantwortung.

Zunächst allerdings wird Rolf Hertkorns Antrag verlesen. Dieser wollte an der bisherigen Sprungroute am Montagmorgen festhalten. So weit, so normal. Ungewöhnlicher ist die Reaktion mancher Versammlungsteilnehmer, weil Hertkorn seinen Antrag lieber von Bechtold verlesen lässt, als selber auf die Bühne zu stehen. "Feigling!", brüllt einer von hinten.

Stauss und Co. haben weniger Probleme mit der exponierten Position. Sie kommen nach vorn, und Stauss erklärt: "Es muss möglich sein, dass man seine Meinung sagt zu einem wichtigen Thema". Für ihn und seine Mitstreiter sei es gut gelaufen. "Wir stehen absolut als Gewinner da." Schließlich hat die Zunft die Strecke erneut geändert, und jetzt geht es wieder "d’Stadt nab" bis zum Spital, wie von den sechs gefordert, dann am Konvikt vorbei die Grafen- beziehungsweise Kameralamtsgasse hoch und von der Hochbrücktorstraße zum Friedrichsplatz.

Eigentlich sollte es von der oberen Haupt- gleich in die Hochbrücktorstraße und dann über Grafengasse und Konvikt zu Spital und Friedrichsplatz gehen. Jetzt will die Gruppe die Gespräche, die die Zunft nach der Fasnet zur Sprungführung anbieten will, nutzen, um weiter mitzureden. Für mehr Mitsprache plädiert auch Martin Ascher: "Das oberste Organ auch in der Narrenzunft ist die Mitgliederversammlung", erklärt er. die solle bei so wichtigen Dingen entscheiden. Stephan Drobny sieht das anders: Bei der Vorstandswahl "übertrag ich denen meine Handlungsfähigkeit."

Einen weiteren Antrag hatte offenbar Thomas Pahl eingereicht. Seine Punkte: Sprungverkürzung, einheitliche Strecke, Erhalt des schönsten Teils – d’Stadt nab und von der Hochbrücktorstraße herein. Ziel erreicht, könnte man nach der neuerlichen Änderung sagen. Er regte an, eine Gruppe zu gründen, die angesichts zu erwartender Engpässe in den Gässchen ein Sicherheitskonzept erstellt.

Versammlungsteilnehmer Uli Hertkorn zeigt sich weniger zufrieden: "Die Zunft sind erst mal wir hier drin", meinte er und bezeichnete die Versammlung mit verspäteter Einladung als Marketinggag. Darüber hinaus will er wissen, ob der Ausschussbeschluss zur Streckenänderung tatsächlich einstimmig gewesen sei. Gerüchteweise seien einige Mitglieder ihr absichtlich ferngeblieben. Das wiederum empört Ausschussmitglied Martin Weiss – er habe beruflich gefehlt.

Reiner Armleder gibt zu bedenken, dass ihm bei der verkürzten Route der Platz für die Kinder unter den Zuschauern fehlt, ähnlich äußern sich andere zu Plätzen für Behinderte und Ältere. Was sich noch zeigt: Auch das Verhalten der Narren während des Sprungs bedarf einer Veränderung. Vielleicht sollten sie sich gegenseitig erziehen, meint ein Mitglied. "Wer von den Narren hört schon auf die Ordner?", fragt ein anderes.

Aus deren Sicht spricht denn auch Monika Alt: Sie berichtet unter anderem, dass auch die Zuschauer sich an manchen Stellen kaum zurückhalten lassen. Zudem regt sie an, vor dem Grafengässchen abzusperren, damit die Narren sich auf der Hochbrücke aufstellen können. Zur neuen Sprungvariante meinte sie: "Wir probieren das." Damit scheinen die meisten Diskussionen über die geänderte Sprungführung geführt zu sein. Davon abgesehen: Nach der Fasnet, wenn die Variante getestet ist, gehen die Gespräche darüber ohnehin weiter.