Rottenburger Bürger haben am Sonntag die Möglichkeit, für oder gegen das Gewerbegebiet zu stimmen. Foto: Anspach Foto: Schwarzwälder Bote

Galgenfeld/Herdweg: Bürgerentscheid findet am Sonntag statt / OB Neher und Landwirt Volkmar Raidt bringen letzte Argumente vor

Die Argumente für oder gegen ein Gewerbegebiet Herdweg/Galgenfeld sind ausgetauscht. Jetzt hat der Bürger am Sonntag das Wort. Um Pro- und Contra-Stimmen abzubilden, haben wir noch einmal zwei Akteuere zu Wort kommen lassen.

Rottenburg. Alle Beteiligten, sowohl das Aktionsbündnis gegen Galgenfeld/Herdweg als auch die SPD- und die CDU-Fraktion des Gemeinderates sowie die Verwaltungsspitze, haben sich klar positioniert. Wir haben mit dem Kiebinger Ortschaftsrat, Landwirt und Stadtrat Volkmar Raidt, der sich klar gegen das geplante Gewerbegebiet aussprach, sowie mit Oberbürgermeister Stephan Neher, der pro Galgenfeld/Herdweg stimmen wird, gesprochen.

"Sollten die Wähler am Sonntag mehrheitlich das Gewerbegebiet Galgenfeld/Herdweg ablehnen, werden wir als Verwaltung die Ähneshalde für kernstadtnahe Gewerbeansiedlungen forcieren", erklärte Neher im Gespräch mit unserer Zeitung. Neher tat aber in den vergangenen Monaten alles, um die Bürger mit ins Boot zu holen für ein Gewerbegebiet Galgenfeld/Herdweg. Er radelte nicht nur kilometerweit bei der Gewerberadtour im Sommer – auch sonst rührte er kräftig die Werbetrommel, um Stimmen fürs Galgenfeld zu mobilisieren. Man traf ihn auch am Infostand beim Goldenen Oktober, wo er Seite an Seite mit SPD und CDU-Stadträten für die Gewerbestrategie der Stadt warb.

"Wir werden jetzt sehen, wie die Abstimmung der Bürger ausgeht." Er will sich aber der Mehrheit beugen – "wenn die Bürger den Herdweg mit Galgenfeld als falschen Standort sehen, werden wir Alternativen suchen müssen." Die Entscheidung für oder gegen das Gewerbegebiet am Ortsrand von Kiebingen und in unmittelbarer Sichtweite zum Rammert hänge nicht zuletzt von der Wahlbeteiligung am Sonntag ab. "Und auch davon, wer letztlich zur Wahl gehen wird."

Rund 33 600 Rottenburger Bürger sind wahlberechtigt, wählen kann man übrigens schon ab 16 Jahren. Die Briefwahl kann nicht mehr beantragt werden, aber man kann generell auch ohne das Mitbringen der Wahlbenachrichtigung wählen. Das ist zwar nicht gerne gesehen, aber das Vorzeigen des Personalausweises oder eines Passes genügt auch. Und den sollte jeder Wähler sicherheitshalber mitbringen.

Neher untermauert seine Position für das Galgenfeld mit der Aussage eines Gutachters, der meint, dass es genügend Anfragen von Firmen gebe, die derzeit Flächen in einem kernstadtnahen Gewerbegebiet suchen. Auch wollten Handwerker vor Ort erweitern oder modernisieren. "Wichtig ist, dass wir für Dienstleister und Handwerker vor Ort ein Angebot schaffen." In der Rottenburger Kernstadt gebe es derzeit keine Fläche, also Null Hektar für Gewerbeansiedlungen. "Das, was man beim Durchfahren an Brachflächen sieht, sind Flächen, die Firmen für ihre Erweiterung vorhalten oder andere Flächen, wie das Elsässer-Areal, welches die Erbengemeinschaft selbst vermarkten will – aus steuerlichen Gründen." Man könne Gewerbetreibende derzeit nur auf Ergenzingen-Ost verweisen, "solange bis es vor Ort in Rottenburg Möglichkeiten gibt".

