Der ehemalige Porsche-Gesamtbetriebsratschef Uwe Hück (links) steht mit dem SPD-Landesvorsitzenden Andreas Stoch auf einem Spielplatz. Hück tritt für die Pforzheimer SPD bei der Kommunalwahl im Mai an. Foto: Petra Hertweck/SPD/dpa

Über Jahre hat er als Porsche-Betriebsrat den Mächtigen Paroli geboten - jetzt will Uwe Hück die AfD in ihrer Hochburg das Fürchten lehren. Und stößt auf überraschende Gegenliebe bei der CDU.

Pforzheim - Kurz vor 16 Uhr ist nichts los vor dem russischen Lebensmittelmarkt. Drei Mädchen genießen die Sonne. Eine Mutter schiebt ihren Kinderwagen auf dem Durchgang zum Hochhaus. Doch dann kommt Uwe Hück - und mit ihm Leben in den Pforzheimer Höhenstadtteil Haidach. Der frühere Porsche-Gesamtbetriebsratschef und jetzige Pforzheimer SPD-Spitzenkandidat für die Kommunalwahl am 26. Mai will das Gespräch mit Bürgern suchen. Von den rund 8500 Bewohnern stammen gut zwei Drittel aus der ehemaligen Sowjetunion. Und viele favorisieren die AfD. Hück will das ändern.

Einige Journalisten sind schon da, Kommunalwahlkandidaten anderer Parteien und auch Waldemar Meser, Vorsitzender der Elterninitiative Haidach, der für die CDU in den Gemeinderat ziehen will. Hück, gut gelaunt und leutselig, schüttelt Hände. Er erfährt, wo der Schuh drückt: von der chaotischen Parkplatzsituation über verdreckte Spielplätze bis hin zu Problemen bei der Jugendarbeit.

Letztere ist sein Steckenpferd. Als Vorsitzender des benachbarten Sportclubs FSV Buckenberg kennt sich Hück auf dem Haidach aus - und man kennt und bewundert den 56-jährigen ehemaligen Europameister im Thaiboxen, der es vom Waisen- und Heimkind über den Lackierer bei Porsche bis zum mächtigen Gegenspieler der Autobosse gebracht hat.

Der Neu-Politiker versteht sich als Mann des Volkes und als Macher. Im Jugendzentrum schnappt er sich einen Tischtennisschläger und spielt vor laufender Kamera mit. Bei den Jungs kommt das an, bei der Leiterin des Zentrums nicht: Die Kameras müssen abziehen. Der unangekündigte Gast entschuldigt sich, bevor sein Tross weiterzieht. Nicht ohne das Versprechen, den Jugendlichen bessere Schläger zu schenken.

Die ehemals blühende Schmuckstadt Pforzheim leidet unter einem schlechten Image und kämpft mit hoher Jugendarbeitslosigkeit. Hück, der Anfang Februar seinen überraschenden Rückzug von Porsche bekannt gab, will eine Wende einleiten und die 127 000-Einwohner-Stadt am Nordrand des Schwarzwalds schöner, sicherer und sozialer machen.

Er sorgt sich um die Jugendlichen hier. Der Sportverein platzt aus allen Nähten, es gibt keinen Raum zum Feiern. «Vielleicht sollten wir da was bauen», sagt er seinem Duz-Freund Waldemar Meser, der als Spätaussiedler aus Irkutsk kam. «Es kann nicht sein, dass Jugendliche hier rumgammeln und nicht wissen, wohin sie können.» Er warnt vor sozialem Sprengsatz: «Hier könnte es gefährlich werden.»

Einige Haidacher quittieren das mit Kopfschütteln: «Ich komme mir vor, als wäre ich im falschen Stadtteil», sagt Bruno Biechele von den Freien Wählern. Das in den 1990er Jahren wegen rivalisierender Jugendgangs berüchtigte Quartier hat sich längst gewandelt. Es ist inzwischen ein unauffälliger Stadtteil mit einer Mischung aus in die Jahre gekommenen Hochhäusern, vierstöckigen Bauten zwischen großen Rasenflächen und Reihenhäuschen mit gepflegten Vorgärten. Nicole Gaidetzka von den Unabhängigen Bürgern befürchtet, dass der SPD-Spitzenkandidat so eher den schlechten Ruf zementiert.

