Vor dem Landgericht Tübingen wurden nun die Plädoyers gehalten. Foto: Becker

Im Prozess um den Tod der Dobler Unternehmerin fordert die Staatsanwaltschaft lebenslänglich für beide Angeklagte. Die Verteidiger sehen das anders – und fordern zumindest in einem Fall Freispruch.

Der Prozess um die am 20. Juli vergangenen Jahres getötete 68-jährige Unternehmerin aus Dobel neigt sich dem Ende zu. Am Verhandlungstag am Montag standen die Schlussvorträge auf dem Programm.

Die Staatsanwaltschaft Staatsanwalt Christoph Wendelstein erklärte, dass die drei Prokuristen der Firma – darunter die Angeklagte – die Unternehmerin aus dem operativen Geschäft drängen wollten. Für die Angeklagte hätte das ein Jahresgehalt von etwa 130 000 Euro anstatt wie bisher 63 000 Euro bedeutet. Die Unternehmerin hätte aber andere Ideen für die Firma gehabt. Nachdem ihr Schwiegersohn, ebenfalls Prokurist, gefeuert worden war, habe die Angeklagte einen „koordinierten Aufstand innerhalb der Firma“ organisiert. Der Schwiegersohn sei wieder eingestellt worden.

Das Paar habe dann den Beschluss gefasst, die Unternehmerin zu töten. Neben der Aussicht auf das höhere Gehalt hätten beide befürchtet, dass ihre Veruntreuungen aufflögen. Die Unternehmerin habe die Angeklagte nämlich wegen „verdächtigen Buchungen“ kontaktiert. Der Angeklagte sei daraufhin nach Dobel gefahren und habe der Unternehmerin „die Kehle durchgeschnitten“.

Er sei dabei vermummt gewesen, habe Handschuhe getragen und sei den Überwachungskameras ausgewichen. Die Angeklagte habe ihrem Freund einen Schlüssel zum Haus, einen Sender für die Alarmanlage, die Adresse sowie ein Bild des Opfers übergeben. Sie habe damit „essenzielle Informationen“ für die Tat bereitgestellt und vom Taterfolg profitiert. „Sie ist Täterin, nicht bloß Teilnehmerin“, formulierte er es. Die Finanzermittlungen hätten die Veruntreuungen von knapp 41 000 Euro bewiesen. Zum Mord verwies er auf passende Schuhabdrücke am Tatort, DNA des Angeklagten und Blut des Opfers an den Handschuhen, die Überwachungskameras, Chat-Protokolle der Angeklagten, die Funkzellenüberwachung, die Zeugenaussagen und die versuchten Waffenkäufe. Das Opfer habe den Angriff nicht erwartet.

Wendelstein sah die Mordmerkmale Habgier, Heimtücke und Verdeckungsabsicht als erfüllt an. Die Finanzdelikte hätten beide zugegeben. Er forderte für beide eine lebenslängliche Freiheitsstrafe und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

Die Nebenkläger Die drei Nebenklagevertreter stimmten der Forderung der Staatsanwaltschaft zu. Alle betonten, wie schwer der Prozess für ihre Mandanten, Kinder des Opfers, gewesen sei. Gallus Lamprecht, Anwalt der mit dem Schwiegersohn verheirateten Tochter, erzählte von den Auswirkungen auf das Leben seiner Mandantin. Die Verteidigung hätte den Schwiegersohn in den Mittelpunkt gerückt, „diskreditiert“ und „verleumdet“. Sogar von einer „Schmutzkampagne“ sprach er. Das habe im kleinen Dobel für viele Gerüchte gesorgt.

Verteidigung der Angeklagten Verteidigerin Julia Geprägs forderte, ihre Mandantin vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Mord freizusprechen. Die versuchten Waffenkäufe stünden nicht im Zusammenhang mit der Tat. Die Adresse und ein Bild des Opfers hätte sie erst auf Nachfrage ihres Lebensgefährten weitergegeben. Zudem habe die Angeklagte im Streit um die Zukunft der Firma immer den Kompromiss mit der Unternehmerin gesucht. Ja, die Angeklagte hätte von der Umstrukturierung erheblich profitiert – aber auch ohne den Tod der Unternehmern. „Viel zu viele Zweifel“, fasste Geprägs es zusammen. Für die von ihrer Mandantin gestandene Veruntreuung forderte sie eine Bewährungsstrafe.

Der zweite Verteidiger Hans-Christoph Geprägs erklärte die anfänglichen falschen Angaben – die Angeklagte hatte den Schwiegersohn mitbeschuldigt – damit, dass sie ihren Lebensgefährten schützen wollte. Die Angeklagte äußerte sich nochmals selbst. Sie sei den Lügen ihres Lebensgefährten aufgesessen. Sie sei „blind vor Liebe gewesen“. Sie schäme sich für die Veruntreuung, bedaure den Tod der Unternehmerin, habe mit letzterem aber nichts zu tun gehabt.

Verteidigung des Angeklagten Christian Niederhöfer, der Verteidiger des Angeklagten, erinnerte daran, dass sein Mandant ein Geständnis abgelegt habe. Der habe nur das Gespräch mit der Unternehmerin suchen wollen. Dieses sei dann eskaliert. Die Chats belegten keine Planung einer Tötung. Auch sei nicht bewiesen, dass der Angeklagte einen Schlüssel zum Haus der Unternehmerin gehabt oder ein Messer mitgebracht habe.

Niederhöfer hielt die Mordmerkmale für nicht belegt und verwies auf die schwierige Kindheit mit sexuellem Missbrauch und Gewalt seines Mandanten. Er forderte, ihn lediglich für Totschlag und die Finanzdelikte zu verurteilen. „Es tut mir schrecklich Leid“, zeigte der Angeklagte erstmals im Prozess Reue. Er habe die Kontrolle verloren. Seine Lebensgefährtin habe mit der Tat nichts zu tun. „Ich bin voll verantwortlich und muss dafür einen Preis bezahlen“, schloss er. Wie hoch dieser ist, wird sich am Donnerstag zeigen. Dann verkündet das Gericht das Urteil.