Im Amtsgericht wurde ein Fall von Exhibitionismus verhandelt. Foto: Begemann

Eine Frau zeigt einen Paketboten wegen Exhibitionismus an. Doch deren Aussagen widersprechen dem im Polizeiprotokoll geschilderten Hergang. Obwohl der Mann schon vorbestraft ist, urteilt Richter Alfred Trick jedoch für den Angeklagten.

Widersprüchliche Zeugenaussagen und ein Freispruch sind das Ergebnis eines Prozesses gegen einen Paketboten. Der Mann wurde am Amtsgericht Horb wegen Exhibitionismus angeklagt.

Bereits im Juli 2022 ist gegen ihn aufgrund eines gleichlautenden Sachverhalts vor dem Nagolder Amtsgericht ein Strafbefehl von 50 Tagessätzen zu je 50 Euro ausgestellt worden.

Bote soll Kind Eis gegeben haben

Als Zeugin trat jetzt eine Frau auf, die aktuell in einerwestlichen Kreisgemeinde wohnt. Ende Oktober vergangenen Jahres habe der Angeklagte ihr mehrmals Pakete vorbeigebracht, damit sie diese an Anwohner weitergebe.

„Innerhalb weniger Tage hat er fünfmal an meiner Tür geklopft und gefragt, ob mein Mann arbeiten sei“, schildert sie die Situation mit Hilfe eines Arabisch sprechenden Dolmetschers.

Schließlich habe der Paketbote ihren kleinen Sohn zu seinem Lieferwagen genommen und ihm dort ein Eis gegeben. Als beide wieder vor der Tür standen, hätte der Bote sein Glied entblößt und an seinem Penis gespielt.

„Bitte vergessen Sie alles“

Richter Alfred Trick spricht das vor gut einem Jahr erstellte Polizeiprotokoll an. In diesem habe die Frau mit einem von ihrem Lebensgefährten organisierten Übersetzer angegeben, der Angeklagte hätte das Eis an die Tür gebracht.

Trick weist auf weitere Unstimmigkeiten hin. Laut Protokoll soll der Angeklagte gefragt haben, ob er auf die Toilette könne. Im Sitzungssaal gibt die Frau an, er hätte gefragt, ob sie gegen Geld mit ihm schlafen wolle.

„Der Übersetzter sprach einen komischen Dialekt – von zehn Wörtern habe ich nur eines verstanden“, erläutert die Geschädigte die abweichenden Aussagen. Und: „Bitte vergessen Sie alles, was bei der Polizei erzählt wurde.“

Wurde Zeugin beeinflusst?

Der Staatsanwalt sieht wegen den unterschiedlichen Angaben keine Zweifel an der Aussage und plädiert auf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 55 Euro. Grund seien die einschlägigen Vorstrafen.

Die Verteidigung kritisiert prinzipiell die Art und Weise der Beweismittelerhebung. Der Geschädigten seien acht verschiedene Bilder von Männern vorgelegt worden, darauf habe aber lediglich sein Mandant die Uniform des entsprechenden Paketzustellers getragen.

„Damit wurde auf das Erinnerungsvermögen der Zeugin eingewirkt“, wendet er ein. Auch hätte man den damaligen Übersetzer und die vernehmende Polizeibeamtin als Zeugen laden können, regt er an.

Aussage steht gegen Aussage

Da der Angeklagte darüber hinaus noch Schulden in Höhe von 4000 Euro begleichen müsse, setzt sich der Verteidiger dafür ein, die Tagessätze auf eine Höhe von 25 Euro zu begrenzen.

Richter Trick entscheidet sich jedoch für einen Freispruch. „Hier steht Aussage gegen Aussage“, verdeutlicht er das Dilemma. Der Angeklagte selbst äußert sich nicht zu dem Vorfall, aber er könne auf die gegensätzlichen Aussagen der Frau kein Urteil gründen.

Auch über das Auftreten der Zeugin ist er verärgert. „Sie haben aus meiner Sicht eine Show abgezogen“, äußert er sich über das Verhalten der Frau, die ihm während der Verhandlung öfters in Wort gefallen war.

So heißt es also diesmal „Im Zweifel für den Angeklagten“. Dem wegen exhibitionistischen Handlungen vorbestraften rät der Richter: „Wenn Sie ein Problem haben, gehen Sie zu einem Psychologen.“