Bei anderen kommt seine forsche Art dagegen an. Bei dem älteren Ehepaar zum Beispiel, das Angst hat, dass die Baugenossenschaft die Wohnung verkauft. «Das geht gar nicht», beruhigt Hück. Er ist gegen weitere Verdichtung und macht gegen neue Hochhäuser Front. «Wir brauchen ein Gesamtkonzept für Haidach», sagt er.

Hück nimmt kein Blatt vor dem Mund, warnt vor Parallelgesellschaften. Ihn stört, dass türkische Kinder auf dem Haidach jetzt nicht mehr mit den anderen Fußball spielen. «Integration heißt nicht, dass nur Türken reindürfen.» Er wirbt für gemeinsames Spielen und Feiern. In ganz Pforzheim. Er war beim Tanz in den Mai bis spät dabei, hat Kurden und Aleviten besucht. Sonntags will der «evangelische Buddhist» (Hück über Hück) nach der Kirche mit Bürgern frühstücken. Er will in der Moschee sprechen und auch beim Aufbau der Marktleute frühmorgens dabei sein. Wer ein Anliegen hat, kann in seinem «Revolutionsbüro» in der Innenstadt vorbeischauen.

Der Kandidat legt sich ins Zeug. Und das alles für einen Sitz im Pforzheimer Gemeinderat? «Das geht schon Richtung Landtag», ist Biechele überzeugt. Hück sagt: «Meine Zukunft ist hier in Pforzheim.» Ganz ausschließen will er weitere Ambitionen nicht: «Wenn einer ruft, hör ich mir das an.» Zunächst will er aber eines: In Pforzheim reüssieren und die AfD in ihrer Hochburg das Fürchten lehren.

Bei der Kommunalwahl 2014 bekamen die Rechtspopulisten in Pforzheim 10,8 Prozent der Stimmen. Bei der Landtagswahl 2016 ging die AfD in Pforzheim sogar mit 24,2 Prozent als Siegerin hervor - vor den Grünen (24,1 Prozent), der CDU (22,4 Prozent) und weit vor der SPD (11,4 Prozent). In vier Wahlbezirken auf dem Haidach kam die AfD auf mehr als 50 Prozent.

«Wir müssen lauter werden», sagt Hück. «Die AfD ist doch nur entstanden, weil wir den Leuten nicht mehr auf's Maul schauen.» Der selbstbewusste Promi als wirksames Mittel gegen die AfD? Viele trauen ihm das zu.

Deshalb hat SPD-Landeschef Andreas Stoch das langjährige SPD-Mitglied, das zunächst mit eigener Liste antreten wollte, so umworben. Deshalb wurde Hück auf Listenplatz eins gehievt. Im Einverständnis mit der jungen SPD-Kreischefin Annkathrin Wulff, wie sie betont. Wulff begleitet Hück, weitgehend still und lächelnd.

Und deshalb schart sich auf dem Haidach eine große Koalition um Hück. «Es ist unser gemeinsames Ziel, überzeugende Arbeit gegen Rechts zu leisten», sagt CDU-Mann Meser. Auch der Architekt und Künstler Andreas Sarow (CDU) setzt auf Hück: «Ein positiver Querulant kann auch was bewegen.» Oder, wie es eine 82-Jährige mit Rollator ausdrückt: «Der hat so ne große Gosch, der schafft einiges.» Der Kandidat selbst sagt: «Ich verwende eine Sprache, die das Volk versteht.»

Ein blutiger Anfänger ist Hück nicht: 2005 stieg er für Gerhard Schröder in den Ring, 2008 machte er für den damaligen SPD-Chef Kurt Beck Bundestagswahlkampf. Und notfalls, so sagt er, lässt er sich auch für andere «auf die Fresse hauen». Etwa, wenn es um einen guten Zweck geht, wie am 19. Oktober im Kampf gegen den Boxprofi Firat Arslan. Der Erlös geht an soziale Jugendprojekte.

Wer so agiert, kann auch auf dem Haidach in einen grünen Porsche steigen, ohne dass Neid aufkommt. Die Jungs vor dem Jugendzentrum jedenfalls sind voll Bewunderung. Für sie ist der Kampfsportler und Porsche-Mann offenbar vor allem eines: Einer, der es geschafft hat.