Die Vertrauensleute des Stadttheaters Pforzheim freuen sich auf die neue Spielzeit 2019/2020. Fotos: Ferenbach Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: System der Vertrauensleute bereits seit den 1970er-Jahren etabliert / Busfahrt wird übernommen

Intendant Thomas Münstermann bezeichnet sie als "das größte Sprachrohr des Theaters in die Region hinein", um das ihn viele seiner Kollegen beneiden. Die ehrenamtlichen Vertrauensleute sind in der Tat schon seit vielen Jahren eine feste Institution am Pforzheimer Stadttheater.

Pforzheim. Das System ist einzigartig in Deutschland und dürfte in dieser Form seinesgleichen suchen. Derzeit sind 50 Männer und Frauen in den "Außenstellen" für die Kultureinrichtung aktiv, einige betreuen schon seit den 1970er-Jahren die Abonnenten vor Ort oder im Bus und werben für Neuzugänge. Aktuell bringen knapp 30 Buslinien mehr als 500 Abonnenten aus mehr als 140 Gemeinden zu den Aufführungen in die Goldstadt. Das entspricht rund zwölf Prozent der aktuell rund 5000 Abonnenten.

"Das System wurde im Zuge der Regionalisierung des Theaters kontinuierlich weiterentwickelt", so Uwe Dürigen. Laut dem Verwaltungsdirektor des Stadttheaters ist der genaue Ursprung für die Initiative nicht verifizierbar, geht aber auf die Zeit zurück, als die Bühne noch im Osterfeld war. Das Stadttheater bezuschusst den Bustransfer, da der Aufpreis für die Abonnements die entstehenden Kosten nicht ganz deckt. Bei freien Platzkapazitäten können auch Nicht-Abonnenten den Bustransfer buchen.

Die Vertrauensleute

Es sind in der Regel langjährige Abonnenten, die dem Theater auch als Vertrauensleute über viele Jahre die Treue halten. Sie sind neben ihrer Begeisterung für Kultur und Theater auch auf vielfältige Weise im gesellschaftlichen Leben ihres Heimatortes verankert. "Wir suchen hier nach starken Multiplikatoren", meint Dürigen, "die sich auch in Vereinen, in Bildungseinrichtungen oder politisch engagieren". Josephine Langner ist schon mehr als 40 Jahre als Vertrauensfrau tätig. "Als ich von Hirsau, wo ich bereits Busabonnentin war, nach Ottenbronn zog, fuhr noch kein Bus dorthin und der damalige Werbeleiter Wolfgang Kornetzky machte für einen weiteren Bustransfer zur Bedingung, dass ich das Amt der Vertrauensfrau übernehme. Da konnte ich natürlich nicht ›Nein‹ sagen, zumal er extra nach Ottenbronn kam, um sich die Strecke anzuschauen. Und wir saßen dann noch bei mir zum Kaffee zusammen, wobei ihm mein Käsekuchen besonders schmeckte", sagt Langner.

"Mit Wurfzetteln in den Briefkästen konnte ich 27 Neuzugänge gewinnen, darunter viele Ältere, denen die gemeinsamen Theaterabende gut getan haben. Meine Bekannte Rosemarie Rink, damals ebenfalls neu zugezogen, hat dann Stammheim übernommen und mobilisiert. Für Simmozheim fanden wir die Vorgängerin der jetzigen Vertrauensfrau Marie-Luise Dürr", meint Langner.

Gisela Geißinger hat vor sieben Jahren das Abonnement und das Ehrenamt von ihrer Mutter übernommen. "Meine Mutter hatte ihr Abo fast 30 Jahre, noch aus Zeiten im Osterfeld, und war stets mit Bekannten, darunter viele alleinstehende Frauen unterwegs", berichtet die für Ebhausen und Ebershardt zuständige Vertrauensfrau.

"Da wir die Sonntagsnachmittagsmiete haben, kommen kaum Jüngere nach, das ist für diese nicht attraktiv. Für die Älteren, nicht mehr so mobilen, aber eine gute Sache, zumal ich auch im Bus schon die gewünschten Getränke und Kuchen bestelle, die dann in der Pause bereit stehen. Nur brechen immer mehr aus gesundheitlichen Gründen weg, vor allem wenn sie nicht mehr gut hören", beschreibt sie ihre Erfahrungen. "Diese können dann auch den Einführungen im Foyer nicht mehr folgen, es sei denn, sie stehen ganz vorne, weiter hinten ist die Geräuschkulisse zu groß", bedauert sie. "Um neue Abonnenten anzuwerben, gebe ich meine Abokarte auch mal an mir bekannte Interessenten weiter", verrät Geißinger.

