Auch in Namibia gibt es für Trialer gute Hindernisse. Foto: Privat

Radsport: Heiko Lehmann hat mit seinem treuen Begleiter bereits mehr als 20 Länder und vier Kontinente bereist.

Heiko Lehmann ist in der Welt schon viel herumgekommen. Mit seinen 27 Jahren hat er bereits mehr als 21 Länder bereist auf vier Kontinenten. Sein dabei treuester Begleiter hat zwei Räder, einen Lenker, aber keinen Sattel. Der würde nur stören. Heiko Lehmann kommt aus Oberjettingen und ist Trial-Fahrer beim MSC Falke Sulz, der erfolgreichste des Vereins.

Erst vor ein paar Tagen kam er aus China zurück. Dort belegte er bei der Trial-Weltmeisterschaft in Chengdu den 22. Platz. Bei der EM, die in diesem Jahr in Moudon in der Schweiz stattgefunden hatte, war es der 27. Platz. Es waren seine jeweils siebten Teilnahmen an Welt- und Europameisterschaften – und wahrscheinlich vorerst die letzten. An ein Karriereende denkt Heiko Lehmann zwar noch nicht, den ganz großen Stress will er sich jedoch auch nicht mehr geben. "Man wird halt älter", sagt er.

Die Zeit, die er während des Studiums auf dem Rad verbracht hat, verbringt er nun im Büro

Seit dem vergangenen Jahr ist der 27-Jährige im Berufsleben angekommen. Er arbeitet als Ingenieur bei einem Automobil-Zulieferer in Sindelfingen. Die Zeit, von der er während seines Studiums und der Schulzeit viel auf dem Fahrrad verbracht hat, verbringt er nun im Büro. An eine Profi-Karriere ist in seiner Randsportart nach wie vor nicht zu denken. "Das gibt es zwar dank Social Media und Sponsoren inzwischen, doch dafür hat mich die Weltspitze inzwischen viel zu weit abgehängt", erklärt er. "Dazu müsste ich meinen Job kündigen, nach Frankreich oder Spanien ziehen, wo die großen Märkte sind, und vier, fünf Jahre reinhauen, um in die Top-Ten der Weltrangliste zu kommen."

Dort war Lehmann in seiner Karriere bereits angekommen. Das war 2013, sein insgesamt erfolgreichstes Jahr. Doch in den letzten fünf Jahren sei das internationale Niveau extrem angestiegen. "Der Unterschied zwischen denen, die einfach nur mitfahren, und denen, die Wettkämpfe gewinnen können, ist gewaltig angestiegen. Da kannst du als Hobbyfahrer nicht mehr mithalten." Seinen größten Einzelerfolg erlebte er bereits vier Jahre zuvor, als er Siebter bei der Junioren-WM in Australien wurde. Dabei hatte er erst ein Jahr zuvor seinen ersten internationalen Wettkampf bestritten.

Ganz möchte er sein Hobby nicht aufgeben, die Intensität jedoch etwas zurückfahren. Er wird von Zeit zu Zeit weiter an den World Cups teilnehmen. Die lassen sich nämlich ganz gut mit seinem neuen Ziel verbinden. So viel wie möglich von der Welt zu sehen. "Ich will am liebsten alle Länder sehen und den ganzen Reisepass vollmachen." Dabei zieht es ihn häufig auch in exotische Länder.

In Oberjettingen kennt den Typen, der mit seinem Fahrrad über den Marktplatz hüpft, jeder

Auch in diesem Jahr hat er mit seinem Fahrrad schon wieder so einige Abenteuer erlebt. Bevor er Anfang November nach China ging, bereisten sie Namibia. "Das war schon richtig krass. Da prallen zwei Welten aufeinander", schildert er. "In Namibia begegnest du Menschen mit Eselkärren, dann Chengdu. Eine Stadt mit hundert Meter hohen Gebäuden, die fünfmal so viele Einwohner hat wie ganz Namibia."

In Oberjettingen kennt den 27-Jährigen jeder. In seinem Heimatort hat jeder den Typen, der mit seinem Fahrrad auf dem Marktplatz rumhüpft, schon mindestens einmal gesehen. "Das war früher. Das kann ich heute nicht mehr machen", sagt er und lacht. "Der wurde ja erst kürzlich neu gestaltet. Wenn da was kaputtgeht oder irgendwo Fahrradspuren sind, heißt es gleich: Das war der Lehmann!" An der alten Mauer zwischen Schule, Kirche und altem Rathaus hatte das niemanden interessiert. "Es gibt jetzt eigentlich auch keine geeigneten Hindernisse mehr. Da kann man gar nicht mehr fahren", sagt er. "Außerdem ist der Reiz dazu auch weg." Früher, als er noch Minderjährig war und keinen Führerschein hatte, gab es auch keine andere Möglichkeit. "Ich kann mich heute ja einfach ins Auto setzen und nach Sulz fahren, um zu trainieren."

Im Längenloch hat 2004 alles angefangen. "In den Sommerferien vor meinem 13. Geburtstag habe ich das erste Trialrad bekommen", erinnert er sich. "Ich habe damals aufgehört, Schlagzeug zu spielen, und war auf der Suche nach einem neuen Hobby." Und Fahrradfahren mochte er schon immer. Also hat er geschaut, was es da für Möglichkeiten gibt. "Mein Nachbar, Arnd Röhm, war früher der erfolgreichste Fahrer beim MSC. Mit ihm hab ich mir das mal angeschaut und bin dann dabeigeblieben."

Trial wird überall gefahren, wo es möglich ist. In seiner Anfangszeit fuhr Heiko Lehmann im eigenen Garten, im Längenloch oder eben auf dem Jettinger Marktplatz. Inzwischen hat es ihn auch deshalb in die ganze Welt gezogen. "Das ist der Reiz. In jeder Stadt und in der Natur gibt es geeignete Hindernisse. Ich kann mir überall etwas suchen, das ich überspringen kann." Es ist wie ein Videospiel, in dem man von Level zu Level springt, "aber man ist nie damit fertig". Es gibt keinen Endgegner. Früher waren es die Europaletten im heimischen Garten, heute sind es Felsen in Australien oder Namibia. Dass es irgendwo auf der Welt mal Ärger deshalb gegeben hätte, kann er sich nicht erinnern. "Außer einmal", sagt er. Ausgerechnet in Stuttgart. "Wir sind auf dem Schlossplatz ein bisschen rumgefahren. Dann kam die Polizei und hat uns weggeschickt."

Mögliche neue Level hat der 27-Jährige bereits ins Auge gefasst. "Da haben wir bei der WM erst darüber gesprochen. Chile wäre cool. Kanada auch, weil dort die Natur perfekt zum Fahren wäre." Und, weil ihm die beiden amerikanischen Kontinente auf seiner langen Liste noch fehlen. "Aber hauptsächlich, weil es dort auch ein paar Fahrer gibt." Die Trialer auf der Welt sind wie eine kleine Familie. "Ich wurde in Asien oder Australien von anderen Fahrern aufgenommen, die kannten mich maximal von einem Foto oder aus einem Video", erzählt er. "Die haben mich dann zu sich nach Hause zum Essen oder Übernachten eingeladen." Und natürlich, um gemeinsam eine Runde zu fahren.