Hagelkörner so groß wie Tischtennisbälle – Ende Juli und Anfang August haben Unwetter große Schäden im Südwesten angerichtet. Foto: Schwarzwälder-Bote

Fluthilfe-Fonds von Bund und Ländern ist acht Milliarden Euro schwer. Unwetteropfer im Südwesten gehen leer aus.

Reutlingen - Pech für Hausbesitzer in Tübingen und Reutlingen. Der Hagelsturm Ende Juli hat massives Unheil angerichtet. Für die Sparkassenversicherung (SV) ist es der größte Schaden in der 255-jährigen Geschichte des Unternehmens, größer als nach Sturm Lothar.

Bundesweit sind die Hagelkörner kaum wahrgenommen worden. Kein hochrangiger Wahlkämpfer kam und versprach Hilfe. SV-Vorstand Klaus Zehner nimmt das aufs Korn: "Es gibt kein Hagelhilfegesetz des Bundes, das den Leuten in Tübingen und Reutlingen hilft." Nicht anders sieht es bei den Unwettern Anfang August etwa in den Kreisen Zollernalb und Rottweil aus, wo es ebenfalls zu Hagelschäden kam – allerdings mit weit geringerem Gesamtschaden.

SV-Vorstand hält nichts von Pflichtversicherung

Die Fluthilfe ist dem Wahlkampf geschuldet. Glück für die Betroffenen. Denn die meisten Häuser in den überschwemmten Gebieten sind nicht gegen Elementargefahren wie Hochwasser versichert, wie eine Erhebung des Versicherungsverbands zeigt: In Bayern sind es nur 21 Prozent, in Sachsen-Anhalt 38 und in Hamburg 13. Ganz anders die Situation in Baden-Württemberg: Hier sind 95 Prozent der Gebäude gegen Elementarschäden versichert.

Von der Diskussion um eine Pflichtversicherung, die stets nach Katastrophen aufkommt, hält der Versicherungsvorstand nichts. "Die Frage ist: Führe ich eine Pflichtversicherung ein, weil sich 70 Prozent der Hauseigentümer nicht um einen Versicherungsschutz kümmern, obwohl 99 Prozent problemlos einen bekämen?" Der Manager lehnt das ab. Die Begründung: "Bei unserer knappen Kassenlage müsste der Staat eine Gebäudepflichtversicherungsbehörde gründen, die kontrollieren würde, ob der Hauseigentümer seiner Pflicht nachkommt, sich vor dem Hochwasser zu schützen. Das ist absurd."

Trotz knapper Kassenlage haben Bund und Länder immerhin acht Mrd. Euro geschultert und einen Fluthilfe-Fonds eingerichtet. Davon sind 1,5 Milliarden für Reparaturen an der bundeseigenen Infrastruktur vorgesehen, die restlichen 6,5 Milliarden Euro sind für Geschädigte der Hochwasserkatastrophe. Baden-Württemberg muss dafür 25 bis 27 Millionen Euro jährlich in den nächsten 20 Jahren aufwenden. Umgekehrt fließt nur 1,1 Prozent von den 6,5 Milliarden für Geschädigte ins Land zurück.

Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller hält es deshalb nötig, zu prüfen, ob eine Pflichtversicherung sinnvoll wäre und wie diese ausgestaltet sein müsste. Zudem sieht er den Hausbesitzer: "Leute, die sich versichern, haben Bürgersinn. Sie achten auf ihr Eigentum und liegen nicht der Gemeinschaft auf der Tasche".

Versicherung schätzt Defizit auf 600 Millionen Euro

Ob die Prämien nach dem Hagelschaden steigen, das mag Zehner nicht ausschließen. Man werde sich die Schadensentwicklung und die Prämien in der Gebäudeversicherung ansehen. Allein für den Hagel Ende Juli rechnet die SV als Marktführer mit einem Schaden in Höhe von 600 Millionen Euro, 111 Millionen Euro sind bereits an Kunden ausgezahlt. 200 Dachdecker aus dem Bundesgebiet sind für die Sparkassenversicherung im Einsatz. Der Versicherer hat mit den Dachdecker-Innungen in Baden-Württemberg, Thüringen und Hessen vereinbart, dass die Unternehmen im Ernstfall für die SV zu einem festen Preis arbeiten.

"Eigentlich fürchten wir jede Jahreszeit", räumt Zehner ein. "Probleme gibt es im Frühling, Sommer, Herbst und Winter." Viel deutet darauf hin, dass sich Unwetter in Zukunft häufen. Zehner meint, es gebe immer extremere Jahreszeiten. "Deshalb zahlen wir immer mehr Schäden aus Elementarereignissen. Das macht uns als größtem Gebäudeversicherer Sorgen."