CDU/CSU-Fraktionschef muss sich erstmals seit seiner Wahl 2005 einer Kampfkandidatur stellen.

Berlin - Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU, Tuttlingen) muss sich an diesem Dienstag erstmals seit seiner ersten Wahl 2005 einer Kampfkandidatur stellen – gegen seinen Stellvertreter Ralph Brinkhaus (CDU). Brinkhaus hat seine Kandidatur unter anderem mit dem Wunsch nach einer aktiveren Rolle der CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten gegenüber der Regierung begründet. Zudem wolle er sich für mehr Teamgeist einsetzen – es sei ihm wichtig, "das Wir" der Fraktion zu stärken.

Dem Westfalen werden bei der Wahl allgemein nur Außenseiterchancen eingeräumt. Von erfahrenen Abgeordneten heißt es, er könne womöglich mit 30 Prozent der Stimmen rechnen. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat ihrem Vertrauten Kauder bereits wie CSU-Chef Horst Seehofer und der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt Unterstützung zugesichert.

Volker Kauder

Er steht von Anfang an an der Seite der Kanzlerin: So lange schon Merkel das Land regiert, hält Volker Kauder (69) die Bundestagsfraktion zusammen. Finanz- und Griechenlandkrise, der Atomausstieg, das Rumoren durch den starken Flüchtlingszuzug: Kauder hat immer wieder schwierige Lagen meistern und Mehrheiten für Merkel organisieren müssen. Seit 13  Jahren führt der Baden-Württemberger die Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU, so lange wie niemand zuvor.

Seit 1990 ist Kauder stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Rottweil-Tuttlingen in den Bundestag eingezogen. Von 1991 bis 2005 war er Generalsekretär der CDU in Baden-Württemberg, von 2002 bis 2005 Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion unter der Vorsitzenden Merkel. Als sie 2005 ins Kanzleramt einzog, wurde Kauder Fraktionschef. Ihr Verhältnis gilt als vertrauensvoll. Kauder ist kein Mann der lauten Töne,gilt als loyal, zuhörend.

Ein besonders gutes Verhältnis hatte er zu seinem SPD-Pendant Peter Struck. Als der 2012 starb, war er schwer getroffen. "Struck ist in der Zeit der großen Koalition zu einem verlässlichen Freund und Wegbegleiter geworden", erinnert sich Kauder an die Jahre 2005 bis 2009. Vieles hat sich verändert im Bundestag, auch durch den Einzug der AfD. Heute muss Kauder mit Andrea Nahles die Koalition im Bundestag zusammenhalten – und Mehrheiten für die dritte große Koalition unter Merkel organisieren.

CDU-Mann Kauder wurde zuletzt zunehmend zum Blitzableiter für den Unmut in der Fraktion, auch über die Kanzlerin. Im Asylstreit mit der CSU kam es im vergangenen Sommer – ein Novum – zu getrennten Sitzungen der Abgeordneten der Schwesterparteien. Nach der Bundestagswahl 2013, als die Union fast die absolute Mehrheit geholt hatte, wurde Kauder noch mit 97,4 Prozent im Amt bestätigt, sein bislang bestes Ergebnis. Aber schon bei der Wahl im vergangenen Jahr gab es für den Fraktionschef nur noch eine Zustimmung von 77,3 Prozent (ohne Gegenkandidaten). Dieses Mal gibt es jedoch mit Ralph Brinkhaus jemanden, der sich ebenfalls zur Wahl stellt.

Jenseits des Parlaments kämpft Kauder unter anderem gegen die Verfolgung von Christen in aller Welt.

Ralph Brinkhaus

Für wen das Herz von Ralph Brinkhaus schlägt, zeigt schon ein flüchtiger Blick auf seinen Schreibtisch. Da steht ein weißer Keramik-Geißbock. Der Westfale ist auch Mitglied im 1. FC Köln Fanklub des Bundestags, der "Koalition Rut-Wiess". Im Revoluzzerjahr 1968 in Rheda-Wiedenbrück geboren, wagt Brinkhaus (50) nun ein wenig die Revolution.

Erstmals muss sich Kauder einer Kampfabstimmung stellen. Aber der bisherige Stellvertreter Brinkhaus informierte brav vorab die Kanzlerin und Kauder. Und er verliert über Kauder kein böses Wort, er ist auch nicht der Typ, der in den Hinterzimmern um Stimmen feilscht.

Sein Programm: Nach 13  Jahren Kauder brauche es neue Köpfe, Aufbruch, frischen Wind. "Ich kandidiere für neuen Schwung in der Fraktion, nicht gegen die Kanzlerin", betont er, dass er loyal zu Merkel steht.

Als Finanz- und Haushaltspolitiker hat er sich einen Namen gemacht, leise und freundlich im Ton, durchsetzungsstark in der Sache. In die CDU kam er schon zu Schulzeiten über die Junge Union. Anfangs belächelt für seine Kandidatur, zog er westfälisch-stur das Ding durch – und ist längst mehr als nur ein krasser Außenseiter. Er meint, man müsse viel stärker für den Zusammenhalt im Land kämpfen – aber nicht mit immer höheren Sozialleistungen. "Wir können die Gräben in der Gesellschaft nicht mit Haushaltsmitteln zuschütten."

Anders als Kauder, der sich anfangs niemals mit AfD-Politikern in eine Talkshow setzen wollte, will Brinkhaus verstärkt "mit jenen ins Gespräch kommen, die sich von uns abgewandt haben". Auch im Mittelstand gebe es immer mehr Protestwähler, "um die wir uns stärker als bisher kümmern müssen", meint Brinkhaus.