Volkmar Raidt hingegen kritisiert nicht nur den Standort Galgenfeld an sich. Er findet auch, dass Gewerbegebiete flächenschonend und auf neue Art geplant werden müssen. Sein Credo: "Es muss auch in die Höhe gebaut werden, mit zehn, zwölf Stockwerken. Das kleinteilige Planen von Gewerbegebieten ist Flächenverschwendung und nicht ressourcenschonend." Raidt entwirft im Gespräch mit unserer Zeitung die Vision eines Gebäudekomplexes, bei dem im Keller Produktion und Tiefgaragen Raum finden könnten, in den Stockwerken darüber dann Büros, Architekten, Planer. "Man muss sich neu überlegen, wie man Gewerbegebiete gestaltet. Der kleinteilige Handwerkerpark oder ein Gelände mit kleinen Gebäuden macht wenig Sinn, angesichts der Möglichkeit, auch flächenschonend und rentabel bauen zu können", sagt Raidt.

Was ihm auch noch zu schaffen macht, ist der seiner Meinung nach falsche Standort und die Lage des Gewerbegebiets. "Ich bin sehr heimatverbunden, mir blutet das Herz, wenn ich daran denke, dass im Naherholungsgebiet dann künftig Firmen- und Handwerkergebäude stehen werden." Ihm blute auch das Herz, wenn er sehe, welchen Flächenfraß die B 28 erfordere. Besonders hart treffe es dabei Kiebingen: Hier wird die Straße vorbeiführen und möglicherweise auch schon bald ein Gewerbegebiet stehen. "Dann haben wir nichts mehr an freien Flächen, wo etwa Senioren auf ebenem Boden spazierengehen können."

Auch die Neubaugebiete würden hier ihr Übriges dazu beitragen. Raidt will daher weiter in einem Arbeitskreis und am runden Tisch konstruktiv mitarbeiten. Als Landwirt habe er sich die Mühe umsonst gemacht, seine sieben Hektar Fläche im Gebiet Galgenfeld/Herdweg als biologisch-dynamische Fläche zu entwickeln.

Insgesamt besitzt der Landwirt 40 Hektar Fläche und würde 20 Hektar verlieren. Denn auch bei den Ausgleichsflächen würde er Land verlieren, die die Stadt am Ortsrand Kiebingens neben dem geplanten Gewerbegebiet ausweisen möchte. Es sei sehr mühevoll gewesen, die Bio-Landflächen zu entwickeln. Denn erst nach drei Jahren sind die landwirtschaftliche Flächen von "konventionellem Anbau" auf Bioland- oder Demeterflächen umgestellt. Wegen einer besseren Bewirtschaftungsstruktur habe er auch Flächen getauscht.

Im geplanten Gewerbegebiet Galgenfeld liegen auch Flächen anderer Bioland- oder Demeterlandwirte. Dies sind Alfons Heberle, Joachim Schneider, Alfons Vollmer, der aber konventionell anbaut, sowie Gregor Rauser. Zudem liegen dort Flächen, die der Hülbehof aus Weiler bewirtschaftet.

Da es in anderen Ländern Missernten gibt und extreme Wetterlagen, wie der diesjährige zu heiße Sommer, die ihren Tribut auch bei der Landwirtschaft fordern, würden landwirtschaftlich fruchtbare Flächen immer wertvoller, sagt Raidt. Er fordert ein Umdenken auch bei der Politik, denn die habe letztlich das Sagen. Wenngleich die Bürger jetzt die historische Chance haben, das Gewerbegebiet Galgenfeld/Herdweg zu verhindern. Über das Umdenken, wie Gewerbeflächen und Gebäude künftig aussehen könnten, müsse man sich dann aber noch gemeinsam Gedanken machen.