Kommunales: Der Gemeinderat will Altstadtsatzung und Bebauungsplan aufheben – für ein attraktiveres Nachtleben

Übertriebenem Vergnügen hatte man 2011 mit einem Bebauungsplan für Ruhe in der Altstadt beikommen wollen. Jetzt rudert Rottenburg zurück. "Tote Hose" seither wurde jüngst im Gemeinderat beklagt. Nun kommt die Rolle rückwärts.

Rottenburg. Schon in der Fragestunde des Gemeinderats waren in der vergangenen Sitzung die Bürgerprobleme aufgeworfen worden. Von einer Partymeile war die Rede. Der Baubürgermeister hatte die Klagen auch so schon vernommen, etwa über die im Vorjahr geschlossene "Neckarbar" im früheren Bettenhaus Maier.

Für den Dezernenten Thomas Weigel ging es rund um die Rottenburger Altstadt in seinen eigenen jungen Jahren "noch ganz anders zu". Jetzt müsse man auf die jungen Leute aus den Orten, auf die Forst-Fachhochschüler und auf die in Rottenburg lebenden Studenten der Tübinger Uni doch mehr hören und ihnen vielleicht etwas mehr an Nachtleben bieten. Und das, ohne die berechtigten Ruhe-Interessen der Altstadt-Anwohner zu vergessen.

Dafür, so der Verwaltungsvorschlag, reichten Ordnungsrecht und Gaststättenverordnung vollkommen aus – und "Gastronomen, die mitziehen", so Weigel. Die Ansiedlung von zweifelhaftem Gewerbe und unerwünschtem Vergnügen über das Baurecht zu verhindern, sei aber nicht mehr nötig. Dafür freilich muss die Stadt den geltenden Bebauungsplan nun mit dem vollen Verwaltungs- und Gemeinderats-Programm aufheben: Einbringung, Offenlegung, Anhörung, Aufhebungsbeschluss.

Um drei Bereiche gehe es. Das Glücksspiel und die Wettbüros seien seit den 2012 erlassenen Landesvorschriften "bei uns kein Thema mehr": Abstand von Schulen, Dichte der Etablissements. Auch das Rotlicht – "Gucken ist Vergnügen, Anfassen ist Gewerbe" – sei aus Sicht der Stadt vollkommen im Griff, erläuterte Weigel.

Die gängige Gastronomie allerdings, so der Baudezernent, bringe über die normalen Kneipen und die sommerlichen Freiluftangebote hinaus schon nächtliche Probleme mit sich – vor allem als Discos oder als Lokale, auch als Kellerkneipen mit kulturellem Beiprogramm für Nachtschwärmer, ob Kino, Literatur oder Musik: Lärm und Verkehr, Müll und Dreck, manchmal auch Schlägereien. Selbst wartende Taxis dort auf den zentralen Plätze, wo sie niemand haben wolle. "Aber Friedhofruhe", so Dezernenten-Kollege Hendrik Bednarz, "wollen wir nicht. Wir wollen die Innenstadt beleben."

Da herrscht im Prinzip Einigkeit im Rat. Und doch sind sich alle Fraktionen auch einig, dass das Recht auf Ruhe und das jugendliche Recht auf ein attraktives Nachtleben Widersprüche sind, die irgendwie ständig – und ständig neu – abgewogen werden müssen. Rainer Mozer plädierte auf Seiten der SPD "klar für eine neue Regelung", Fraktionskollege Hermann Josef Steur sah als Altstadtbewohner sein Ruhebedürfnis kein bisschen in Gefahr: "Das war selbst zur Fasnet aushaltbar."

"Zuviel Ungelöstes" sahen hingegen Peter Cuno und Jörn Heumesser bei dem Problem. "Mehr Feinabstimmung" mahnte auch die Grünen-Fraktion an. Dort allerdings, so Jörg Bischof, lege man "auf mehr private Security keinen Wert". Für die Einhaltung der Regeln müsse dann der kommunale Ordnungsdienst sorgen. "Lasst es uns machen!", rief hingegen Joschija Merkle für die JA-Fraktion aus, "damit wir die Stadt auch nachts für die Studis attraktiv gestalten".

"Wir stochern da im Nebel", wandte Christian Hörburger für die Linke-Fraktion ein. Er erinnerte an Klaus Tappesers letztlich gescheiterte Pläne zu dessen Zeit als Rottenburger OB, im Industriegebiet Ergenzingen nahe der A 81 ein riesiges Unterhaltungszentrum samt Hotel anzusiedeln. Die beiden Vertreter der Linken waren am Ende bei den fünf Nein-Stimmen quer durch die Fraktionen.

Alle übrigen Stadträte stimmten dafür, die Satzung des geltenden Bebauungsplan für die Altstadt in einem kompletten formellen Verfahren aufzuheben.