Wandern wird als Freizeitsport immer beliebter. Foto: dpa

150 zertifizierte Premiumwege locken in Schwarzwald oder auf Schwäbische Alb.

Region - Mittlerweile gibt es rund 150 zertifizierte Wanderstrecken in Baden-Württemberg – und es werden ständig mehr. Schwerpunkte sind die Schwäbische Alb und der Schwarzwald, während sich im Norden und am Bodensee noch große Lücken auftun.

Wer alle Premium- und Qualitätswanderwege in Baden-Württemberg begehen will, der sollte sich am besten das komplette kommende Jahr frei nehmen. Denn mittlerweile ist die Auswahl riesig: Im Südwesten haben schon rund 150 Touren die begehrte Auszeichnung erhalten. Darunter befinden sich auch etwa 30 Fernwanderwege mit bis zu 365 Kilometern Streckenlänge.

Wer solche zertifizierten Wege wählt, kann sicher sein, dass er vorwiegend auf naturnahen Pfaden wandelt, die Beschilderung vorzüglich ist und es unterwegs einiges zu erleben gibt. Mehrere Dutzend Kriterien müssen erfüllt sein, um das Prädikat zu erhalten. Petra Boschert von der Tourismus GmbH in Bad Peterstal-Griesbach, wo es gleich drei Premiumwege gibt, erklärt den Run so: "Wanderer brauchen nichts vorzubereiten, und sie können sich darauf verlassen, dass es eine schöne Tour wird." Liane Jordan vom Deutschen Wanderverband spricht von einem Rundum-Sorglospaket. Ihrer Ansicht nach sind die ausgezeichneten Touren ein solcher Erfolg, weil sie kleine Fluchten aus dem Alltag ermöglichen: "Man muss nicht extra in die Alpen fahren, um ein tolles Wandererlebnis zu erhalten."

Ein echtes Wanderparadies  ist etwa Baiersbronn. Die Tourismusdestination bietet mit dem Baiersbronner Wanderhimmel runf 550 Kilometer Wanderwege, 30 Prozent verlaufen auf naturbelassenen Pfaden.

In Deutschland gibt es zwei Einrichtungen, die auf Wunsch und Kosten von Kommunen, Landkreisen oder Wandervereinen Wege prüfen und ein Zertifikat ausstellen. Da sind zum einen die "Premiumwege" des Deutschen Wanderinstituts, einem Verein mit vielen Wanderexperten in Marburg. Und zum anderen die "Qualitätswege Wanderbares Deutschland" des Deutschen Wanderverbands; dahinter stehen 58 Vereine wie der Schwäbische Albverein oder der Schwarzwaldverein. In Baden-Württemberg haben die Premiumwege etwas die Nase vorn: Von ihnen gibt es rund 90 Stück. Von den Qualitätswegen gibt es rund 60. Sowohl das Wanderinstitut als auch der Wanderverband verzeichnen eine anhaltend hohe Nachfrage bei Wanderern wie Initiatoren.

Am dichtesten ist das Netz der Top-Touren auf der Schwäbischen Alb. Seit die Stadt Albstadt vor zehn Jahren mit ihren "Traufgängen" einen wahren Ansturm auslöste, haben viele andere Städte und Kreise nachgezogen: Die Stadt Bad Urach bietet fünf "Grafensteige" an, der Kreis Göppingen 15 "Löwenpfade". Jeder kocht auf der Alb aber noch sein eigenes Süppchen. Im Schwarzwald gelang es dagegen, 44 Premiumwege unter einem einzigen Label zusammenzufassen: Die "Genießerpfade" verteilen sich von Gernsbach im Norden bis Todtmoos im Süden. Die einheitliche Etikettierung war machbar, weil sich 71 Kommunen vor langer Zeit in einer AG Wandern zusammengeschlossen haben und versuchen, an einem Strang zu ziehen, erklärt Wolfgang Weiler von der Schwarzwald Tourismus GmbH.

Im Tourismus-Portfolio des Schwarzwalds seien die Genießerpfade "extrem wichtig", betont Weiler. So gäben bei Befragungen 60 Prozent der Menschen an, wegen des Wanderns in den Schwarzwald zu reisen. Umgekehrt könnte dies erklären, weshalb die Top-Touren etwa am Bodensee, in Oberschwaben oder im Allgäu noch dünn gesät sind. Dort setze man eher auf Gesundheit oder Kultur, mutmaßt Jochen Becker vom Deutschen Wanderinstitut.

Genaue Umsatzzahlen geben die Wander-Kommunen indes nicht heraus, falls es sie denn gibt. Alle betonen jedenfalls, dass sich die Einrichtung der Wege gelohnt habe. Das Interesse sei auch nach mehreren Jahren nahezu ungebrochen, die Zahl an Wanderern nehme eher zu, sagt Petra Boschert aus Bad Peterstal: "Gaststätten, Hotels und Einzelhandel berichten von höheren Umsätzen."

Martin Roscher von der Stadt Albstadt stellt fest, dass die Gewerbesteuer aus der Gastronomie exorbitant gestiegen sei; die Zahl der Ferienwohnungen sei seit 2009 von 25 auf 90 Stück geklettert. Für Roscher ist aber fast genauso wichtig, dass die "Traufgänge" identitätsstiftend wirkten für Albstadt und die Albstädter: Früher war man vor allem Textilstadt, inzwischen will man zur Outdoor-Hauptstadt auf der Schwäbischen Alb werden.

Dabei sind die Kosten für die Kommunen und Landkreise nicht gering. Die Zertifizierung selbst ist mit 900 bis 1400 Euro günstig – die Ausgaben für die Beschilderung, das Herrichten der Wege und für Sitzbänke und Liegen können aber schnell einen fünfstelligen Betrag verschlingen.