Für Marianne Hiebel war der frühe Einstieg ins Theaterabonnement, das sie mit 14 Jahren von ihren Eltern geschenkt bekam, sicherlich mit ausschlaggebend für ein späteres Gesangsstudium. "Mit den älteren Herrschaften des örtlichen Volksbildungswerks saß ich damals als musikbegeistertes Mädchen im Bus Richtung Pforzheim, allerdings noch Osterfeld", schwelgt Hiebel in Erinnerungen. Vor rund 15 Jahren hat die Calmbacherin dann auch das Ehrenamt von der damaligen Vertrauensfrau Ellen Diefenbach übernommen.

"Zwischendurch hatten wir auch mal für wenige Jahre als Familie ein Abonnement im Stuttgarter Staatstheater. Mit der Neueröffnung am Waisenhausplatz wechselte ich aber wieder nach Pforzheim, und aktuell sind wir sieben Abonnenten. Es gibt aber auch viele freie Abonnenten hier, die eigenständig fahren", führt die Grund- und Hauptschullehrerin aus. Vor vier Jahren wurden die zahlenmäßig rückläufigen Calmbacher Abonnenten mit der Bad Wildbader Miete zusammengelegt. Bevor die Vertrauensfrau für Altburg, Gabriele Mutterer, 1982 in den Calwer Stadtteil gezogen ist, hatte sie bereits an ihren früheren Wohnorten Hamburg und Stuttgart zusammen mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Mann ein Theaterabonnement. "Mit dem Umzug vom Osterfeld ins neue Gebäude waren wir bereits Vertrauensleute, meine Vorgängerin hatte das altershalber abgegeben", so Mutterer. "Es hat uns beiden immer Spaß gemacht, für andere da zu sein. Wir waren auch im Kirchenchor und der Nachbarschaftshilfe engagiert", führt sie aus.

Von einer damals 89 Jahre alten Bekannten aus der Mittwochsgesellschaft hat Hannelore Birnbaum vor rund zehn Jahren das Amt der Vertrauensfrau für Wildberg und Effringen übernommen. "Ich war damals schon in derselben Sonntagnachmittagmiete, und habe seither etliche neue Abonnenten gewinnen können", sagt Birnbaum, die aktuell 30 Mitfahrende, überwiegend alleinstehende Frauen und Ehepaare, betreut.

"Gerade die Alleinstehenden freuen sich, wenn sie sonntags ausgehen können. Eine Gruppe von acht bis zehn Leuten geht danach immer noch Essen in wechselnde Lokale und unterhält sich dann auch über die Stücke", sieht Birnbaum als Grund, warum ihr alles nach wie vor Spaß macht.

Die Busabonnenten

Es sind von allen die langjährigsten und somit treuesten Abonnenten. "Viele sind zehn bis 15 Jahre dabei", weiß Vertrauensfrau Monika Peters aus Bad Liebenzell zu berichten, die seit 1986 in dieser Funktion für Bad Liebenzell, Unterhaugstett und Monakam tätig ist. "Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft, man kennt sich. Die Stimmung des Stücks färbt auch auf die Stimmung im Bus ab, und wir tauschen uns dazu entsprechend aus", beschreibt Gabriele Mutterer ihre Abonnentengruppe aus Altburg. "Aber es ist schwierig, Jüngere zu gewinnen, meist stehen berufliche Gründe im Weg", räumt die Vertrauensfrau ein. Wenngleich sie sich freuen kann, dass selbst ein Landwirt mit Frau nun schon ein paar Jahre dabei sind.

Transferprobleme

"Wir hatten schon mal überbelegte Busse, wenn Gutscheininhaber oder Besucher aus dem freien Verkauf mit dem Bus mitgefahren sind, wozu eigentlich eine vorherige Anmeldung erforderlich ist. Folglich mussten Busabonnenten auf andere Buslinien umsteigen und dann sogar Umwege in Kauf nehmen, worüber sie sich verständlicherweise geärgert haben", schildert Josefine Langner einen für sie unangenehmen Zwischenfall. "Im Winter ist bei uns schon einmal der Bus nicht angesprungen, als wir nach der Vorstellung die Heimfahrt antreten wollten. Da wir kaum Männer im Bus hatten, gingen wir kurzerhand ins Theater und holten Verstärkung. Es kamen auch tatsächlich einige Akteure, die zuvor auf der Bühne standen, zur Unterstützung und halfen mit, den Bus anzuschieben", so Langner zum letztendlich guten Ausgang der Panne.

