Martina Traut läuft als Generalprotektorin zur Hochform auf. Foto: Susanne Grimm/Susanne Grimm

Ist die Menschheit nicht lernfähig? Oder warum macht sie immer wieder dieselben Fehler? Was passiert mit dem kleinen Rest, der die globale Katastrophe überlebt hat? Diese grundlegenden Fragen hat das achte Sommertheater in Stetten zum Thema.

Mit stehendem Applaus haben knapp 600 Zuschauer bei der Premiere des Stücks „Zukunftsmusik“ von Jeremias Heppeler – der junge Autor stammt aus der Region – die Umsetzung der schwierigen Frage in ein unterhaltsames und gleichzeitig bedrückendes Theaterstücks honoriert.

Große Erwartungen werden erfüllt

Die Erwartung der treuen Fans des Stettener Sommertheaters war groß, zumal die Inszenierung von Stefan Hallmayer, Intendant des Theaters Lindenhof Melchingen, erstmals nicht historische Stettener Ereignisse, sondern die Zukunft zum Thema machte. Rund 150 Stettener von sechs Jahren aufwärts zeigten, wie 200 Jahre nach den Untergang der Zivilisationen der Rest der Menschheit dort, wo einst Stetten am kalten Markt stand, überlebt.

„Überleben“ ist das Stichwort, denn das streng hierarchisch gegliederte Gesellschaftssystem erlaubt nichts, was das Leben bereichert. Hintergrund ist die traumatische Erfahrung, dass Wohlstand, Überfluss, Digitalisierung, Machtbestreben, persönliche Bereicherung, gnadenlose Ausbeutung der Natur und die unaufhaltsame Technisierung zum Untergang der Zivilisationen beigetragen hat. Nur ein Prozent hat in der Enklave „Kalter Markt“ überlebt.

Sogar Waschmaschinen sind verboten

Um die selben Fehler nicht zu wiederholen, ist nicht nur jede Technik verboten, ja sie ist sogar größtenteils unbekannt. Auch Kreativität, Spielen, Singen, Witze erzählen, Lesen, Lernen ist nicht erlaubt. Die herrschende militärische Führungsriege bestimmt, wie die Menschen zu leben haben, was sie wissen dürfen. Das dass auf Dauer nicht funktioniert, ist abzusehen, denn wie in jeder Diktatur gibt es Menschen, die hinterfragen, der Doktrin nicht willenlos folgen wollen – eine Opposition bildet sich.

Den Funken zündet eine Frau

Kreszentia Anger (Christine Unger) ist die erste Kritikerin der herrschenden Kaste. Der von ihr entfachte Funke springt auf eine Gruppe Jugendlicher über, die sich heimlich treffen und die restriktiven Regeln nicht akzeptieren. Rosa Schmied (beeindruckend: Annika Gscheidle), Tochter von Leif Schmied, einem ehemaligen Rebellen, der zum Traditionalisten zurechtgestutzt wurde, führt die Jugendbande an, die den Umsturz herbeiführt.

Die Geschichte beginnt mit der Klimakrise, den aktuellen Kriegen und Unruhen, und führt über den Zusammenbruch zur Diktatur – im Glauben, die Menschen vor erneuten Gefahren zu schützen. Die Einengung sucht Befreiung durch Rebellion und Aufstand. Die Gefahr: Abrutschen ins andere Extrem. „Es muss doch einen Mittelweg geben“, forderte der Chor der Waschfrauen, die von Hand im Zuber waschen müssen.

Der Quotenmann am Waschzuber

Dabei haben die Waschfrauen und ein Waschmann – Felix Graf als Quotenmann – davon gehört, dass es mal Waschmaschinen gab, was zu wissen und gar zu fordern mit Zuchthaus bestraft wird – im Rathausgebäude landen viele. Anführerin der Uniformierten ist die kompromisslose Generalprotektorin (köstlich: Martina Traut). Thomas Unger als stiefelleckender „Major für kulturelle Umsicht“ begeistert ebenso wie Marius Graf als Narrenlehrling, der die universelle Körpersprache spricht.

Das vielschichtige Stück hat – Tradition beim Sommertheater – für alle Spielwilligen eine Rolle. Die Kinder haben herzerfrischende Auftritte als Bienenschwarm oder entzückende Pilze, die im Wald über die seltsame Spezies Mensch reden. In Schülergruppe beeindrucken ebenfalls kindliche Akteure mit mimischem Talent. Das Stück gibt der Hoffnung Raum, dass Leben in Frieden und Freiheit ohne Ausbeutung und Vernichtung der Erde möglich ist.

Viele weitere Fotos unter www.schwarzwaelder-bote.de