Gericht: 44-jähriger Familienvater wegen sexueller Belästigung zu einer Geldstrafe verurteilt

Zu Wochenbeginn musste sich ein 44-jähriger Familienvater wegen dem Vorwurf der dreifachen sexuellen Belästigung vor dem Rottenburger Amtsgericht verantworten.

Rottenburg. Ein Tatbestand, den die erste Staatsanwältin Edith Zug so schwerwiegend fand, dass sie das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung dringend gegeben sah. Dies auch vor dem Hintergrund der Geschehnisse auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015, wie selbst der Rechtsbeistand des Angeklagten einräumte.

Der Beschuldigte, ein Asylsuchender mit Bleiberecht, der seit zwei Jahren mit seiner Familie (Frau und drei Kindern) in einer kirchlichen Einrichtung in einem Rottenburger Teilort untergekommen ist, soll sich einer Frau, die dort ihr Freiwilliges Soziales Jahr ableistet, unsittlich genähert haben. Am 3. Mai dieses Jahres soll er der jungen Frau, die gerade ein Kätzchen auf dem Arm hatte, mit einer Hand von hinten an die Brust gefasst haben, während er zur Ablenkung mit der anderen Hand die Katze streichelte. Fünf Tage später soll er die Frau auf dem Bahnhof des Orts aufgefordert haben, dass sie ihn umarmt und auf die Wange küsst. Das habe sie entschieden und sehr deutlich abgelehnt. Für den Angeklagten war dies jedoch noch lange kein Grund, von der Frau abzulassen. Im Gegenteil. Nun umarmte er sie und küsste sie auf die Wange. Die junge Frau erlitt aufgrund dieser Attacke einen Nervenzusammenbruch.

Am 10. Mai näherte sich Beschuldigte wieder seinem Opfer. Dieses Mal auf dem Strohboden der Einrichtung. Er wollte einen Kuss von ihr und hatte schon wieder die Hand am Busen. Bei allen drei Handlungen verspürte die Geschädigte großen Ekel, wie die Anklagevertreterin betonte. Auch habe die Frau jedes Mal klar und deutlich gezeigt, dass sie diese körperlichen Nähe nicht möchte.

Es sei nicht um sexuelle Annäherung gegangen

Der Anwalt des Beschuldigten wollte die Geschichte in seinem Erklärungsansatz etwas herunterspielen. Sein Mandant komme aus einem ganz anderen Kulturkreis, und die Umarmung und der Kuss auf die Wange gehörten dort, wie bei uns das Händeschütteln, zum alltäglichen Begrüßungsritual. Um sexuelle Annäherung ginge es dem Beschuldigten keineswegs, sondern er wollte nur Freundschaft mit der Frau. "Er hat Nähe gesucht", erklärte der Wahlverteidiger und holte damit die bis dahin relativ ruhige Staatsanwältin aus der Reserve. "Sie wollen dieses Verfahren schlank halten", warf sie dem Verteidiger vor, "und immer schön das Deckle auf eine Tat halten, die weit über das gesellschaftlich zu tolerierende Maß hinausging." Und über den Angeklagten sagte sie: "Hier bleiben, das will er, aber sich benehmen, das will er nicht".

Trotz eines umfassenden Geständnisses sowie der Einsicht, dass er sich der jungen Frau in unangemessener Weise genähert hatte, verstand der Mann, der kaum Deutsch spricht und daher auf die Hilfe eines Simultandolmetschers angewiesen war, die Welt nicht mehr. Aus seiner Sicht handelt es sich hier um ein Missverständnis. "Ja hat denn die Geschädigte ihnen nicht dreimal klipp und klar gesagt, dass sie ihre Annäherungen nicht will?", fragte die Staatsanwältin nochmals energisch nach, und der Mann musste gestehen, dass dem so war. "Und trotzdem haben Sie sich ihr in einem relativ kurzen Zeitraum wiederholt genähert. Kommen Sie mir bitte nicht über ihren Verteidiger damit, dass Sie die hiesigen Sitten und Gebräuche nach 26 Monaten in Deutschland immer noch nicht kennen. Bei uns gilt die Regel, dass man niemanden gegen seinen Willen anfassen oder gar küssen darf." Auf die Frage vom Amtsgerichtsdirektor Stefan Fundel, ob er arbeite, ließ der Beschuldigte erklären, dass er krank sei. Er habe Rheuma, das habe ein Arzt festgestellt. "Und was macht ihre Frau?", fragte der Vorsitzende nach. "Einen Deutschkurs".

Die Anklagevertreterin forderte für den bislang unbescholtenen Angeklagten eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro, die Richter Fundel in seinem Urteil auf 90 Mal 20 Euro reduzierte. Zudem muss der Beschuldigte als Verurteilter die Gerichtskosten tragen. Beide Parteien verzichteten noch im Gerichtssaal auf mögliche Rechtsmittel und somit wurde das Urteil sofort gültig. Insgesamt zeigten sich alle Beteiligten froh, dass man das Verfahren auf dieses Weise zu Ende bringen konnte. So ersparte man der Geschädigten wenigsten ein Wiedersehen mit dem Angeklagten und man musste ihr auch nicht die nochmalige seelische Auseinandersetzung mit den Geschehnissen zumuten.