Bildung: Oberbürgermeister äußert Bedenken zu gymnasialer Oberstufe an Tübinger Gemeinschaftsschule / "Fatale Auswirkungen"

Rottenburg (lm). Oberbürgermeister Stephan Neher (CDU) hat am Mittwoch in einem offenen Brief an die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) seine Sorgen über die Schulentwicklung im Landkreis Tübingen kundgetan. Er fürchtet demnach "fatale Auswirkungen auf die Schullandschaft im Landkreis Tübingen", wenn an der Tübinger Gemeinschaftsschule West – wie von der Stadt Tübingen nach Nehers Angaben geplant – eine gymnasiale Oberstufe eingerichtet wird.

Deshalb fordert er von der Kultusministerin, den Antrag auf Einrichtung der Oberstufe an der Gemeinschaftsschule in Tübingen abzulehnen. Zur Begründung schreibt Neher: "In Rottenburg am Neckar wurde in den letzten Jahren das Angebot an beruflichen Gymnasien auf- und ausgebaut. Die Privatschule St. Klara (Träger: Sießener Schulen gGmbH) führte 2007 ein Wirtschaftsgymnasium und im Jahre 2014 ein Sozialwissenschaftliches Gymnasium ein. An der Berufsschule Rottenburg in Trägerschaft des Landkreises wurde 2012 ein Wirtschaftsgymnasium und im Jahre 2015 ein Technisches Gymnasium eröffnet.

Negative Folgen für Realschulen erwartet

Die Möglichkeit einer gymnasialen Oberstufe an der Gemeinschaftsschule West in Tübingen würde dazu führen, dass weniger Schüler das Angebot der beruflichen Gymnasien wählen und somit die Anmeldezahlen nicht ausreichen würden, dass alle Profile an beiden Standorten der Berufsschulen (in Tübingen und in Rottenburg am Neckar) erhalten werden können.

Zum einen erachte ich es für sehr sinnvoll, dass Schülerinnen und Schüler bereits nach der 10. Klasse ihrer Neigung und Fähigkeiten entsprechend ein Angebot wählen, das sie optimal für ein Studium oder eine Berufsausbildung im entsprechenden Profil befähigt. Zum anderen wurden durch finanzielle Anstrengungen des Landkreises Tübingen die Schulen auf die gymnasiale Ausrichtung der Berufsschule ertüchtigt. Beim Wegbrechen des Angebots wären diese Investitionen vergebens."

Neher fürchtet auch negative Auswirkungen auf Realschulen, Werkrealschulen und Gemeinschaftsschulen ohne gymnasiale Oberstufe: "Wird das Angebot an den beruflichen Schulen durch eine gymnasiale Oberstufe an den Gemeinschaftsschulen verringert, so werden vielen Eltern bereits beim Übergang an die weiterführende Schule dazu neigen, ihre Kinder an der Gemeinschaftsschule anzumelden, damit der Übergang zur Oberstufe gesichert ist. Werkrealschulen, Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe und Realschulen haben das Nachsehen und erhalten weniger leistungsstarke Schüler/innen."

Durch einen Ausbau der gymnasialen Oberstufe an Gemeinschaftsschulen, wo der Weg zum Abitur neun Jahre dauert, würden an den achtjährigen Gymnasien lediglich besonders gute Schüler angemeldet.

Forderung: Behörde soll Antrag ablehnen

Neher fürchtet, dass die Gymnasien durch diese Entwicklung zu "Schule der Eliten" werden würden. Diese Entwicklung stehe dem Gedanken einer möglichst ausgewogenen Schülerschaft aus allen gesellschaftlichen Schichten entgegen.

Er kommt am Ende seines offenen Briefes zu dem Schluss: "Wir lehnen die Einführung einer Oberstufe an den Tübinger Gemeinschaftsschulen aufgrund der zu erwartenden negativen Folgen für den gesamten Schulraum im Landkreis Tübingen ab. Die negativen Auswirkungen auf die beruflichen Gymnasien wiegen am schwersten, zumal das heutige Profilsystem erst vor wenigen Jahren etabliert wurde. Auch aus pädagogischer Sicht sind die Vorteile einer gymnasialen Oberstufe an den Gemeinschaftsschulen nicht so stark erkennbar, dass sie die zu erwartenden negativen Folgen aufwiegen können. Wir bitten darum, den Antrag der Stadt Tübingen abzulehnen."