Was wird geschätzt?

Josefine Langner schätzt die übertragbaren Abokarten und Gutscheine. "Die wurden auch schon von meinen Kindern genutzt", berichtet die Ottenbronnerin. "Beim Fernsehen kann man jederzeit umschalten, im Theater nicht, da ist es live", beschreibt Peters ihre Sichtweise. "Als wir witterungsbedingt mal nicht anreisen konnten, bekamen alle Abonnenten in meinem Bus eine Gutschrift, die wie alle zusammen wenig später für die gleiche Vorstellung einlösen konnten. Wir hatten nur nicht die gewohnten Plätze", führt die Liebenzellerin aus.

Ihrer Ansicht nach sind die Verantwortlichen zuvorkommend, um die Abonnenten zu halten. Hannelore Birnbaum aus Wildberg erging es ähnlich mit ihrer Gruppe, als der Bus aufgrund einer Panne verspätet ankam. "Wir durften alle nach Beginn der Vorstellung noch in den oberen Rängen Platz nehmen und waren froh über diese Flexibilität der Theatermitarbeiter." Birnbaum findet auch das Preis-Leistungs-Verhältnis des Stadttheaters gut. Hiebel aus Calmbach, durch ihr Gesangsstudium sicherlich eine der kritischeren und anspruchsvolleren Vertrauensleute, sieht eine deutliche Verbesserung von Solisten und Orchester seit dem Umzug aus dem Osterfeld.

Bedeutung

Ohne Abonnements könnte ein städtisch geführtes, kommunales Theater wie das Drei-Sparten-Haus in Pforzheim, nicht existieren. In der Spielzeit 2019/2020 wurden 25 verschiedene Abonnements angeboten, darunter auch spezielle für Kinder und Jugendliche. Mit 41,5 Prozent steuern die Abonnenten im Vergleich zum freien Verkauf knapp die Hälfte zur Auslastung des Stadttheaters bei.

Mit den Abonnements erwirtschaftet das Stadttheater Einnahmen in Höhe von rund 710 000 Euro jährlich. Im freien Verkauf werden 950 000 Euro eingenommen. Die Stadt Pforzheim schätzt, dass jährlich rund 150 000 Theaterbesucher aus dem Umland in das Oberzentrum kommen. Laut Theaterleitung ist der Trend aktuell dahingehend, dass die individuellen Abonnements leicht zunehmen, bei einem leichten Rückgang der Abonnements mit Bustransfer. Um weitere Abonnenten aus der Region zu gewinnen, engagieren sich nicht nur die Vertrauensleute in ihrem jeweiligen Umfeld.

Auch das Stadttheater entsendet Teams aus Verwaltung, Schauspiel, Musiktheater und Ballett, um bei Gastauftritten, im Rahmen von größeren Veranstaltungen oder an offenen Abenden für die aktuelle oder neue Spielzeit zu werben.

Für Intendant Münstermann sind die Vertrauensleute aufgrund ihres engen und regelmäßigen Kontaktes zu den Abonnenten aber auch eine Art "Seismograf". Stimmungsausschläge nach oben und unten gibt es auch schon mal bei den jährlichen Treffen zur Vorstellung des neuen Spielplans im Foyer des Stadttheaters. "Das Theater ist ein Publikumsbetrieb. Für uns ist es daher wichtig, Positives wie Negatives aufzunehmen, wozu die Runde mit den Vertretern aus der Region eine gute Gelegenheit ist." Zur Einladung im Frühjahr gehören ein gemeinsames Abendessen, ein Austausch zur abgelaufenen Saison und die Vorstellung des neuen Programmheftes durch die Vertreter aller drei Sparten, einschließlich Hinweisen zu personellen Veränderungen.

Andere Spielstätten

Die Staatstheater Stuttgart haben keine ehrenamtlichen Vertrauensleute, arbeiten jedoch eng mit Privatpersonen, Kulturämtern, Volkshochschulen, Reisebüros und Busunternehmen zusammen, um Abonnenten aus der Region anzuwerben und zu den Vorstellungen zu bringen. Laut Doris Beckmann, Leitung Verkauf und Abonnement, "ist es wichtig und sinnvoll, mit regionalen Ansprechpartnern zusammenzuarbeiten, die auf die besonderen Anliegen vor Ort viel direkter eingehen könne, als es zentral von Stuttgart aus möglich wäre." Für die Mitarbeiterin der Staatstheater sind die Leiter der auswärtigen Abonnement-Gruppen "Vermittler der künstlerischen Arbeit unseres Hauses und Multiplikatoren."