Ein Bild des Ergenzinger Liederkranz – vermutlich aus dem Jahr 1997 – aus der erfolgreichen Ära des Chorleiters Karlheinz Leis (unten links) und des Vorsitzenden Otto Raible (unten rechts). Archiv-Foto: Ranft Foto: Schwarzwälder-Bote

Vereine: Liederkranz Ergenzingen feiert 160-jähriges Bestehen / Bewegte Geschichte erlebt / Heute Probleme mit Überalterung

Seinen 160. Geburtstag feiert am Samstag, 21. Oktober, ab 20 Uhr im Adolph-Kolping-Saal der Liederkranz mit einem Konzert der "Wild Voices" aus Weitingen.

Rottenburg-Ergenzingen. Der älteste Ergenzinger Verein besteht mittlerweile zu einem großen Teil aus Sängerinnen und Sängern, die altersmäßig fast halb so alt wie der Verein, oder schon darüber sind.

"Jedenfalls", so die Vorsitzende Rosmarie Baur, "wären wir nicht mehr in der Lage gewesen, selbst ein Konzert zu stemmen". Deshalb dürfen an diesem Abend die Acapellas aus Weitingen ran – was aber nicht heißt, dass man vom Gemischten Chor und vom Männerchor gar nichts hört. Beide Chöre werden aus ihrem Liedgut etwas zum Besten geben. Baur lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass dieser besondere Konzertabend den "Wild Voices" gehört.

Geistige Geburtsstunde schlägt bereits im Sommer 1836

Die geistige Geburtsstunde des Liederkranzes schlug an einem schönen Sommerabend 1836. Der junge Ergenzinger Lehrer Ferdinand Vater gehörte zu der damals bestehenden Rottenburger Sängervereinigung und auf dem Nachhauseweg von der Singstunde – natürlich zu Fuß – ließ ihn der Gedanke nicht mehr los, dass man doch auch in Ergenzingen einen Gesangverein gründen könnte.

Und so kam es dann auch. Nach einem Aufruf und kurzer Probenzeit unter seiner Leitung wurde der erste Auftritt ein voller Erfolg. Die Sängerschar gab sich den Namen Liederkranz Ergenzingen, existierte aber aufgrund der damaligen politischen Wirren nur ganze zehn Jahre.

Im Jahre 1857 gründete der Lehrer Heinrich Schnitzler den Liederkranz neu und seit diesem Jahr hat er auch Bestand. Lediglich während des zweiten Weltkrieges kam die aktive Sangesfreude zum Erliegen. Bereits 1886 trat der Verein dem Schwarzwaldgau Sängerbund bei und 1898 dem Schwäbischen Sängerbund. Mehrfach nahm man in diesen Jahren erfolgreich an Preissingen teil.

Im Jahre 1907 wurde das 50-jährige Vereinsjubiläum mit Böllerschüssen, einem Festgottesdienst und einem großen Festumzug gefeiert. Währen des ersten Weltkrieges hatte das Vereinsleben Pause. Man freute sich jedoch sehr, dass alle Mitglieder heil aus dem Krieg zurückgekommen waren.

1928 begann die Ära von Oberlehrer und Chorleiter Max Schier, dessen Wirken über 30 Jahre andauerte. Schier bildete und verjüngte den Chor. Beim Preissingen in Ebingen erreichte dieser sogar den ersten Rang.

Das 75-jährige Jubiläum wurde 1932 gefeiert. Die Vereinschronik verweist auf Tausende von Besuchern, die sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen wollten. 1958 wurden die Ergenzinger Sänger mit der höchsten Auszeichnung ausgezeichnet, die es im Chorwesen bis dato gab: Sie wurden von Regierungspräsident Willi Birn mit der "Zelter-Plakette" bedacht.

1974 wurde der reine Männerchor durch einen Frauenchor ergänzt. 1980 zogen die Sängerinnen und Sänger in die neuen Vereinsräume in der Edelmannstraße ein.

Beim 125-jährigen Jubiläum im Jahr 1982 gab es neben einem großen Programm auch einen Festumzug mit 20 teilnehmenden Chören.

