Die muslimische Jugend putzt nach Silvester. Foto: LG/Julian Rettig

Ausgebrannte Feuerwerksbatterien, verglühte Vulkane oder zerfetzte Böller – die Rückstände der Silvesternacht sind am Neujahrsmorgen allgegenwärtig. Auf der Haußmannstraße ist am Sonntag eine ganz besondere Putzkolonne angerückt.

Stuttgart - Ausgebrannte Feuerwerksbatterien, verglühte Vulkane, Scherben oder die Überreste zerfetzter Böller – die Rückstände der Silvesternacht sind am Neujahrsmorgen allgegenwärtig. Selten werden sie von den Verursachern beseitigt. Noch seltener rücken ehrenamtliche Helfer aus, um die Wege zu säubern. In der Haußmannstraße sind bereits um 8 Uhr rund 40 Freiwillige mit Besen und Müllgreifern unterwegs. Dutzende blauer Säcke säumen die Promenade mit Blick ins Tal, an der traditionell gerne geböllert wird, und füllen sich langsam mit Unrat. „Das ist unser Beitrag zum Gemeinwohl“, erklärt Kamal Ahmad (38), Sprecher der Ahmadiyya Muslim Jamaat Gemeinde in Bad Cannstatt. „Wir wollen das neue Jahr nicht nur mit guten Vorsätzen beginnen, sondern mit einer guten Tat.“ Der Einsatz der Helfer ist Teil einer bundesweiten Aufräumaktion an der rund 6500 vorwiegend junge Muslime teilnehmen. In Stuttgart haben sich auch Flüchtlinge eingereiht.

Anwohner bedanken sich mit kleinen Geschenken

„Ich habe schon drei Tüten vollgepackt“, verkündet Ayaan stolz und stärkt sich mit einem Schluck Tee aus der Thermoskanne. Der Siebenjährige mit der Spiderman-Mütze ist das Küken der Putzkolonne. Der Senior ist 63 und erinnert sich noch an die ersten öffentlichen Aktionen der Glaubensgemeinschaft in Stuttgart. Schon in den 1980er-Jahren habe man auf dem Killesberg einen Friedensbaum gepflanzt. Die Kehrwoche der Ahmadiyaa Muslim Jugendorganisation nach der Silvesternacht hat bereits seit 1992 Tradition. „Eigentlich würden wir sie gar nicht an die große Glocke hängen“, gibt Adnan Malik (29) zu verstehen, „im Moment ist es uns aber wichtig zu zeigen, dass es im Islam auch um den Dienst am Mitmenschen geht. Er ist neben dem Dienst an Gott eine der zentralen Glaubenssäulen.“

Auch 2018 wird für die Mitglieder der Bad Cannstatter Gemeinde, der 280 Gläubige angehören, wieder mit Besen und Kehrschaufel beginnen. „Wir haben vor, den Marienplatz zu säubern, vielleicht auch den Schlossplatz“, sagt der studierte Jurist Ahmad: „Wie jedes Jahr werden wir uns dafür mit der Stuttgarter Abfallwirtschaft abstimmen.“

In zentraler Lage würde der freiwillige Reinigungsdienst sicher noch stärker wahrgenommen. Unbemerkt blieb er auch in der Haußmannstraße nicht. Einige Anwohner bedankten sich sogar mit kleinen Geschenken.