Im Kreis war ein Wolf unterwegs. (Symbolfoto) Foto: © rafi – stock.adobe.com

Besorgnis, aber keine Hysterie: Reaktionen der Jäger und Bauern auf Nachweis über Risse.

Region - Wolfsnachweise in der Region: Die Ursache für Rotwildrisse bei Simmersfeld und Bad-Rippoldsau-Schapbach sind geklärt. Die Bauern- und Jägerschaft reagiert besorgt, aber kaum noch überrascht.

Die Rotwildrisse Ende November nördlich von Freudenstadt bei Simmersfeld und Anfang Dezember bei Bad Rippoldsau-Schapbach hat ein Wolf verursacht. Dies ergab eine im Auftrag des Umweltministeriums vorgenommene genetische Analyse von Proben. Der Riss bei Bad Rippoldsau-Schapbach geht auf das Konto des selben Wolfs, der am 26. November drei Schafe in der Nähe von Bad Wildbad gerissen hatte. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg geht derzeit davon aus, dass der selbe Wolf auch für den Rotwildriss bei Simmersfeld verantwortlich ist. Zu dem Riss eines Sikahirsches am 5. Dezember bei Bad Rippoldsau-Schapbach liegen noch keine Ergebnisse vor.

Es handle sich um ein männliches, voraussichtlich jüngeres Tier, sagte Johannes Erretkamps von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt. Es stamme wohl aus einem Rudel, das in der Nähe des niedersächsischen Schneverdingens lebt. Genetisch sei es zuvor nicht erfasst worden. Das Tier habe sich wohl auf Wanderschaft befunden, wie unter jungen Wölfen üblich.

Kreisjägermeister Herbert Ade aus Talheim sieht in den Wolfsnachweisen im Kreis Freudenstadt "keinen Anlass für Hysterie". Aber Ade wendet sich gegen die "Verniedlichung und Romantisierung des Wolfs". Derzeit hätten die Jäger nichts mit diesem zu tun, er falle nicht unter das Jagdgesetz, und die Landesregierung habe einen eigenen Wolfmanagement-Plan entwickelt. Die darin enthaltene "Willkommenskultur" sieht Ade allerdings mit großer Skepsis.

"Der Wolf wird hier bei uns sein", steht für den Kreisjägermeister fest, und er meint damit nicht den einzelnen Wolf, der gerade seine Spur im Nordschwarzwald hinterlässt. Das sei nur ein durchziehender Wolf: "Ob er ein Reh reißt oder nicht, spielt keine Rolle". Das Problem sei die Populationsdynamik. Derzeit gebe es in Deutschland etwa 700 Wölfe. In zehn Jahren könnten es bei den zu erwartenden Zuwachsraten schon 4000 sein. Der Wolf habe hier keine natürlichen Feinde – er könne sich ungebremst vermehren.

Nur noch Kulturlandschaft

Ade wehrt sich bei der Diskussion über den Wolf gegen die "Meinungsführerschaft von Naturromantikern": Es gebe hier keine unberührte Natur mehr, sondern allein Kulturlandschaft. Und deshalb auch keine Wildtiere mehr, sondern Tiere der Kulturlandschaft. Der "scheue Wolf", wie er gerne beschrieben werde, lebe vielleicht noch in Alaska. Der Wolf hierzulande gehe hingegen "zum Frühstück auf die Koppel, nicht in den Wald".

Laut Ade ist derzeit die Gleichbehandlung der Tiere nicht gegeben: "Das Rotwild ist im Knast, und der Wolf hat Freigang." Wenn es durch den Wolf immer mehr "massive Eingriffe in die Nutztierhaltung" und damit auch wirtschaftliche Schäden gebe, werde die Politik entscheiden müssen. Für den Kreisjägermeister steht jedenfalls fest: "Wir können das Raubtier nicht unkontrolliert in unserer Kulturlandschaft laufen lassen."

Zu Recht zurückgedrängt

"Wir brauchen den Wolf für nix, aber für gar nix", sagt Gerhard Fassnacht, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Freudenstadt. Der Wolf passe nicht in die hiesige Kulturlandschaft. Der Biber zerstöre Kulturlandschaften, Komorane erschwerten den Fischern das Leben, gegen Wildschweine lasse sich auch wenig tun – und jetzt komme noch der Wolf dazu. Der sei mit Fug und Recht früher zurückgedrängt worden. Er hoffe, so Fassnacht, dass dies in Zulkunft wieder möglich werde. Es brauche eine Neuausrichtung in der Umweltpolitik, fordert er. Schutzmaßnahmen seien nicht so einfach, wie immer dargestellt. Das sei nicht realistisch, sagt Fassnacht.

Es sei selbstverständlich, dass es Konflikte geben wird, betont Bernd Nonnenmacher, Leiter des Alternativen Wolf- und Bärenparks und "pro Wolf", wie er sagt. Klar sei, dass Nutztierhaltern geholfen werden müsse. Es brauche ein Wolfmanagement, das in allen Bundesländern einheitlich ist, fordert er.

Der Wolf werde sich auch im Ländle verbreiten, ist sich Nonnenmacher sicher. Die Politik sei in der Pflicht. Denn auf die Nutztierhalter kämen für den Herdenschutz große Kosten zu. Der sei notwendig, denn eine Schafherde sei für den Wolf wie ein "McDonald’s". Andererseits reiche das Angebot an Wild in den hiesigen Wäldern durchaus für den Wolf aus, sagt Nonnenmacher, der selbst Jäger ist. Vom Zurückdrängen des Wolfs hält er nichts. "Mit welchem Recht bestimmen wir, wer hier leben darf und wer nicht?", fragt er.

Verdacht nicht bestätigt

Am Samstag wurde dem Kreisforstamt Freudenstadt gemeldet, dass in Dornstetten ein einwöchiges Rinderkalb gerissen worden sei. Nach den ersten Untersuchungen vor Ort besteht allerdings kein Verdacht auf einen Wolf. Dies teilte das Kreisforstamt auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten mit. Eine "deutliche Fleischnutzung" an dem Kadaver liege zwar vor, aber wahrscheinlich durch den Fuchs. Gerissen wurde das Rinderkalb vermutlich nicht, sondern starb aus einem anderen Grund. Die genaue Todesursache soll diese Woche in der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg ermittelt werden, um die erste Beurteilung durch das Kreisforstamt abzusichern. In Besenfeld wurden im Wald in den vergangenen Tagen offenbar ebenfalls Teile eines gerissenen Tieres gefunden, wie unsere Zeitung erfuhr. Von diesem Fall war dem Kreisforstamt gestern aber noch nichts bekannt.