In eine "Spätblütezeit" führte Otto Raible den Liederkranz. Er hatte den Verein 1993 übernommen. Ihm gelang auch das Husarenstück, den Dirigenten des Schiedsrichterchores, Karlheinz Leis, zu verpflichten.

Letzterer mischte beide Chöre mächtig auf und bereitete die Sänger auf den 140. Geburtstag vor, der mit einem Kirchenkonzert und einem dreitägigen Fest gefeiert wurde. Enge Verbindungen pflegte der Liederkranz auch zum "Weinlandchor" in der Ergenzinger Partnergemeinde Gols.

Das 150-jährige Bestehen des Vereins ist auch schon wieder zehn Jahre her. Aber die Highlights sind vielen Freunden der Chormusik noch gut in Erinnerung. Da gab es im April ein großes Kirchenkonzert, im Juli ein Sommerfest auf dem Marktplatz und im Oktober einen Jubiläumsabend in der Turn- und Festhalle.

In den letzten zehn Jahren zollte der Liederkranz zunehmend seiner Überalterung Tribut. Man feierte gesellige Freiluftveranstaltungen mit einem kleinen Zelt auf dem Marktplatz und pflegte vor allem die Geselligkeit, bei Wanderungen, Radtouren und Ausflügen.

Seit einigen Jahren ist der Chorgesang in der evangelischen Christuskirche zum festen Ritual geworden. Trotz Überalterung kommt der Liederkranz seinem kulturellen Auftrag auch heute noch nach. Bei öffentlichen Anlässe, wie Fronleichnam oder dem Volkstrauertag, wirken die Sängerinnen und Sänger bis zum heutigen Tage mit.

Wie lange das noch der Fall sein wird, konnte die Vorsitzende Rosmarie Baur nicht beantworten. Sie wird sich im Übrigen nicht mehr zur Wahl stellen.

Etwas wehmütig sagte sie aber gegenüber unserer Zeitung: "Eigentlich kann ich mir Fronleichnam oder den Volkstrauertag ohne den Liederkranz gar nicht vorstellen".

1857 bis 1863 Heinrich Schnitzler, 1863 bis 1866 Pfarrer Fendrich, 1866 bis 1894 Josef Schäfer, 1894 bis 1929 Wilhelm Grammer, 1929 bis 1938 Otto Baur, 1948 bis 1952 Hermann Grammer, 1952 bis 1955 Hans Eder, 1955 bis 1968 Josef Baur, 1968 bis 1969 Willi Raible, 1969 bis 1973 Wilhelm Schäfer, 1973 bis 1976 Josef Baur, 1976 bis 1987 Karl Baur, 1987 bis 1993 Willi Nisch, 1993 bis 1999 Otto Raible, 1999 bis 2002 Thea Stopper, 2002 bis 2008 Otto Raible, 2009 bis 2014 Walter Weiß, 2015 bis heute Rosmarie Baur.

Die Chorleiter: 1857 bis 1863 Heinrich Schnitzler, 1863 bis 1866 Pfarrer Fendrich, 1866 bis 1969 Postsekretär Hartmann, 1869 bis 1875 Franz Xaver Baur, 1875 bis 1886 Lehrer Frick, 1886 bis 1895 Lehrer Schwarz, 1895 bis 1900 Lehrer Haug, 1900 bis 1902 Lehrer Rettenmaier, 1902 bis 1915 Lehrer Franz Katz, 1915 bis 1928 Lehrer Truffner. 1928 bis 1958 Lehrer Max Schier, 1958 bis 1963 Lehrer Eugen Schöttle, 1963 bis 1965 Lehrer Stehle, 1965 bis 1968 Eugen Schöttle, 1968 bis 1980 Lehrer Roland Klink, 1980 bis 1982 Bernhard Zeh, 1982 bis 1995 Roland Stemmler, 1995 bis 2000 Karlheinz Leis, 2000 bis 2003 Jürgen Binder 2003 bis heute Markus Geiger.