Bilder, die Domenic Weinstein nie mehr vergessen wird: Der Unterbaldinger bereitet sich auf das Finale vor, in dem nach rund zwei Kilometern den Turbo einlegt. Nach 4:13,363 Minuten feiert Weinstein seinen ersten EM-Titel. Wenig später präsentiert er in Glasgow die Goldmedaille (von oben im Uhrzeigersinn). Fotos: Jane Barlow Foto: Schwarzwälder Bote

Radsport: Unterbaldinger kehrt mit der Goldmedaille im Gepäck von der Bahnrad-EM aus Glasgow zurück

Als Domenic Weinstein am Montag in seinem Hotelbett in Glasgow aufwachte, hatte er noch das Trikot vom Vortag an. Es ist das Europameister-Jersey, das er am Vorabend nach seinem Sieg in der Einerverfolgung überstreifen durfte.

Er schrie seine Anspannung und die Freude einfach heraus. Als Domenic Weinstein am Sonntagabend um 20.26 Uhr deutscher Zeit über die Ziellinie des Sir-Chris-Hoy-Velodrome in Glasgow gerast kam und die Arme bei mehr als 50 Stundenkilometern in die Höhe riss, fiel eine Last von ihm ab. "Es hat sich alles ausgezahlt", erklärte er direkt nach dem Sieg. "Ich bin überwältigt und weiß noch nicht richtig, was ich sagen soll." In einer Zeit von 4:13,363 Minuten hatte sich der Unterbaldinger den Bahnrad-Europameistertitel in der Einerverfolgung gesichert.

Eigentlich war Domenic Weinstein der perfekte Lauf ja schon in der Qualifikation gelungen. In deutscher Rekordzeit von 4:13,073 Minuten heizte der 23-jährige Unterbaldinger bereits am Sonntagvormittag bei den "European Championships" ins Finale – schneller war schon da keiner der Konkurrenten. "Ich dachte, ich segle davon. Es lief perfekt. Das war ein optimaler Lauf", sagte er über seine Rekord-Fahrt. "Ich konnte die Gegner damit ein bisschen unter Druck setzen, weil ich im Finallauf eigentlich immer die gleiche Zeit noch einmal fahren kann. Das können viele nicht."

Dass diese Zeit also keine Eintagsfliege war, stellte er im Finale gegen den Portugiesen Ivo Oliveira klar. Und dabei blieb Weinstein seiner Linie treu: "Ich habe mich am Anfang nur auf mich und meine Zeit konzentriert", betont er. Dass er zur Halbzeit minimalen Rückstand hatte, wusste er nicht. 0,333 Sekunden galt es auf der zweiten Hälfte aufzuholen. Und tatsächlich zündete der 23-Jährige – wie er es auf dem dritten Kilometer meist tut – den Turbo und setzte all seine Kräfte frei.

Bereits zweieinhalb Runden später, nach 2375 Metern, lag Weinstein knapp in Führung. Drei Runden darauf hatte er sich eine halbe Sekunde Vorsprung herausgefahren. Am Ende sollten es gut zwei Sekunden sein. "Drei Runden vor Schluss habe ich zum ersten Mal geschaut, wo Ivo ist. Da habe ich ihn ein Stück weiter hinten gesehen", so der Unterbaldinger. Zu diesem Zeitpunkt war ihm klar, was wenige Sekunden später durch die Lautsprecher des Velodromes dröhnen sollte: Weinstein hat sich seine erste internationale Goldmedaille bei den Männern gesichert – und das in überlegener Manier.

Und die Medaille selbst? Sie ist schlicht, golden und dreieckig – und seit Sonntagabend wohl der größte Schatz in Domenic Weinsteins Sammlung. EM-Silber und -Bronze hängen dort schon aus vergangenen Jahren, nun ist der Satz komplett. Nachdem er bei der Siegerehrung das Meistertrikot übergezogen und die Hymne gesungen hatte, hielt der 23-Jährige seine goldene Plakette und küsste die Sterne auf seinem neuen Shirt. Domenic Weinstein ist stolz – und darf das auch sein. "Hier waren die besten vier Fahrer der Weltmeisterschaft am Start", betonte er. "Dass ich dann doch mit klarem Vorsprung gewonnen habe, hat einen Riesen-Stellenwert für mich."

Stolz war man zeitgleich auch in Unterbaldingen, wo Weinsteins Familie und Freunde gemeinsam vor dem Bildschirm saßen. "Domenic hat brutal hart trainiert, ist dieses Jahr in der Vorbereitung körperlich wirklich an Grenzen gestoßen. Nun zu sehen, dass diese Vorbereitung – auch in dieser Intensität – richtig war und angeschlagen hat, ist eine riesige Bestätigung. Das gibt sicherlich der ganzen Mannschaft einen Schub", betont Domenics Vater Heinrich Weinstein.

Am Dienstag wird der 23-Jährige die Heimreise antreten. "Wir werden ihn erst einmal im Kreis der Familie empfangen. Am Freitag fährt er dann für eine Woche nach Italien in den Urlaub."

Dort wird der neue Europameister, der sich den Sprung nach ganz vorne so sehr herbeigesehnt hat, etwas zur Ruhe kommen – und die Eindrücke, die ihn am Sonntag sichtlich überwältigt haben, verarbeiten.

  Eckdaten

Geboren: 27. August 1994

in Villingen-Schwenningen.

Größe: 1,88 Meter.

Gewicht: 83 Kilogramm.

Team: Heizomat – rad-net.de.

Beruf: Sportsoldat.

  Größte Erfolge

Olympische Spiele: 2016: 5. 2016 in Rio de Janeiro (Mannschaftsverfolgung).

Weltmeisterschaften: 2015: 4. Platz (Mannschaftsverfolgung), 2016: Silber (Einzel-verfolgung), 2016: 6. (Mannschaftsverfolgung), 2016: 9. (Madison).

Europameisterschaften: 2018: Gold (Einerverfolgung). 2018: 4. (Mannschaftsverfolgung), 2017: Bronze (Einerverfolgung), 2017: 4. (Mannschaftsverfolgung), 2015: Silber (Einerverfolgung), 2015: 5. (Mannschaftsverfolgung).