Die Künstlerin Tina Stolt beschäftigt sich in ihren Kunstwerken mit Werden und Vergehen, Innen und Außen, Verlust und Triumph sowie Verletzbarkeit und Stärke des menschlichen Daseins. Foto: Rath Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Künstlerin Tina Stolt zeigt in der Zehntscheuer ihre Ausstellung "Hautatmung" / Einmaligkeit des Lebens wird dargestellt

Von Annika Rath

Rottenburg. "Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?", fragte der Publizist und Philosoph Richard David Precht 2007. Die menschliche Ambivalenz kam schon im Titel zum Ausdruck. Ähnlich könnten die Werke von Tina Stolt fragen, die bis Anfang März in der Zehntscheuer ausgestellt sind.

Ein ungewöhnlicher Titel trägt ihre Ausstellung. "Hautatmung" nennt Tina Stolt die Werkgruppe, die in der Zehntscheuer zu sehen ist. "Der Titel ist bezeichnend, aber nicht erklärend", findet Petra Stolting vom Kulturverein Zehntscheuer bei ihrer Begrüßung der Zuhörer.

Atmung verbindet Innen und Außen

Da ist einerseits die Haut, die das Innere vor äußeren Einflüssen beschützt. Und andererseits die Atmung als Verbindung von innen und außen. Der Titel äußert, was die Werke darstellen. "Sie sind immer ambivalent, es ist immer ein sowohl – als auch", beschreibt Stolting weiter.

Ähnlich sieht das auch Krisztina Jütten, Kunsthistorikerin und Kuratorin aus Pforzheim. Bei der Betrachtung der Arbeiten entstehe "Faszination und Irritation zugleich". Im Zentrum steht immer der menschliche Körper. Aber die Darstellung der Figur ist vielseitig und vielschichtig, es geht nicht um eine anatomische Abbildung.

Tina Stolt wurde 1964 in Gummersbach geboren und studierte Kunstgeschichte und Kunst in Marburg. Seit 1991 ist sie freischaffend tätig und hatte zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. "Schon vor 15 Jahren habe ich sie das erste Mal gesehen", blickte Petra Stolting zurück und schmunzelte: "Seit dem bin ich ihr auf der Spur, aber manches dauert eben länger."

Mehr Zeit sollte sich der Betrachter auch nehmen. Denn die Kunstwerke fordern dazu auf, näher hinzuschauen. Immer ist da der menschliche Körper. Selten ist er aufrecht, meist zusammengerollt, wirkt schwebend, schief oder gebückt. Manche Figuren sind zweidimensional auf Papier oder Karton, andere dreidimensional aus Draht und Gaze. Wieder andere scheinen gar zweischichtig zu sein.

So auch die wandhohen Drucke auf Maulbeerbaumpapier, die zentral im Ausstellungsraum angebracht sind. Das Material lässt eine Bedruckung von beiden Seiten zu, sodass die Ambivalenz des menschlichen Daseins räumlich wird. Die Reihe ist so angebracht, dass ein Raum entsteht. Betritt der Betrachter diesen, wird er ein Teil des Kunstwerks. Er wird dazu aufgefordert, sich mit seinem Dasein, seinen Höhen und Tiefen, Stärken und Schwächen auseinander zu setzen.

Stolt fertigt immer Unikatdrucke an. Denn auch das menschliche Leben lässt sich nicht duplizieren, jedes ist einmalig. "Der Mensch wird im Fragment dargestellt, weil jeder Mensch in seinem Leben andere Rahmenbedingungen vorfindet, die sein Dasein individuell machen", beschreibt Krisztina Jütten. Jedes Lebensgeschichte sei geprägt von Fragmenten und Brüchen. Gleichzeitig strebe aber jeder auch nach einer Ganzheit und Unversehrtheit. Diese menschliche Ambivalenz wird schon im Titel "Hautatmung" und umso mehr in jedem einzelnen Werk spürbar.

Tina Stolts Werke "Hautatmung" sind bis Sonntag, 1. März, in der Zehntscheuer zu sehen. Geöffnet hat die Ausstellung mittwochs bis freitags von 15 bis 18 Uhr und samstags, sonntags und an Feiertagen von 13 bis 18 Uhr. Am Donnerstag, 12. Februar, und Sonntag, 15. Februar, ist geschlossen.