Insgesamt neun Gebäude durchsucht die Bundespolizei in Baden-Württemberg. Foto: dpa

1500 Polizisten durchsuchen deutschlandweit Bordelle und Massage-Studios. Keine Beanstandungen in Offenburg.

Rastatt/Offenburg - "Kim’s Asia 69" gehört zu jenen Etablissements, die sehr viel Wert auf Diskretion legen. Das halbe Dutzend Polizeiwagen, das am Mittwoch um 6 Uhr vor dem unscheinbaren Gebäude in der Augustastraße 62 in Rastatt vorfährt, ist für das Gewerbe eher lusttötend. Der Betreiber des Bordells direkt hinter dem Fluss Murg im Westen der 50.000-Einwohner-Stadt, wirbt mit 24-Stunden-Service und "heißer Thai Erotik". An diesem schönen Frühlingstag ist allerdings nichts mit "erotischen Abenteuern" und "prickelnden Stunden". Vermummte Bundespolizisten durchsuchen bundesweit im Rahmen der Großrazzia gegen ein Schleuser- und Zuhälternetzwerk auch die Räumlichkeiten im badischen Rastatt.

Mehr als 1500 Beamte durchforsten ab 6 Uhr zeitgleich 62 Bordelle, Massage-Studios, Büros und Wohnungen in zwölf Bundesländern, wie die Bundespolizei in Potsdam mitteilt. Dabei vollstrecken die Beamten sieben Haftbefehle. In Rastatt werden sechs thailändische Prostituierte vorläufig festgenommen. Eine siebte Frau, die per Haftbefehl gesucht wird, geht den Fahndern ebenfalls ins Netz.

Der Großeinsatz richtet sich gegen Schleusung, Zwangsprostitution und Vorenthaltung von Löhnen sowie Steuerhinterziehung. Laut Bundespolizei handelt es sich um die "größte Zugriffs- und Durchsuchungsmaßnahme seit Bestehen der Bundespolizei". In insgesamt neun Gebäuden in Baden-Württemberg finden Polizei-Durchsuchungen statt, darunter in Rastatt, Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim, Bruchsal und Offenburg, wie ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Stuttgart erklärt.

Entwarnung in Offenburg

Die Durchsuchung eines Rotlichtbetriebs in Offenburg hat keine Beanstandungen zutage gebracht, berichtet Pressesprecherin Carolin Dittrich von der Bundespolizei in Offenburg. Die dort angetroffenen Mitarbeiterinnen – aus Thailand sowie aus anderen Ländern – hätten allesamt legale Dokumente vorgelegt: "Es war aus unserer Sicht alles in Ordnung." Das Unternehmen im Norden der Stadt sei im Zuge der bundesweiten Ermittlung aufgetaucht und daher Ziel der Beamten gewesen. Da die Prüfung keine konkreten Verdachtsmomente erhärtet habe, sei es auch zu keinen weiteren Maßnahmen gekommen. "Der Betrieb konnte weitergehen", erklärte Dittrich lapidar.

Die Betroffenen anderer Städte hätten zumeist in Wohnungsbordellen – beispielsweise in Gewerbegebieten oder im ländlichen Raum – gearbeitet, sagte ein Sprecher der Ermittler. Die mutmaßlichen Täter hätten auf diese Weise ein spezielles Segment im Rotlichtmilieu besetzen wollen.

Schwerpunkt NRW

Hauptbeschuldigte sind nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt eine 59-jährige thailändische Staatsangehörige und ihr 62-jähriger deutscher Lebensgefährte. Beide werden in ihrem Wohnhaus in der Eisfelder Straße im nordrhein-westfälischen Siegen festgenommen. Ein Polizeisprecher vor Ort erklärt zum Einsatz der Spezialeinheit GSG 9, dass "bei diesem szenetypischen Milieu immer auch mit Waffen und Gegenwehr gerechnet werden muss". Es habe aber keine Zwischenfälle gegeben. "Der Einsatz ist ruhig verlaufen." Allein in Siegen seien zwei Haftbefehle vollstreckt und acht Menschen vorläufig festgenommen worden. "Aber es werden noch mehr werden", prophezeit der Sprecher.

Schwerpunkt der Razzia ist Nordrhein-Westfalen. Den beiden Hauptverdächtigen wird vorgeworfen, seit 2006 gemeinsam mit weiteren Mittätern ein bundesweites Netzwerk aufgebaut zu haben, das thailändische Frauen und Transsexuelle per Flugzeug nach Deutschland brachte, damit sie sich hier prostituieren. Ihnen seien bei einer Tätigkeit in Deutschland Gewinnversprechen gemacht worden; profitiert hätten dann aber vor allem die Drahtzieher. "Den Zweck hat man nicht verheimlicht, sie sind aber über die Konditionen getäuscht worden", sagt ein Behördensprecher.

Zum Kern der Gruppierung gehören demnach 17 Beschuldigte deutscher und thailändischer Nationalität. Die mutmaßlichen Täter haben nach bisherigen Ermittlungen einen siebenstelligen Betrag eingenommen. Die hauptbeschuldigte 59-Jährige soll in Thailand mit unbekannten Komplizen gezielt Frauen und Transsexuelle angeworben und mit Touristenvisa nach Deutschland gebracht haben.

Danach mussten die Betroffenen zunächst überwiegend in drei Bordellen der Beschuldigten in Siegen arbeiten. Sie sollten nach Erkenntnissen der Behörden auf diese Weise vermeintliche Schulden für die Schleusung in Höhe von 16 000 bis 36 000 Euro sowie die Kosten für "Miete" und Verpflegung abarbeiten. Nach einer gewissen Verweildauer in den Siegener Bordellbetrieben sollen die Betroffenen "in einer Art Rotationsprinzip" in andere Bordelle gebracht worden sein, unter anderem in Maintal, Rastatt, Speyer, Saarbrücken, Rodgau und Gießen.

Die Polizei hat bislang 32 betroffene Frauen und Transsexuelle ermitteln können. Neben den beiden in Siegen festgenommen Hauptverdächtigen wurden fünf weitere Beschuldigte in Eschborn, Maintal, Rastatt und Saarbrücken verhaftet. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich insgesamt gegen 56 Beschuldigte – 41 Frauen und 15 Männer – im Alter zwischen 26 und 66 Jahren. Durchsucht wurden unter anderem 17 Objekte in Nordrhein-Westfalen, 10 in Hessen sowie je 9 in Niedersachsen und Baden-Württemberg.

Seehofer zufrieden

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zeigt sich zufrieden. Der Bundespolizei sei "ein harter und in seinem Ausmaß beispielloser Schlag gegen ein bundesweit verzweigtes Netzwerk der organisierten Kriminalität gelungen", erklärt der CSU-Politiker. Dem "skrupellosen Vorgehen und der sexuellen Ausbeutung in einem abscheulichen Ausmaß" habe mit der Polizeiaktion am Mittwoch ein Ende gesetzt werden können.

Der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dieter Romann, betonte, es gehe "den Kriminellen nicht um humanitäre Fluchthilfe, sondern um persönliche Bereicherung in Form menschenverachtender Ausbeutung". "Erneut zeigt sich: Organisierte Schleusungskriminalität ist häufig erst der Anfang für weitere Verbrechen."