Trigema-Chef Wolfganf Grupp: Der Werbebrief ist für mich eine Beleidigung Foto: Horst Haas

Mit einem neuen Gesetz wollte die Bundesregierung Firmen ermutigen, rechtzeitig Insolvenz anzumelden. Doch ein seltsames Angebot an Trigema-Chef Wolfgang Grupp zeigt, dass diese Regelung zum Missbrauch einlädt.

Stuttgart - Der Burladinger Textilhersteller Trigema ist für Banken kein interessanter Kunde: Das Unternehmen ist seit Jahrzehnten schuldenfrei, da ist mit Krediten nicht viel zu verdienen. Doch das scheint einem Rechtsanwalt, der eine Düsseldorfer Kanzlei in Stuttgart vertritt, entgangen zu sein. Er schickte dem Firmeninhaber Wolfgang Grupp einen Brief, in dem er auf die Vorteile hinwies, die das neue Insolvenzrecht für Unternehmen biete. Es gebe jetzt ein „bahnbrechendes und auf der Welt einmaliges Gesetz“. Dieses biete „Unternehmen, die sich zu einem möglichst frühen Zeitpunkt unter den Schutz des Insolvenzrechts stellen, eine Vielzahl von Sondervergünstigungen“.

Der Anwalt preist Leistungen aus öffentlichen Kassen an wie ein Sonderangebot. Bis zu drei Monate lang etwa würden Löhne und Gehälter „aus den Mitteln des Insolvenzgelds finanziert, das nicht oder nur zum geringen Teil zurückzuzahlen ist“, heißt es. Auch zeigten die Finanzierung des Verfahrens durch Insolvenzgeld, Nichtabführung von Steuern sowie die Nichtzahlung ungesicherter Altverbindlichkeiten „Effekte, die in der Regel eine Mittelzuführung überflüssig machen“, heißt es in dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt. Dabei sei es doch gerade in der Textilbranche schwierig, sich im Wettbewerb zu behaupten.

Auf Kosten der Allgemeinheit pleite gehen, um sich gegenüber ehrlichen Unternehmen Vorteile zu verschaffen? Da ist der Anwalt bei Grupp, der nur in Deutschland produziert und eine kerngesunde Firma führt, an den Falschen geraten. Es sei schon sehr weit gekommen, wenn eine Kanzlei damit werbe, dass man „sich indirekt über die Insolenz bereichern kann“, schreibt Trigema-Chef Grupp zurück. „Ich persönlich empfinde es als einen Affront bzw. eine Beleidigung, mich in dieser Form anzuschreiben“.

Das Vorgehen des Anwalt lässt auf Lücken im Gesetz schließen

Für Grupp kommt in dem Ansinnen des Anwalts aber auch ein Versagen des Gesetzgebers zum Ausdruck. „Die neue Eigeninsolvenz führt dazu, dass gescheiterte Manager nicht nur weitermachen können wie bisher, sondern sich auch noch wie die Könige aufführen können.“ Schließlich steht die Firma nach einer solchen Pleite wirtschaftlich besser da als davor. Dieses neue Recht, auf das sich auch der Anwalt beruft, zielt im Grunde darauf ab, die Hemmschwelle für einen Insolvenzantrag zu senken, damit Unternehmen eine Pleite nicht erst dann melden, wenn es für eine Rettung zu spät ist. Doch tatsächlich sei es geradezu eine Einladung zum Pleitemachen, sagt Grupp unserer Zeitung. Ein Maschinenbauer aus der Umgebung habe nach der Insolvenz stolz verkündet, 80 Millionen Euro Ballast abgeworfen zu haben. „Diesen angeblichen Ballast müssen dann die Steuerzahler, die Gläubiger und die Mitarbeiter mit ihrem Arbeitsplatz bezahlen“, sagt Grupp. Für ihn ist es unvorstellbar, dass ein Management, das eine Firma in die Pleite geführt hat, danach einfach weitermachen kann. „Wenn eine Firma pleite macht, hat das Management versagt und muss gehen.“

Grupp: Mittelständler tun das, was Konzerne ihnen vorleben

Juristen halten es allerdings für risikoreich, wenn auch nicht für unmöglich, Insolvenzen künstlich herbeizuführen. Denn Geld, das zur Bedienung von Schulden oder zur Bezahlung von Gehältern benötigt wird, kann nicht einfach beiseite geschafft werden, da der Insolvenzverwalter solche Transaktionen auf Jahre hinaus rückgängig machen kann. Dennoch gebe es Grauzonen – etwa bei Geschäften mit nahen Angehörigen, durch die bei geschickter Gestaltung von Vertrag und Konditionen Gelder womöglich ausgeschleust werden können.

Der Anwalt selbst erklärte unserer Zeitung, Grupp habe lediglich ein „allgemein gehaltenes Schreiben“ erhalten. Man habe auch in keiner Weise Tricks zur Übertragung von Vermögen an Familienmitglieder aufgezeigt. Oft könnten bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung die meisten Arbeitsplätze erhalten werden.

Für Grupp aber hat der lässige Umgang mit Firmenpleiten Methode. Die Mittelständler folgten letztlich dem Beispiel von Konzernen. „Eine Großfirma nach der anderen lagert ganze Geschäftsbereiche aus und lässt sie im Fall des Falles pleite gehen. „Das ist heute doch nur noch ein Kavaliersdelikt.“