Straßenschlacht in Charlotte nach Polizeigewalt gegen Schwarze. Foto: AFP

Nach dem schmutzigsten Wahlkampf in der Geschichte der USA wird das Land auf lange Zeit mit sich selbst beschäftigt sein. Weder für die Amerikaner selbst, noch für den Rest der Welt sind das gute Aussichten.

Washington - Unabhängig davon, wer die Präsidentschaftswahl für sich entscheidet – die Vereinigten Staaten haben tiefgreifende innen- und außenpolitische Probleme. Sie beginnen beim eskalierenden Rassismus im Land und reichen bis zum zerrütteten Verhältnis zu Russland.

Systemfrage: Die USA ein Königreich?

Nikolai Tolstoy, ein britisch-russischer Historiker und Kanzler der sogenannten Internationalen Monarchisten-Liga, hat den Amerikanern geraten, ihr Land in eine konstitutionelle Monarchie umzuwandeln. Ein König an der Spitze des Staates könnte für neuen Schwung in einem politischem System sorgen, das spätestens seit dem Amtsantritt von Barack Obama im Jahr 2009 mit Lähmungserscheinungen zu kämpfen hat.

Der Vorschlag Tolstoys klingt für Amerikaner absurd, hat aber einen gewissen Reiz. Zwar gibt es eine Vielzahl von Parteien in den USA, faktisch aber wird der Staat von nur zwei Parteien – den Demokraten und den Republikanern – beherrscht. Auf dem Papier soll das Zusammenspiel von Präsident, Parlament, Oberstem Gerichtshof und den Bundesstaaten zwar für eine gegenseitige Kontrolle sorgen und damit zu einem Gleichgewicht der Kräfte führen. Doch dieses System funktioniert in der US-Wirklichkeit nicht mehr, weil sich die Protagonisten nicht an die Spielregeln halten.

Zu sehr sind Republikaner und Demokraten zerstritten und auf den eigenen Vorteil bedacht, zu wenig denken sie an das Gemeinwohl. Das hat zu einer tiefen Spaltung in der Gesellschaft geführt. Es muss ja nicht gleich ein König sein, eine ernsthafte Debatte über die Nachteile des Zweiparteien-Systems wäre schon ein Anfang.

Rassismus ohne Ende

Als Barack Obama, der erste schwarze Präsident, sein Amt antrat, war die Hoffnung groß, er werde die Spannungen zwischen Weißen und Afro-Amerikanern lockern können. Das Gegenteil ist eingetreten. Tödliche Polizeieinsätze gegen Schwarze sind inzwischen fast an der Tagesordnung, ebenso Gewalt gegen Polizisten. Das Justizsystem, das Schwarze eklatant benachteiligt, ist nicht reformiert worden. Die wirtschaftliche Lage vieler Afro-Amerikaner hat sich nicht verbessert.

Ungeliebte Krankenversicherung

Die Einführung von „Obamacare“ war ein historisches Ereignis. Mittlerweile haben mehr als 20 Millionen Amerikaner, die bislang jede Arztrechnung aus eigener Tasche bezahlen mussten, zum ersten Mal in ihrem Leben eine Krankenversicherung. Doch Obamas Vorzeigeprojekt ist einer der härtesten Streitpunkte zwischen den Parteien und wird es bleiben. Weil die Beiträge im kommenden Jahren für manche Versicherten um mehr als 25 Prozentpunkte ansteigen sollen, sehnen sich viele Amerikaner nach der alten, versicherungslosen Zeit zurück.

Das Ende des amerikanischen Traums

Ungleichheit zwischen Arm und Reich

2009 steckten die USA in der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise seit der Großen Depression in den 30er Jahren. Obama hat es mit Konjunkturprogrammen und staatlichen Beihilfen für Banken und Unternehmen vermocht, das Schlimmste abzuwenden. Die Arbeitslosenquote von damals zehn Prozent ist auf heute 4,9 Prozent gefallen. Doch viele Arbeitssuchende tauchen nicht in den Statistiken auf. Auch die Einkommensschere zwischen der Mittelschicht und den Reichen im Land geht immer weiter auseinander. Der „American Dream“, also die Chance, es aus eigener Kraft zu etwas zu bringen, ist für immer weniger Amerikaner erreichbar. Das ist ein Grund, warum Populisten wie Donald Trump und – in abgeschwächter Form – auch Bernie Sanders im Wahlkampf so viel Zulauf hatten.

Kriege in Syrien und im Irak

Luftschläge und der Einsatz von US-Militärberatern haben dem sogenannten „Islamischen Staat“ im Irak und in Syrien zugesetzt, die Dschihadisten-Miliz aber nicht aus der Welt geschafft. Weitgehend erfolglos sind auch alle Bemühungen geblieben, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden oder wenigstens einzudämmen. In Washington wird deshalb ein stärkeres militärisches Engagement der USA debattiert. Eine Lösung des Konflikts ist in weite Ferne gerückt. Obamas Außenminister John Kerry hat inzwischen seine Versuche, eine Zweistaaten-Lösung zu vermitteln, weitgehend eingestellt. Erst vor ein paar Wochen hat die US-Regierung beschlossen, Israel mit Waffen und Gerät im Wert von 40 Milliarden US-Dollar beizuspringen.

Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern

Die Rolle Chinas

Das bevölkerungsreichste Land der Erde will anstelle der USA die Rolle eines regionalen Hegemons in Asien übernehmen. Ein Konflikt schwelt, weil Peking die Kontrolle über das Südchinesische Meer übernehmen will, was Washington als Gefahr für die Freiheit des Seehandels betrachtet. Erschwerend kommt hinzu: China ist größter Gläubiger der USA und ein wichtiger Markt für US-Produkte. Die USA haben bislang keine Erfolg versprechende Idee, wie Nordkorea von seinen Atomwaffen-Plänen abzubringen wäre. Das zweite Problem: Das Land droht immer wieder, Südkorea militärisch zu attackieren. Die Schutzmacht USA könnte schnell in eine Konfrontation hinein gezogen werden.

Gefahr aus Nordkorea

Zerrüttetes Verhältnis zu Russland

Das Verhältnis der USA zur einstigen Supermacht ist völlig zerrüttet. Auf die aggressive Ukraine-Politik Moskaus hat Washington bislang keine Antwort gefunden. In der Syrien-Frage stehen sich die USA und Russland unversöhnlich gegenüber. Die neue US-Regierung wird alles daran setzen müssen, den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu zu bewegen, seine Sticheleien aufzugeben und zu einer zivilen Form der Kommunikation zurückzukehren. Als die fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat und Deutschland mit dem Iran über ein Atom-Abkommen verhandelten, ging es doch auch.