Gebhard Fürst wird 70. Foto: dpa

Gebhard Fürst warnt vor Gruppenegoismus und wünscht sich Zeit, um noch am ramponierten Image der Kirche zu arbeiten.

Rottenburg - Auf dem Schreibtisch im Bischofshaus mit Aussicht auf Rottenburg und seine Rosenstöcke steht immer eine brennende Kerze. Egal, wie hell es draußen ist. "Das ist so schön lebendig. Das mag ich!", sagt Gebhard Fürst mit gütigem Blick. Als Bischof der nach Köln, Münster und Freiburg viertgrößten Diözese genießt er diesen Blick seit 18 Jahren. Jetzt wird er 70. In fünf Jahren wird er der Tradition folgend dem Papst sein Rücktrittsgesuch einreichen. Die 70 sieht er als echte Zäsur. "Mit 60 habe ich das irgendwie genossen. 70 ist aber schon eine andere Kategorie."

Ein Revolutionär wird Fürst nicht mehr. Entscheidungen der Weltkirche, das Wort des Papstes sind für ihn bindend. Auflehnen ist nicht seine Sache. Erst kürzlich pfiff er in Ravensburg einen Pfarrer zurück und unterband ein gemeinsames Abendmahl von katholischen und evangelischen Christen.

Spürbar verstört sitzt Fürst im September vor der Presse: Er äußert sich zum sexuellen Missbrauch von Kindern durch Geistliche und bittet die Opfer im Namen der Kirche um Entschuldigung. Das Aufkommen der Skandale 2010 und die Ergebnisse einer Studie zur Aufarbeitung nennt Fürst die finstersten Tage seines Lebens. "Weil ich mir sowas in unserer Kirche nicht habe vorstellen können."

Aus seiner Sicht bräuchte es eine Stiftung oder Ähnliches, die Einrichtungen nachhaltiger Prävention zertifizieren. Auch müssten angehende Priester so gut wie möglich gerüstet werden für ein zölibatäres Leben. "Sie sollten das nicht nur im stillen Kämmerlein mit Gebet und Kerze mit sich ausmachen müssen." Eine Abkehr vom Zölibat aber als eine mögliche tiefgreifende Konsequenz sieht Fürst nicht. Die Studie zum Missbrauch habe gezeigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Ehelosigkeit und dem Missbrauch von Kindern gebe. "Ich sehe nicht, dass wir in der katholischen Kirche die Erwartung an die Priester zum zölibatären Leben zurücknehmen."

Gebhard Fürst wird am 2. Dezember 1948 als jüngstes von drei Kindern im schwäbischen Bietigheim geboren. Der Vater ist Gärtner, die Mutter Hausfrau. Fragen der Religion hätten ihn schon sehr früh beschäftigt, erzählt der Jubilar. Ein kleiner Mönch aus "Das Leben des Galilei", der immer alles habe wissen wollen, habe ihn auch ein Stück weit dazu gebracht, Theologie studieren zu wollen. 1977 wird er zum Priester geweiht, wie vorher schon einer seiner älteren Brüder. Im September 2000 wird er zum Bischof geweiht.

Frank Otfried July ist seit 2005 sein Wegbegleiter auf evangelischer Seite. "In den vielen Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit habe ich Bischof Fürst als verlässlichen ökumenischen Freund und Partner kennengelernt", sagt der Bischof der Landeskirche Württemberg. "Dabei sparen wir unterschiedliche Meinungen und Überzeugungen nicht aus." Größer als diese Unterschiede seien aber das gemeinsame Hören auf die Botschaft Jesu Christi und das miteinander Beten.
Etwa für Flüchtlinge. Ein Thema, dass Fürst nach wie vor Sorgenfalten auf die Stirn treibt.

"Wir haben immer gewusst, dass sich das Land verändern wird, wenn eine so große Zahl aus unterschiedlichen Kulturen zu uns kommt", sagt er. "Dass es sich aber in diese Richtung verändert, die aus einer Willkommenskultur eine Abwehrstrategie werden lässt, da habe ich unserer Gesellschaft eine humanere Grundhaltung zugetraut." Andere seien leider nur dann willkommen, wenn sie nützten. "Wenn sie uns aber etwas kosten, dann ist der Spaß bei vielen zu Ende. Das macht mir Angst." Wenn man von der "Mutter aller Probleme" spreche, "dann ist das für mich das Abschmelzen des humanen Potenzials und das Anwachsen des Gruppenegoismus'".

Seinen 70. feiert Fürst, der neben jeder Menge theologischen Texten gerne Krimis und Reiseliteratur liest, in verschiedenen Kreisen eine Woche lang, wie Sprecher Thomas Brandl sagt. Zentral ist natürlich der Festakt am 2. Dezember in der Rottenburger Festhalle, zu dem sich auch der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann angesagt hat. Fürst gilt als grüner Bischof, hat auf dem Bischofshaus eine Photovoltaikanlage installieren und eine Schmetterlingswiese anlegen lassen. Auch möchte er ein E-Auto bestellen. Die Sensibilität für die Schöpfung habe er vermutlich von seinem Vater, dem Gärtner, mitbekommen, sagt Fürst.

"Gesund und munter zu bleiben", wünscht er sich. Damit er fünf Jahre noch ganz in den Dienst der Diözese stellen kann. "Die katholische Kirche hat derzeit leider nicht das beste Image. Aber, wenn ich das mal so sagen darf: Wir tun schon einiges an Gutem." Dies sichtbarer zu machen, "daran möchte ich gerne noch ein bissl arbeiten".